German Federal Government Tries To Prevent the Worst

<--

Kurz nach ihrem Start versucht sich die Bundesregierung in Reisediplomatie, um im Handelskonflikt mit den USA das Schlimmste zu verhindern. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) eilte zum G 20-Gipfel nach Argentinien zur ersten Begegnung mit seinem US-Kollegen Steven Mnuchin. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) flog über den Atlantik, um in Washington mit jedem in der US-Regierung zu reden, der etwas zu sagen hat und der zum Dialog bereit ist. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) griff am Wochenende zum Telefon, um mit Chinas Präsident Xi Jinping Gemeinsamkeiten auszuloten.

Die bedrohlichen Spannungen in der Weltwirtschaft trafen die Exportnation Deutschland zu einem ungünstigen Zeitpunkt, als die Berliner Politik vor allem mit sich selbst beschäftigt war. Die EU-Kommission, formal ohnehin zuständig für Handelsfragen, brachte sich mit einer forschen Reaktion gegen US-Präsident Donald Trump in Stellung. Das passt Merkel nicht. Nicht nur die Wirtschaftsverbände, auch die deutschen Gewerkschaften drängen darauf, Trump mit Vernunft und Augenmaß statt mit Härte und Muskelspielen zu begegnen.

Vorboten eines Wirtschaftskrieges?

Und so laufen die hektischen Bemühungen, zu retten, was verloren schien. Seit vergangener Woche meinen die Experten in der Bundesregierung, dafür einen neuen Ansatz gefunden zu haben. Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass es in dem Handelskonflikt um etwas ganz anderes geht als ein paar Tonnen europäischen Stahls. Diese Scharmützel könnten nur der Vorbote eines gewaltigen Wirtschaftskrieges sein, indem die USA und China um die technologische Führerschaft im 21. Jahrhundert ringen.

Dabei fordern Alibaba, Tencent und andere Giganten der Volksrepublik Google, Facebook und Apple heraus. Mit dem weltgrößten Markt im Rücken, mit mehr Daten als die kalifornischen Konkurrenten im Speicher, mit staatlicher Unterstützung und einer enormen Innovationskraft und einer großen Ausdauer schicken sich die Chinesen an, das Silicon Valley auf wesentlichen Feldern zu überholen. Um das Jahr 2025 dürften die Chinesen in der künstlichen Intelligenz vorne liegen, warnte der frühere Google-Chef Eric Schmidt.

Erinnerungen an den kalten Krieg

Trump ist zwar nicht als Freund von Google und Facebook bekannt. Dennoch weiß er, dass er ohne sie Amerikas Führungsrolle in der Weltwirtschaft nicht verteidigen kann. Und so untersagte er in der vergangenen Woche eine feindliche Übernahme in einer Schlüsseltechnologie, der Chipbranche. Der asiatische Gigant Broadcom wollte den US-Rivalen Qualcomm schlucken. Broadcom sitzt zwar nicht in China, sondern in Singapur. Dennoch begründeten Trumps Leute ihren Eingriff mit der Sorge um die nationale Sicherheit und der Furcht vor einer Dominanz der Volksrepublik. Ein solcher Chipgigant könnte den Chinesen Vorteile bei der neuen Mobilfunktechnologie 5G verschaffen, hieß es in Washington.

Manches in dieser Auseinandersetzung erinnert an den kalten Krieg. Die Sowjets aber konnten die USA nur im Militärischen und vorübergehend auf Nischenfeldern wie der Raumfahrt provozieren. In den 1980er Jahren löste der Siegeszug der japanischen Auto- und Elektronikkonzerne Ängste vor einem amerikanischen Niedergang aus. Doch kein Land konnte den USA so gefährlich werden wie China. Dieser Rivale bringt bereits ein hohes technologisches Niveau mit und dazu ein Milliardenvolk mit technologiebegeisterten, erfolgs- und bildungshungrigen Menschen sowie den klaren Anspruch, Nummer eins unter den Wirtschaftsmächten zu werden.

Trump steht bei den Wählern im Wort

Bei dieser Schlacht der Riesen könnte Europa als lachender Dritter am Rande stehen. Wer interessiert sich für Stahl, wenn es um die Dominanz im digitalen Zeitalter geht? Ganz so glimpflich dürfte es aber für die EU nicht ausgehen. Erstens würde ein Wirtschafskrieg zwischen der Nummer eins und der Nummer zwei alle treffen. Zweitens steht Trump bei seinen Wählern im Wort. Komplett auf Zölle gegen europäische Stahlhersteller wird er kaum verzichten. Zudem baut sich der nächste transatlantische Konflikt auf. Der neue Bundesfinanzminister Scholz brachte zu seinem ersten G 20-Gipfel die Ankündigung mit, sich für eine wirksamere Besteuerung von Apple, Google und Co. einzusetzen.

Am Mittwoch will die EU-Kommission Vorschläge präsentieren, um mehr als Krümmel von den riesigen Gewinnen dieser Digitalkonzerne für die europäischen Staatskassen abzugreifen. US-Finanzminister Mnuchin machte vor dem ersten Treffen mit Scholz deutlich, dass er dies als Kampfansage begreift. „Einige dieser Unternehmen tragen ganz wesentlich zum Beschäftigungsaufbau in den USA und zum Wachstum bei“, stellte Mnuchin klar.

About this publication