It’s All or Nothing for Trump

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Für Trump geht es um alles oder nichts

Die geplante Steuerreform soll dem US-Präsidenten und seiner Partei endlich den ersten großen Sieg bringen. Doch es gibt einen Risikofaktor bei dem Projekt – und der heißt Donald Trump.

Von Roland Nelles, Washington

Der Präsident wird heute einen kleinen Ausflug machen, der sich für ihn lohnen könnte. Wenige Kilometer vom Weißen Haus entfernt trifft sich Donald Trump im Kapitol mit den Senatoren seiner eigenen Partei zum Lunch. Der Besuch bei den Abgeordneten ist als Zeichen des guten Willens gedacht. Trump weiß, dass er unter den Senatoren etliche Gegner hat. Aber er braucht ihre Zustimmung für das wohl wichtigste Projekt seiner Amtszeit – die von ihm versprochene Steuerreform. Da können selbst kleine Freundschaftsgesten wie ein Besuch auf dem “Hill” hilfreich sein.

Für den Präsidenten geht es um alles oder nichts. Trump, der bislang außer der Wahl des Verfassungsrichters Neil Gorsuch noch keinen Erfolg vorzuweisen hat, setzt darauf, dass seine Steuerreform spätestens bis zum Ende des Jahres im Kongress verabschiedet wird. Die Verhandlungen über die Details gehen in diesen Tagen auf die Zielgerade. Sollte die Reform tatsächlich kommen, wäre dies ein großer Sieg für Trump persönlich – aber auch für seine krisengeplagte Partei. Geht die Sache schief, könnte seine Präsidentschaft wohl schon jetzt getrost für gescheitert erklärt werden.

Was Trump plant

Trump denkt groß. Geplant ist nicht weniger als eine radikale Vereinfachung des komplizierten Steuersystems und eine massive Entlastung für Unternehmen und die amerikanische Mittelklasse. Trump zielt vor allem darauf ab, die Steuersätze für Firmen von jetzt 35 Prozent auf mindestens 20 Prozent zu senken. Gleichzeitig soll es für die meisten normalen Steuerzahler höhere Freibeträge und niedrigere Steuersätze geben. Statt sieben, wären da nur noch drei Steuersätze: bei 12, 25 und 35 Prozent. Insgesamt werden die Kosten für die Reform auf mindestens zwei Billionen Dollar in den nächsten zehn Jahren geschätzt, eine geradezu märchenhafte Zahl.

Die Mammutreform soll die vielen Pleiten und Pannen der vergangenen Monate in Vergessenheit geraten lassen. Die Wall Street freut sich bereits auf satte Unternehmensgewinne und treibt den Dow-Jones-Index in immer neue Höhen. Trump selbst lässt keine Gelegenheit aus, das Projekt anzupreisen: Die Steuerreform werde großartig, die radikalste Reform in der Geschichte des Landes, mindestens so toll wie die Steuerreform von Ronald Reagan 1986, verspricht Trump. Sie werde neues Wachstum und neue Jobs schaffen. “Endlich wird in Amerika wieder Optimismus herrschen. Die Sonne geht auf.”

Warum Trump Erfolg haben könnte

Es spricht einiges dafür, dass Trump diesmal punkten kann. In der eigenen Partei gibt es viel Unterstützung für das Projekt. Etliche Abgeordnete im Repräsentantenhaus und im Senat stehen im kommenden Jahr bei den “Midterm Elections” zur Wiederwahl; sie wissen nur zu genau, dass auch ihre Wähler nach der peinlichen Schlappe bei der Abstimmung über Trumps Gesundheitsreform endlich einen Erfolg der Partei erwarten.

Gut für Trump: Die erste wichtige Abstimmung für das Projekt verlief in der vergangenen Woche im Senat erfolgreich. Die Republikaner bekamen genug Stimmen zusammen, um eine Haushaltsregelung zu verabschieden, die es ihnen ermöglicht, die Reform ohne die Mithilfe der Demokraten mit ihrer Mehrheit im Senat zu verabschieden. Bei der Generalprobe stimmten auch republikanische Senatoren mit Ja, die zuletzt gegen Trump gekämpft hatten – John McCain zum Beispiel oder Bob Corker. Im Repräsentantenhaus ist für Donnerstag eine ähnliche Vor-Abstimmung geplant, auch hier stehen Trumps Chancen für eine Mehrheit gut.

Warum Trump scheitern könnte

Gleichwohl kann das Prestige-Projekt in den kommenden Wochen auch noch scheitern. Das größte Risiko heißt dabei wie so oft: Donald Trump. Der Präsident hat häufig genug bewiesen, dass er ein Meister ist, wenn es darum geht, wichtige Parteifreunde, die er eigentlich braucht, durch plötzliche Manöver oder Attacken zu verprellen.

Auch bei der Steuerreform stiftet Trump reichlich Unruhe unter seinen Abgeordneten. Hinter den Kulissen laufen derzeit komplizierte Verhandlungen über die Gegenfinanzierung, Hunderte von Steuervergünstigungen für Unternehmen und Privatleute könnten gestrichen werden. Noch ist relativ unklar, wer am Ende profitiert und wer womöglich Steuerprivilegien verliert. Eigentlich würde man in dieser Lage erwarten, dass der Präsident diesen Prozess möglichst geschickt und geräuschlos begleitet.

Doch Trump denkt gar nicht daran. Er funkt den Steuerexperten seiner Partei immer wieder dazwischen, führt Parallel-Verhandlungen mit einzelnen Abgeordneten oder Lobbygruppen, von denen kaum jemand in seiner Partei etwas weiß. Zugleich gibt er Versprechungen ab, welche Steuervergünstigungen angeblich erhalten bleiben oder gestrichen werden sollen. So erklärte Trump am Wochenende kurzerhand, dass bestimmte private Rücklagen für das Alter weiterhin steuerfrei bleiben sollen – und überraschte damit Freund und Feind. Die Experten im Kongress hatten eigentlich angedacht, diese Privilegien zu kappen.

Wie die US-Republikaner reagieren

Viele Republikaner setzen zwar auf Trumps Steuerpläne, erwarten nun aber auf der anderen Seite knallharte Etatkürzungen, auch im Sozialbereich. Seit Jahren predigen sie haushaltspolitische Strenge, treten für weniger Staatsausgaben ein. Sie warnen vor langfristigen Schäden für die Volkswirtschaft durch steigende Zinsen oder Inflation.

Trumps Querschüsse nerven einige Abgeordnete und bringen so das Projekt in Gefahr. Doch der Präsident schert sich wenig um solche Bedenken. Er will jetzt den Erfolg, und zwar um jeden Preis. Er setzt darauf, dass auch die Kritiker in den eigenen Reihen am Ende für seine Reform stimmen werden – und zwar allein, um der Partei die nächste Pleite zu ersparen.

Trump würde dafür auch eine massive Neuverschuldung in Kauf nehmen. Schulden sieht der gelernte Immobilienspekulant nicht als ernstes Problem – Hauptsache, er steht als Gewinner da.

Wie sagte er noch im Wahlkampf so einprägsam? “Ich bin der Schuldenkönig. Ich liebe Schulden.”

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