Die Ankündigung hatte es in sich: Man werde 20.000 Arbeitsplätze in den USA schaffen, meldete der Technologiekonzern Apple – kurz nachdem der amerikanische Kongress eine Steuerreform auf den Weg gebracht hatte, die Unternehmen stark entlasten wird. Vertreter der deutschen Wirtschaft fürchten seitdem, im weltweiten Kampf um Jobs und Geld ins Hintertreffen zu geraten, weshalb sie die Bundesregierung auffordern, ebenfalls die Steuern zu senken. Beim Bundesverband der deutschen Industrie etwa heißt es, Deutschland müsse sich der “verschärften internationalen Konkurrenz” stellen.
Die Frage ist nur: Schafft Apple wirklich neue Jobs, weil Trump die Steuern gesenkt hat?
Klar ist: Das Unternehmen verfügt bislang über Vermögenswerte in Höhe von 252 Milliarden Dollar im Ausland. Es geht dabei um Geld, das die ausländischen Tochtergesellschaften des Konzerns zum Beispiel mit dem Verkauf von Computern und Smartphones verdient haben. Bislang galt: Wenn solche Gelder in die USA transferiert wurden, dann wurde darauf ein Steuersatz von 35 Prozent fällig. Deshalb hat Apple seine Reserven bislang im Ausland gelassen, wenn auch mit wachsender Nervosität, weil die EU kürzlich entschieden hat, dass das Geld dann eben in Europa versteuert werden müsse.
Aus diesem Grund hat der Konzern schnell reagiert, als klar wurde, dass Trumps Steuerreform es den amerikanischen Unternehmen ermöglicht, ihre Auslandsvermögen zu einem reduzierten Steuersatz von 15 Prozent in die USA zu holen. Im Zuge dessen wird Apple nach eigener Schätzung 38 Milliarden Dollar an die US-Steuerbehörden überweisen. Und weil 38 Milliarden ziemlich genau 15 Prozent von 252 Milliarden sind, sieht es so aus, als wolle Apple tatsächlich seine gesamten Auslandsreserven auflösen.
Kein Wunder, dass Donald Trump das als Erfolg verkauft. Seine Steuerreform führe dazu, dass die Unternehmen “massiv Geld in die USA zurückbringen”, twitterte der Präsident. Apples Entscheidung sei “ein großer Gewinn für amerikanische Arbeitnehmer und die USA”.
DIE ZEIT 5/2018
Dieser Artikel stammt aus der ZEIT Nr. 05/2018. Hier können Sie die gesamte Ausgabe lesen.
Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Es fängt schon damit an, dass Apple angeblich Geld “zurückbringt”. Denn dieses Geld war in Wahrheit größtenteils nie weg. Wenn es heißt, dass bei der irischen Tochtergesellschaft des Konzerns Milliarden lagern, dann bedeutet das nicht, dass diese Milliarden auch tatsächlich in Irland liegen. Sie sind investiert, sehr wahrscheinlich überwiegend in US-Aktien und Staatsanleihen, weil es ziemlich schwer ist, eine derart große Summe in anderen Ländern sicher anzulegen. Das Kapital kommt der amerikanischen Volkswirtschaft also bereits zugute. “Die Vorstellung, dass irgendwo eine große Badewanne voll mit Geld herumsteht, ist Unsinn”, sagt Justin Wolfers, Wirtschaftsprofessor von der Universität Michigan.
Wenn Apple nun die neue Regelung ausnutzt, dann folgt daraus zunächst einmal nur, dass die Milliarden bilanztechnisch nicht von Dublin, sondern von Kalifornien aus verwaltet werden. Ob das Unternehmen deshalb auch nur einen Cent für Investitionen in die eigene Firma stecken wird und auf diese Weise neue Arbeitsplätze entstehen, ist eine andere Frage. Theoretisch wäre das möglich: Apple könnte die Aktien und Anleihen verkaufen und mit dem Geld, das nach Abzug der Steuerzahlung übrig bleibt, beispielsweise ein neues Forschungszentrum einrichten.
Ökonomen wie Wolfers sind aber skeptisch, dass das geschehen wird. Apple benötigt das Geld aus dem Ausland nämlich eigentlich überhaupt nicht. Der Konzern verdient genug, um seine Investitionen zu finanzieren. Und wenn die Kasse leer wäre, könnte er sich Geld günstig leihen. Von dieser Möglichkeit hat Apple zuletzt immer wieder Gebrauch gemacht. Mit dem aufgenommenen Krediten wurden aber nicht etwa neue Fabrikhallen errichtet. Es wurde vielmehr an die Eigentümer des Unternehmens ausgeschüttet – zum Beispiel über Dividendenzahlungen. Deshalb ist unklar, ob nun in den USA mehr Arbeitsplätze entstehen, wenn “mehr” Geld da ist.
Genauso unklar ist, was die Steuerreform mit Apples Ankündigung zu tun hat, in den kommenden fünf Jahren 20.000 Stellen in den USA zu schaffen. Apple sagt nämlich nicht, wie viele Jobs entstanden wären, wenn die Steuern nicht gesenkt worden wären. Es ist noch nicht einmal klar, ob bei Apple überhaupt überdurchschnittlich viele neue Arbeitsplätze entstehen. Die Zahl der Konzernmitarbeiter hat in den vergangenen Jahren weltweit im Schnitt um mehr als 10.000 Personen jährlich zugenommen. So gesehen, wäre ein Plus von 20.000 Arbeitsplätzen über einen Zeitraum von fünf Jahren nicht besonders ungewöhnlich.
Mit anderen Worten: Fest steht, dass Apple in den kommenden Jahren neue Jobs schaffen will. Fest steht auch, dass Trump die Steuern gesenkt hat. Ob Apple die Jobs aber schafft, weil Trump die Steuern gesenkt hat, lässt sich auf Basis von öffentlich zugänglichen Informationen nicht ermitteln. Es könnte auch sein, dass das Unternehmen das Geld an seine Aktionäre ausschüttet – oder es wie bisher am Finanzmarkt anlegt.
Interessanterweise stellt Apple einen direkten Zusammenhang zwischen Steuersenkung und Arbeitsplätzen auch nicht explizit her – anders als die meisten Medien, die über die Ankündigung berichtet haben. Immerhin hatte der Konzern die beiden Sachverhalte in einer einzigen Pressemitteilung verhandelt, was auch nachvollziehbar wäre. Schließlich sähe es nicht gut aus, wenn der Eindruck entstünde, das Unternehmen habe eine Steuergutschrift erhalten und die Amerikaner hätten nichts davon. Dem üblichen Steuerrecht nach wären auf die 252 Milliarden Dollar Auslandsvermögen ja 35 Prozent oder 88 Milliarden Dollar fällig gewesen.
Aus deutscher Sicht ist es nicht unwichtig, weshalb die Arbeitsplätze wirklich geschaffen wurden. Denn wenn Firmen wie Apple nun Jobs von Europa in die USA verlagern, dann müsste die Bundesregierung tatsächlich überlegen, wie sie darauf reagiert. Wenn die Konzerne aber nur Geld verschieben, kann man in Berlin vielleicht etwas gelassener bleiben.
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