TRUMP DROHT UNTERNEHMEN:
Wall Street in der Hand der Technikriesen
VON NORBERT KULS , NEW YORK
-AKTUALISIERT AM 27.10.2017-18:41
Die fünf größten Technologieaktien tragen fast ein Viertel zum gesamten Börsengewinn dieses Jahres bei. Aber es schwelen politische Risiken. Wird Trump zur Gefahr?
Das Kursfeuerwerk der amerikanischen Technologiewerte an der Wall Street geht weiter. Nachdem der Online-Händler Amazon, das Internetunternehmen Alphabet und der Softwarekonzern Microsoft am Donnerstag nach Börsenschluss über Erwarten starke Quartalszahlen vorgelegt haben, sind die Titel am Freitag an der elektronischen Börse Nasdaq deutlich geklettert. Allein der Kurs von Amazon legte um 13 Prozent zu. Damit setzte sich der Höhenflug einer Branche fort, die in diesem Jahr die größte Triebfeder der amerikanischen Börsen ist.
Die Kurse der im breit gefassten amerikanischen Aktienindex S&P 500 abgebildeten Technologieaktien sind seit Anfang des Jahres um durchschnittlich rund 35 Prozent gestiegen. Damit kletterten sie mehr als doppelt so stark wie der S&P 500, der im gleichen Zeitraum um etwas mehr als 15 Prozent zulegte. Die gemessen am Börsenwert fünf größten Technologietitel haben zudem immens starken Einfluss auf den Trend des Gesamtmarktes, weil sie auch die allgemeine Liste der Schwergewichte an der Wall Street anführen. Jeder der fünf Titel, Apple, die Google-Muttergesellschaft Alphabet, Microsoft, Amazon und Facebook, kommt auf einen Börsenwert von jeweils mehr als 500 Milliarden Dollar. Apple spielt dabei mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 800 Milliarden Dollar in einer eigenen Börsenliga.
Außer verbalen Scharmützeln bisher keine Konsequenzen
Die fünf sind mittlerweile alle größer als Berkshire Hathaway, das vom Starinvestor Warren Buffett geführte Konglomerat mit mehr als 80 Tochtergesellschaften und Wertpapierbeteiligungen im Wert von mehr als 100 Milliarden Dollar. Das Unternehmen, das auch 2,5 Prozent der Apple-Aktien hält, rangierte mit einem Börsenwert von zuletzt 465 Milliarden Dollar hinter Amazon und Facebook nur noch auf Rang 6. Vielleicht am stärksten wird die Dominanz der Technologiewerte mit dem folgenden Vergleich deutlich: Alphabet ist mit einem Börsenwert von zuletzt mehr als 700 Milliarden Dollar doppelt so viel wert wie der große Ölkonzern Exxon Mobil, der noch Anfang dieses Jahrzehnts die Liste der Börsengiganten angeführt hatte.
Die fünf führenden Tech-Riesen haben nach Angaben des Indexanbieters S&P Dow Jones Indices fast ein Viertel zu den Gewinnen des S&P 500 in diesem Jahr beigetragen. Aktienanalysten an der Wall Street rechnen mit weiter wachsenden Gewinnen in der Branche. Schon vor den Quartalszahlen von Alphabet, Microsoft und Amazon hatten die Auguren für Unternehmen aus der Informationstechnologie für das dritte Quartal einen Gewinnzuwachs von 9 Prozent prognostiziert. Neben der Energiebranche würden die Technologieunternehmen damit den zweitstärksten Beitrag zu den Gewinnen im S&P 500 leisten. Nach Angaben des Informationsdienstes Factset kalkulieren Analysten derzeit mit einem durchschnittlichen Gewinnzuwachs von nur 1,7 Prozent für die im S&P 500 abgebildeten Unternehmen. Gegenwind für die dominierenden Technologiewerte scheint derzeit vor allem von Seiten der Regulierungsbehörden zu drohen. Einige Analysten sorgen sich, dass die Unternehmen stärker ins Visier der Regierung von Donald Trump geraten könnten. Trump hatte Apple und Amazon in der Vergangenheit immer mal wieder auf Twitter attackiert, aber es hatte außer verbalen Scharmützeln bisher keine Konsequenzen gehabt.
Strafsteuer für chinesische Produkte?
Die international tätigen Konzerne dürften nach Einschätzung von Analysten aber von den geplanten Steuersenkungen profitieren, sollte sich die republikanische Mehrheit im Kongress auf einen gemeinsamen Gesetzesvorschlag einigen können. Trumps bisherige Gesetzesinitiativen, unter anderem zur Abschaffung der Gesundheitsreform seines Vorgängers Barack Obama, waren am Widerstand einzelner Senatoren gescheitert. Trump hatte Ende September Pläne für eine Steuerreform vorgestellt, die eine Senkung des Steuersatzes für Gewinne von Kapitalgesellschaften von 35 auf 20 Prozent vorsieht. Unternehmen sollen zudem im Ausland erwirtschaftete Gewinne zu einem niedrigen Steuersatz in die Vereinigten Staaten zurückführen können.
Der Marktstratege Jason Trennert vom Wertpapierhaus Strategas glaubt dennoch, dass Technologieunternehmen stärker unter Beschuss geraten könnten. „Während der Obama-Regierung standen die Finanz- und die Energiebranche unter stärkerer regulatorischer Kontrolle, und Technologie galt als tugendhaft“, kommentiert Trennert. „Jetzt gibt es ernsthafte Fragen, ob sich diese Positionen möglicherweise drehen, weil Finanzen und Energie als Antworten für stärkeres Wirtschaftswachstum gesehen werden.“ Trump drängt auf lockerere Regulierung in diesen Wirtschaftsfeldern. Für Unternehmen wie Facebook und Google beim Thema Werbung und für Amazon im Einzelhandel stehe dagegen die Frage einer zu großen Marktdominanz im Raum, meint Trennert. Druck schien bisher vor allem aus Europa zu kommen. Die EU-Kommission hatte im Juni eine Kartellstrafe von 2,4 Milliarden Euro gegen Google verhängt. Die Kartellwächter sahen es als erwiesen an, dass Google bei einem Preisvergleichsdienst seine marktbeherrschende Stellung missbraucht hat.
Trump hatte Apple im Wahlkampf wegen der Produktion im Ausland attackiert. Amazon-Gründer Jeff Bezos hatte er vorgeworfen, die von Bezos erworbene Zeitung „Washington Post“ zu benutzen, um die Steuern von Amazon niedrig zu halten. Trump hatte auch versprochen, Importe aus China – unter anderem Produktionsstandort von Apple oder Microsoft – mit einer Strafsteuer zu belegen. Führende Vertreter der Technologiebranche haben sich im Gegenzug gegen die schärfere Immigrationspolitik der Regierung und Trumps Beschönigung rechtsextremer Gewalt Stellung genommen. Trumps Rhetorik hat sich aber noch nicht in regulatorische Änderungen für die Technologiebranche niedergeschlagen, und die Börsianer an der Wall Street sind deswegen weiter optimistisch.
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