Er ist im Amt gewachsen. Jedenfalls, wenn man dem Bulletin seines Amtsarztes glauben darf. Demzufolge ist Donald Trump 1,90 Meter groß, drei Zentimeter mehr als in seinem Führerschein angegeben. Alle Spekulationen, dass der Immobilienmogul und Reality-TV-Star im Amt reifen würde, haben sich hingegen nach einem Jahr zerschlagen. Man muss nur die vergangenen Tage mit der Selbstbeschreibung als „stabiles Genie“, den Ausfällen gegen „Drecksloch-Staaten“ und der Verleihung eines fiktiven „Lügenpresse-Preises“ Revue passieren lassen, um jede Hoffnung auf eine Besserung zu verlieren. Donald Trump ist ein ignoranter Narzisst. Mit zwielichtigen Deals und Trash-Shows ist der Mann zum Milliardär geworden. Genauso macht er im Oval Office weiter.
Als moralische Instanz oder gar als Führer der westlichen Welt ist Trump ein Totalausfall. Er lügt, er bedient üble Ressentiments, hofiert Autokraten und verfolgt seine privaten Wirtschaftsinteressen. Trump würde jede Politsatire sprengen. Aber er ist der Präsident der USA – und wird das wahrscheinlich noch länger bleiben.
Der Jahrestag der Amtseinführung ist eine gute Gelegenheit, sich zwei unangenehmen Wahrheiten zu stellen. Auch wenn die chaotische Abfolge von Pannen, Intrigen und Affären den Eindruck einer Telenovela vermittelt: Dieser Regierungschef ist real. Er ging aus einer demokratischen Wahl hervor und wird von seinen Anhängern unverdrossen weiter unterstützt. Sie haben für ihn gestimmt, weil sie von der Politik nichts mehr erwarten, und seine Inszenierung bedient ihren aufgestauten Frust.
Daraus folgt die zweite Wahrheit: Die Vorstellung, Trump werde in naher Zukunft aus dem Weißen Haus verjagt, ist verlockend, aber ziemlich unrealistisch. Es fehlt – bislang – an Truppen und an einem Hebel. Natürlich verhält sich der 71-Jährige öfter seltsam. Aber der Nachweis, dass er im Sinne des 25. Zusatzartikels der US-Verfassung unzurechnungsfähig ist und abgesetzt werden muss, dürfte schwer zu führen sein. Dann könnte schon eher ein reguläres Amtsenthebungsverfahren eröffnet werden.
Ein denkbarer Anlass wäre, wenn Sonderermittler Robert Mueller tatsächlich landesverräterische Absprachen von Trump mit russischen Offiziellen oder eine Verwicklung des Schwiegersohns Jared Kushner in Geldwäsche-Geschäfte nachweist. Doch soweit ist es noch nicht. Und selbst dann könnte das Verfahren nur mit Zustimmung der Republikaner eröffnet werden, die bislang ganz überwiegend hinter Trump stehen.
Schicksalsbündnis drohen ernste Risse
Das wird sich solange nicht ändern, wie der Präsident den politischen Erfolg garantiert. Die Zwischenwahlen im November, bei denen das Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu besetzt werden, sind daher das überragende Ereignis in Trumps zweitem Amtsjahr. Größere Gesetze dürfte er kaum noch durchbringen. Das eröffnet theoretisch Spielraum zur Profilierung der Demokraten. Wenn die Oppositionspartei endlich ihre Selbstfixierung überwindet, könnte sie die Mehrheitsverhältnisse im Repräsentantenhaus umdrehen.
Vor ein paar Monaten noch galt ein solches Szenario als utopisch. Nach den überraschenden Wahlerfolgen in Virginia und Alabama aber sehen viele Beobachter eine reale Chance. Sollten die Demokraten das Parlament erobern, dürfte das Schicksalsbündnis der Republikaner mit dem Präsidenten ernste Risse bekommen. Für Trump würde die Gesetzgebung noch schwieriger. Vielleicht verlöre der sprunghafte Selbstdarsteller dann die Lust. Auf jeden Fall dürfte sein Nimbus an der Basis erodieren. Durch eigenen Misserfolg könnte der populistische Blender wirkungsvoll entzaubert werden.
Anders gesagt: Trump muss schrumpfen. Nur so kann Amerika irgendwann wieder groß werden.
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