Geopfert, um zu überleben
Es ist ein Beben in Washington: Der US-Präsident und seine Verbündeten verbannen Stephen Bannon, um Macht zu demonstrieren – und Angst unter den Aufmüpfigen zu verbreiten.
Eine Analyse von Roland Nelles, Washington
Das Buch ist faszinierend, es steckt voller saftiger Anekdoten über Donald Trump, seine Familie und die Mitarbeiter im Weißen Haus. Einer der Hauptinformanten: Stephen Bannon, Rechtsaußen-Publizist, Nationalkonservativer, Chefstratege im Weißen Haus, wieder Medien-Herausgeber – und nun endgültig im politischen Aus. Von Trump geschasst, von den Herausgebern von Breitbart News, seiner publizistischen Populismus-Kanone, fallen gelassen.
“Fire and Fury” ist ein gigantischer Erfolg, weil das Buch von Michael Wolff viele negative Eindrücke und Urteile über Trump, seine Familie und deren Entourage so klar bestätigt, all das befeuert von Bannon. Und natürlich schadet das Buch Trump und seinem selbst geschaffenen Image vom überlegenen Macher auf brutale Weise. So weit, so richtig.
Zur unbequemen Wahrheit gehört aber auch, dass dieses Buch gleichzeitig ein Problem für die Anti-Trump-Bewegung ist. Es vernebelt die Sinne, es lässt das Publikum in dem Glauben, man hätte es im Weißen Haus mit einem halb dementen Clown im Bademantel zu tun, der den lieben langen Tag Fernsehen schaut und von einer Bande von Amateuren umgeben ist. Wer das glaubt, macht genau den Fehler, von dem Trump seit Jahren profitiert: Er unterschätzt ihn, seine Bauernschläue und vor allem seine Durchsetzungskraft.
Trump mag zu Beginn seiner Präsidentschaft tatsächlich politisch ahnungslos gewesen sein, so wie im Buch beschrieben. Doch sicher ist: Er hat inzwischen dazugelernt, er verhält sich durchaus rational, nicht immer stimmen bei ihm die scharfe Rhetorik und das tatsächlich Handeln überein. Und er hat einen gut ausgeprägten Überlebensinstinkt. Nichts belegt das so klar wie der Bruch mit seinem Ex-Berater Stephen Bannon, der nun auch noch als finale Schmach seinen Posten als Chef bei Breitbart News räumen muss.
Trump und die Milliardärsfamilie Mercer als Breitbart-Miteigentümer entledigen sich Bannon in einer konzertierten Aktion. Das Ganze wirkt wie ein großes politisches Drama, in Wahrheit steckt dahinter politisches Kalkül. Bannons “Verrat” im Buch “Fire and Fury” bietet dem Präsidenten die Gelegenheit, um mit einem Racheakt an Bannon ein Exempel zu statuieren. So will er den Rest seiner Gefolgschaft nur noch fester an sich binden und mögliche Nachahmer abschrecken.
Die Botschaft lautet: Wer den Chef in den Schatten stellen will, unerlaubt mit der Presse plaudert oder die Trump-Familie kritisiert, wie es Bannon getan hat, wird gnadenlos abserviert.
Nur ein bisschen Populismus, bitte
Aber da ist noch mehr: Trump hat schon viele Mitarbeiter gefeuert und gedemütigt, nur kaum jemand wurde so brutal vom Hof gejagt wie Bannon. Mit dessen politischer Hinrichtung in aller Öffentlichkeit versucht Trump offenbar, Abstand zwischen sich und die radikale Rechte zu bringen, für die Bannon steht.
Die Serie von Wahlniederlagen, die Trump und die Republikaner Ende des vergangenen Jahres einstecken mussten, hat gezeigt, dass viele Wähler vor allem in den Vororten der Städte zunehmend von allzu hetzerischen und polarisierenden Parolen à la Bannon abgeschreckt werden. Zugleich mobilisiert und elektrisiert dieser Kurs die politische Basis bei den Demokraten. Das alles kann Trump, können die Republikaner jetzt nicht gebrauchen.
Es geht um nicht weniger als die Macht in Washington: Die Granden der Republikaner wollen nicht mit Bannon-Klonen, sondern mit eher moderat konservativen Kandidaten bei den Kongresswahlen im Herbst ihre Mehrheiten im Repräsentantenhaus und im Senat sichern. Für sie steht fest: Populismus ist in Ordnung, aber allzu radikal darf er dann bitte auch nicht sein. Wenn Trump nun auf Abstand zu Bannon und seiner rechten Truppe geht, dann bedeutet das, dass er auf die Linie des Partei-Establishments einschwenkt. Zumindest solange er sich davon einen persönlichen Vorteil erhofft: Ohne die republikanischen Mehrheiten im Kongress wäre seine Macht in Gefahr.
Zu der neuen Linie passt, dass Trump demnächst zum Hochamt der von Bannon so verhassten “Globalisten”, dem Weltwirtschaftsforum in Davos, reisen will. Zugleich versucht Trump, auf die Demokraten zuzugehen, um mit ihnen einen großen “Deal” beim Thema Zuwanderung zu schließen. Wenn der “Deal” zustande kommt, wird er sich als Versöhner feiern lassen. Wenn es keinen gibt, wird er die Demokraten dafür verantwortlich machen und bei seinen Anhängern an der Basis gegen sie pöbeln. So wie es ihm eben gerade opportun erscheint.
Trump ist populistisch, chaotisch, spalterisch und unberechenbar, er wird es mit Sicherheit auch bleiben, weil das genau der Stil ist, der seinen treuesten Fans gefällt. Er ist und bleibt aber eben auch ein kühler Rechner, der selbst alte Weggefährten über die Klinge gehen lässt, wenn es ihm nützt. Das hat ihn dahin gebracht, wo er jetzt sitzt – und das macht ihn so gefährlich. Zumindest Stephen Bannon dürfte das nun verstanden haben.
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