WikiLeaks an Trump junior: Tragisch transparent
Die Twitter-Nachrichten von WikiLeaks an Donald Trump junior offenbaren eine traurige Wahrheit über die einst revolutionäre Enthüllungsplattform: Sie ist zum Vehikel der Interessen Julian Assanges verkommen.
WikiLeaks, das war mal eine große Sache, gerade für Journalisten: Eine unerschöpfliche Fundgrube. Hier gab es alles, für jeden. Beweise für die schmutzige Kriegsführung der USA in Afghanistan. Beweise für die schmutzige Kriegsführung der USA im Irak. Und die umfassende, für viele Staatschefs wenig schmeichelhafte Dokumentation von Berichten amerikanischer Botschaften in aller Welt.
WikiLeaks stand für unbedingte Transparenz: Was früher im besten Fall Investigativjournalisten zugespielt und von diesen ausgewertet worden ist, ließ sich hier von jedem interessierten Menschen (mit Internetzugang) höchstpersönlich begutachten. WikiLeaks war das Versprechen einer neuen Art von Bürgerjournalismus. Hier konnte sich jeder und jede ein eigenes Bild machen, unverzerrt von Regierungs- und Medieninteressen.
So muss ein Revolutionär vielleicht sein
Da störte es auch kaum, dass Julian Assange, die Galionsfigur von WikiLeaks, stets einen etwas überdrehten und überheblichen Eindruck machte, über alle Maßen von sich selbst überzeugt. Was soll’s. So muss ein Revolutionär vielleicht sein, um seine übermenschliche Mission zu erfüllen: Die Abschaffung des Geheimnisses. Die Abschaffung des Konzepts Geheimnis.
Die schonungslose Transparenz ohne Rücksicht auf Verluste war es, die Assange früh in Konflikt mit kooperierenden traditionellen Medien brachte: Konnte man wirklich alles veröffentlichen, und dabei Gefahr laufen, damit ernsthafte diplomatische Verwicklungen auszulösen oder gar Menschenleben zu gefährden? Es war stets eine Gratwanderung.
Als dann die Vergewaltigungs- und Belästigungsvorwürfe zweier schwedischer Frauen gegen Assange aufkamen und er wegen des Risikos, später wegen der WikiLeaks-Veröffentlichungen an die USA ausgeliefert zu werden, in die Botschaft Ecuadors in London floh, konnte man sich im Zweifel immer noch auf Assanges Seite stellen: Unschuldig bis zum Beweis des Gegenteils. War er nicht vielleicht doch zum Opfer eines Geheimdienstkomplotts der USA geworden, wie sein Anwalt nach Aufkommen der Vorwürfe andeutete?
Als Opfer der US-Dienste sehen seine Anhänger Julian Assange bis heute. Doch selbst für hartgesottene Fans dürfte er mittlerweile kaum noch zum Leitbild taugen. Ein bedingungsloser Aufklärer im Dienst einer globalen Öffentlichkeit ist er jedenfalls nicht mehr. Schon die seltsam einseitige Veröffentlichungspolitik von WikiLeaks während des US-Präsidentschaftswahlkampfs war befremdlich: Die gehackten Emails des Wahlkampfteams von Hillary Clinton, zugänglich gemacht auf WikiLeaks, hatten einen verheerenden Einfluss auf deren Wahlkampf. Schon damals konnte man den Verdacht haben, hier wolle einer unbedingt verhindern, dass Clinton Präsidentin wird. Und das nicht nur, weil er sie als Protagonistin eines zu bekämpfenden, überkommenen und korrupten Systems betrachtete – sondern auch, weil er sie als persönliche Gegnerin und Drahtzieherin einer Verschwörung gegen seine Person betrachtete.
Die parteiische Kumpelhaftigkeit zerstört Assanges Glaubwürdigkeit
Die nun öffentlich gewordenen Twitter-Botschaften des WikiLeaks-Accounts an Donald Trump junior sind peinlich – ausnahmsweise einmal nicht für Trump, sondern für WikiLeaks und Assange selbst. Die einst revolutionäre Enthüllungsplattform bietet dem republikanischen Kandidaten hier geradezu unterwürfig ihre Dienste an: Trump solle doch selbst seine Steuererklärungen per WikiLeaks veröffentlichen, so könne er anderen zuvorkommen und gleichzeitig mithelfen, die Durchschlagskraft der Anti-Clinton-Leaks noch zu erhöhen – denn WikiLeaks würde glaubwürdiger wirken, wenn es auch Trump-Dokumente im Angebot hätte. Assanges Organisation machte sich noch am Wahltag als Polit-Beraterin der Trump-Kampagne anheischig: Dieser solle, falls er verliere, die Rechtmäßigkeit der Wahl anzweifeln, so würde er seine Anhängerschaft lebendig halten. Und später, Trump ist da schon Präsident, schlägt WikiLeaks seinem Sohn per Twitter-Nachricht vor, er solle Assange als US-Botschafter Australiens ins Spiel bringen. Ein Textvorschlag in Trump-Diktion für eine entsprechende Erklärung wird praktischerweise gleich mitgeliefert.
Nun steht es Julian Assange und seiner Organisation WikiLeaks selbstverständlich frei, den einen oder anderen Kandidaten einer US-Wahl zu bevorzugen. Doch die nun öffentlich gewordene Art und Weise, wie sich WikiLeaks in Trumps Dienste zu stellen versuchte, lässt tief blicken: Die parteiische Kumpelhaftigkeit, mit der WikiLeaks sich an den Kandidaten Trump heranrobbt, zerstört das Bild des nur an Wahrheit und Transparenz interessierten Freiheitskampfes. Der Glaube, Trumps Team bedürfe am Wahltag politischer Beratung aus einer Kammer in der Botschaft Ecuadors in London, zeugt eher von eitlem Größenwahn als von politischem Weitblick. Und das Ansinnen, Assange als möglichen Botschafter ins Gespräch zu bringen, und sei es auch nur, um Aufsehen zu erregen, ist schlicht irrsinnig.
WikiLeaks war einmal das Versprechen auf eine Revolution der Transparenz, Julian Assange galt als Kämpfer für eine offenere, bessere Welt für alle. Das ist lange her. Spätestens die Botschaften an Trump zeigen, dass WikiLeaks selbst zu dem geworden ist, was es einmal bekämpfen wollte: Ein politischer Akteur mit ganz eigener Agenda, der mit geheimen Absprachen die öffentliche Meinung manipulieren möchte, eine Karikatur seiner selbst. Da kann WikiLeaks schon morgen neue Enthüllungen über Kriegsverbrechen und Überwachung präsentieren: Dieser ungute Geruch wird haften bleiben.
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