Massaker in Las Vegas Trump könnte Waffennarren stoppen
Es ist zwar verquer, doch in den USA ganz gewöhnlich: Nach dem Massaker von Las Vegas mit mindestens 59 Toten schossen die Aktienkurse von Waffenherstellern nach oben. Die Anleger wissen genau, dass Bluttaten Geld bringen. Mitgefühl? Nicht an der Börse. Die Amerikaner werden – das ist ziemlich sicher – nach dem schlimmsten Massaker der jüngeren US-Geschichte wieder mehr Waffen kaufen, weil sie glauben, sich nur so besser schützen zu können. Ob das wirklich hilft, fragt niemand.
Es ist der schiere Irrsinn. Bis Jahresende sind es noch drei Monate, aber die Statistiker in den USA haben 2017 bereits 273 sogenannte Massenschießereien gezählt. Ein „mass shooting“ liegt vor, wenn vier oder mehr Menschen durch Waffeneinsatz verletzt oder getötet werden – die Schützen nicht mit eingerechnet. Wahrscheinlich werden es am Jahresende mehr Massaker sein, als das Jahr Tage hat. So war es schon oft. Jemand hat errechnet, dass jeden Tag mehr als 90 Amerikaner erschossen werden. Dass Kinder in den USA durch Kugeln sterben (Unfälle inklusive), ist 14 Mal wahrscheinlicher als in anderen entwickelten Ländern.
Angst vor der Waffenlobby
US-Waffennarren beeindrucken solche Zahlen und Statistiken aber nicht. Sie sind immun gegen die Realität und glauben der Waffenlobby, die allen Ernstes behauptet, das einzige Mittel gegen böse Menschen mit Waffen seien gute Menschen mit Waffen.
Die Waffenkäufe werden zunehmen, weil viele Amerikaner nach jedem Massaker Sorge haben, Regierung und Kongress in Washington könnten Ernst machen mit der seit Jahrzehnten debattierten Verschärfung der Waffengesetze. Doch auch das Blutbad in Las Vegas wird wohl nichts ändern an der Haltung der republikanischen Kongressmehrheit und des Präsidenten. Viele Abgeordnete haben vor der Waffenlobby „National Rifle Association“ (NRA) mehr Angst als vorm Zorn von Wählern, die geliebte Menschen verloren haben. Die NRA hat viel Geld, um Politiker zu stützen – oder zu stürzen, wenn diese sich erdreisten, auch nur an schärfere Gesetze zu denken. Die NRA kann vor allem im ländlichen Amerika politische Karrieren zerstören, bevor die überhaupt begonnen haben.
Und da ist auch noch der Präsident – besser gesagt: der Präsidentendarsteller. Seinen Wahlkampf hat Trump zu einem Feldzug für das Recht auf Waffenbesitz gemacht. Wenn er behauptete, Hillary Clinton wolle alle Waffen verbieten, dann war das gelogen. Aber seine Anhänger brüllten: „Sperrt sie ein.“ Das Weiße Haus hat nur Stunden nach dem Blutbad von Las Vegas verlautbart, es sei jetzt nicht die Zeit, um Gesetze zu debattieren. Diese Zeit wird, so scheint’s, nie kommen: Demnächst könnte der US-Kongress sogar die Verkaufsvorschriften für privat verwendete Gewehrschalldämpfer lockern. Damit der nächste Massenmörder unentdeckt noch etwas länger schießen kann.
Dabei mangelt es nicht an Vorschlägen, das Problem einzudämmen: Warum muss sich ein Käufer nicht einem umfassenden Sicherheitscheck bei den Behörden stellen? Warum darf ein 18-Jähriger ein Gewehr kaufen, aber Bier erst mit 21? Wieso ist es erlaubt, Waffen ohne Mengenbeschränkung zu kaufen? Welcher Jäger oder Sportschütze braucht ganze Waffenlager? Der Mordschütze von Las Vegas hatte bei der Tat mehr als ein Dutzend Waffen bei sich.
Es gibt genug Ideen. Aber es ist nicht zu erwarten, dass Trump auch nur eine Minute lang überlegt, wie die Waffengewalt zu beenden sei. Bei seiner kurzen Rede an die Nation Stunden nach der Tat klang er wie ein Prediger, als er Las Vegas einen „Akt des absolut Bösen“ nannte. So, als habe eine überirdische Macht geschossen, nicht aber ein US-Bürger, dem es der Staat erlaubt hatte, sich bis an die Zähne zu bewaffnen. Trump klang so, als könne man nach einem Blutbad allenfalls gemeinsam beten, dass sich so etwas nicht wiederholt. Aber es wird sich wiederholen.
Ironischerweise hätte Trump mehr Möglichkeiten als Amtsvorgänger Barack Obama, etwas zu verändern. Die Republikaner haben jeden, aber auch wirklich jeden Vorstoß Obamas, die Waffengesetze zu verschärfen, gnadenlos blockiert. Trump dagegen ist der Held der weißen Wutbürger. Wenn er ihnen sagen würden, dass es zum Wohle Amerikas wäre, den Zugang zu Waffen ein kleines bisschen zu erschweren, womöglich würden sie auf ihn hören. Aber das erforderte den Mut, die Wahrheit zu sagen – eine Eigenschaft, an der Präsidentendarsteller Trump nicht sehr schwer trägt.
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