Medien in den USA wittern bereits eine Auseinandersetzung kaum zu überschätzenden Ausmaßes: “Internationale Krisen müssen warten”, schrieb etwa das Magazin The Atlantic. Denn schließlich habe es US-Präsident Donald Trump jetzt mit einem neuen Erzfeind zu tun, der zudem eine noch größere Provokation darstelle als etwa der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un. Grund der Aufregung: Der ehemalige Chefstratege des Präsidenten und Rechtsaußenpopulist, Steve Bannon, hat in einem Buch den Frontalangriff auf Trump und dessen Familie gestartet.
Bannon beschreibt seinen ehemaligen Chef darin als realitätsfremden Präsidenten, der von den eigenen Beratern nicht ernst genommen werde, schlampig mit wichtigen Informationen umgehe und Angst vor dem eigenen Wahlsieg gehabt habe. Das Verhalten des Präsidentensohns Donald Trump Jr., der sich im Sommer 2016 mit einer russischen Anwältin getroffen hatte, nannte Bannon gemäß einem ersten Auszug aus dem Buch Fire and Fury: Inside the Trump White House “verräterisch” und “unpatriotisch”. Seitdem versucht die US-Regierung, Bannons Aussagen als belanglos darzustellen. Trump griff seinen ehemaligen Berater, mit dem er einst im Guten auseinanderging, direkt an: Er habe nicht nur seinen Job im Weißen Haus verloren, sondern auch den Verstand, so der US-Präsident.
Politische Beobachter in der Hauptstadt schreiben, Trump habe mit Bannon ein Monster geschaffen, dessen Gefahr er nicht erkannt habe. Jetzt werde sich zeigen, schrieb etwa die New York Times, wer von beiden die eigene Basis wirklich im Griff hat. Der abrupte und wütende Bruch habe das Potenzial, die Politik im Land weit über die Kongresswahlen im November hinaus zu verändern, schlussfolgerte gar die Washington Post.
Dabei handelt es sich keineswegs um den Schlagabtausch zweier populistischer Titanen, wie er von vielen Beobachtern dargestellt wird. Für Bannon ist es bestenfalls ein letzter Versuch, den Sturz in die Bedeutungslosigkeit aufzuhalten. Denn der vermeintliche Strippenzieher ist längst an den eigenen Zielen gescheitert.
Lange war dem Apokalyptiker, der den Hass auf die Eliten in Washington und die Skepsis gegenüber globalen Verflechtungen zum Kern seiner Agenda erkoren hat, ein erheblicher Anteil am überraschenden Wahlsieg des Außenseiterkandidaten aus New York zugeschrieben worden. Vom politischen Genie war die Rede, das die Stimmung im Land im richtigen Moment erkannt und genutzt habe. Die Website Breitbart, die Bannon mit aufgebaut hat und die dabei half, die frustrierten Wähler zu mobilisieren, wurde zum Sprachrohr der Alt-Right-Bewegung und als ernste Gefahr für Mainstream-Medien stilisiert.
Doch bei genauerer Betrachtung hat Bannon trotz all der Aufmerksamkeit, die ihm Medien und Öffentlichkeit gestattet haben, wenig vorzuweisen. In seinen sechs Monaten als Chefstratege im Weißen Haus war es dem Populisten nicht gelungen, seine Agenda durchzusetzen. Zu Kompromissen war er nicht fähig, stattdessen war das Intermezzo geplagt von Enthüllungen und internen Grabenkämpfen. Der Einreisestopp für Menschen aus muslimischen Ländern wurde zum politischen Desaster, seine Ideen für eine Steuerreform versickerten ungehört, aus dem Nationalen Sicherheitsrat wurde er nach wenigen Wochen wieder entfernt.
Und auch nach seiner plötzlichen Entlassung im August – die auch der großen Aufmerksamkeit geschuldet war, die er in den Medien genoss – war es dem Rechtspopulisten nicht gelungen, die eigenen Ziele voranzutreiben. Bannon hatte dem Establishment der Republikaner großmundig den Krieg erklärt und sich zum Ziel gesetzt, alteingesessene konservative Abgeordnete durch eigene Kandidaten vom äußersten rechten Rand zu ersetzen. Innerhalb der Parteispitze hatte er damit für Unruhe gesorgt, langjährige Senatoren wie Bob Corker entschieden auch wegen der Gefahr durch die Bannon-Revolutionäre, lieber gleich gar nicht mehr anzutreten. Es schien, als werde Bannon erst von außen so richtig gefährlich.
Wieder und wieder aber entpuppten sich Bannons Strohmänner als politisch unverkäuflich und wurden von den Wählern im Land abgestraft: zunächst bei den Gouverneurswahlen in Virginia, die Bannon zum Referendum über den populistischen Kurs stilisiert hatte, dann in Alabama, wo sich Roy Moore in Vorwürfe sexueller Belästigung verstrickte und am Ende ein Demokrat zum ersten Mal seit 25 Jahren die Senatswahl gewann. Der vermeintliche Königsmacher Bannon war spätestens da entzaubert, die Parteispitze hatte ihre Furcht vor dem Möchtegern-Revolutionär verloren.
Die Niederlagen haben auch den Einfluss von Breitbart infrage gestellt. Schon seit Monaten steckt die Plattform in Schwierigkeiten. Im Sommer hatten zahlreiche Anzeigenkunden ihre Aufträge abgezogen, wichtige Geldgeber zogen ab und distanzierten sich öffentlich. Das zwang die Verantwortlichen, den Ton zu mäßigen, umstrittene Inhalte zu löschen und Reporter zu entlassen. Expansionspläne nach Europa liegen auf Eis, die Reichweite in den USA ist eingebrochen: Im Oktober lag die Zahl der monatlichen Leser bei 14,97 Millionen – vor einem Jahr waren es noch 22,96 Millionen.
Auch auf seinen wichtigsten Finanzier kann Bannon nicht mehr zählen. Schon im November hatte sich der Hedgefonds-Manager Robert Mercer, der auch den Trump-Wahlkampf mitfinanzierte, öffentlich von Bannon distanziert und seine Anteile an Breitbart an die Tochter Rebekah Mercer übertragen. Beide hatten in der Vergangenheit Geld für Bannons Buch- und Filmprojekte zur Verfügung gestellt und den Wahlkampf für dessen Wunschkandidaten geschultert.
Jetzt scheint ihnen die Lust zu vergehen. Bannon habe die Mercers mit der Aussage verschreckt, er könne sich auf deren Unterstützung verlassen, solle er sich entschließen, selbst in das Rennen ums Weiße Haus einzusteigen, zitierte die Washington Post am Donnerstag einen Vertrauten des Hedgefonds-Managers. Die Mercers hätten nach den jüngsten Niederlagen derzeit keinerlei Absicht, künftige Projekte von Bannon zu finanzieren, hieß es weiter. In einer Stellungnahme sagte Rebekah Mercer am Donnerstag, Bannons jüngste Handlungen und Aussagen würden nicht unterstützt.
Von dem einstigen Mastermind ist wenig übrig; das Monster, das Trump geschaffen hat, ist zahnlos. Daran ändert auch die neue Aufmerksamkeit nichts. Die Öffentlichkeit, prophezeite der Sender NPR in einem Kommentar, werde sich aus Sensationslust eine Weile mit dem Kleinkrieg zwischen Bannon und Trump beschäftigen – und Bannon bald für immer vergessen.
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