A Visit with Friends

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Ein Besuch bei Freunden

Von Trumps Widerstand gegen die Waffenlobby ist wenig geblieben. Bei einem Auftritt in Dallas demonstriert der US-Präsident den Schulterschluss mit der NRA.

In der Halle in Dallas wirkt es, als habe es die kleinen Missverständnisse zwischen den Waffenfreunden und ihrem Präsidenten nie gegeben. Noch im Februar, nur wenige Tage nachdem ein Amokläufer 17 Menschen an einer Highschool in Florida getötet hatte, erschreckte Donald Trump sie mit einer unerwarteten Geste. “Ihr habt vielleicht Angst vor der NRA, ich aber nicht”, sagte der Präsident während eines Treffens mit Abgeordneten über die mächtige US-Waffenlobby. Unter den besorgten Blicken der anwesenden Republikaner – viele von ihnen mit dem Geld der Gruppe ins Amt gewählt – kündigte Trump ein umfassendes Waffengesetz an, das das Mindestalter heraufsetzen, die Lücken in der Prüfung von Waffenkäufern schließen und das Land sicherer machen sollte.

Davon ist an diesem Tag aber wenig übrig. Etwa 80.000 Mitglieder der Waffenorganisation sind zum Jahrestreffen nach Dallas gereist. Hier bestaunen sie die neuesten Modelle, fügen ihrer oft ohnehin schon üppigen Sammlung ein paar neue Waffen hinzu und demonstrieren vor allem Geschlossenheit in schwierigen Zeiten. Auch der Präsident ist gekommen, sogar seinen Vize hat er mitgebracht. Als Trump auf die Bühne tritt, lässt er sich mit den Chefs der NRA fotografieren. Der Präsident streckt den Daumen in die Höhe.

Die Menschen hier, ruft er während seiner Rede, seien “die wahren Patrioten”. Der Präsident weiß, dass er vor einem wohlgesonnenen Publikum spricht, das seine bisherige Bilanz – mehr Geld für die Verteidigung, der rigorose Kampf gegen illegale Einwanderung und die Berufung konservativer Richter – als Erfolg feiert. Minutenlang zitiert Trump aus Zeitungsartikeln über die Russland-Ermittlungen, die die Legitimität der Untersuchungen infrage stellen. Er kritisiert das Atomabkommen mit dem Iran und macht sich lustig über den früheren Außenminister John Kerry, der nur vom Schreibtisch aufgestanden sei, um bei einem Fahrradrennen in den Graben zu fallen. Es ist ein Auftritt wie zu Wahlkampfzeiten, ein Treffen unter Freunden.

Nirgends seien die Grenzen offener

Nachbesserungen im Waffengesetz? Ein Präsident, der sich der NRA entgegenstellt? Im Gegenteil: Trump ist längst wieder zum Fürsprecher der Waffenlobby geworden. Auch deshalb hält er es offenbar lange nicht für nötig, über das eigentliche Thema zu sprechen. Dann aber erinnert er an den Terroranschlag in Paris, das Paradebeispiel für jene, die nach Argumenten gegen ein Verbot suchen. Hätte auch nur eine einzige Waffe in Richtung der Angreifer gezeigt, “dann wäre die ganze Geschichte ganz anders ausgegangen”, sagt er, wirbt dann für die Aufrüstung der Schulen und warnt vor den Gefahren der illegalen Einwanderung. Nirgends seien die Grenzen offener als in den USA, sagt Trump. Das Land müsse sich verteidigen, und “die Leute in Washington”, sagt er, als sei er nicht auch einer von ihnen, “müssen uns dabei helfen”.

Im Kongress jedenfalls ist, nur wenige Monate nach dem Amoklauf von Florida, fast alles beim Alten. Die wenigen Änderungen beschränken sich auf moderate Nachbesserungen in der Datenbank, die die Waffenkäufer erfasst, auf mehr Gelder für die Aufrüstung von Lehrern und den Plan, einen Aufsatz zu verbieten, der halbautomatische Waffen in Maschinengewehre verwandelt – Maßnahmen, die Mike Pence in seiner Rede als “amerikanische Lösungen” bezeichnet und die selbst die NRA guten Gewissens mittragen kann. Eine vom Präsidenten eingerichtete Kommission, die weitere Ideen ausarbeiten soll, schweigt seit Monaten. Sie diene, sagen Kritiker, vor allem dazu, das Thema in die Hinterzimmer zu verbannen.

Trump und die NRA – eine symbiotische Beziehung

Der Präsident könnte die Erwartungen der anwesenden NRA-Mitglieder erfüllt haben. Zum vierten Mal in Folge spricht Donald Trump auf der Versammlung der Waffenorganisation. Die Loyalität zwischen ihm und der NRA ist groß, es ist eine fast symbiotische Beziehung, die politische Stimmungslagen überdauert. 30 Millionen Dollar hatte die Gruppe in den Wahlkampf von Trump gepumpt und ihre fünf Millionen Mitglieder für die Stimmabgabe mobilisiert. Im Gegenzug versprach Trump, in Washington dafür zu sorgen, dass ihre Rechte auch künftig unangetastet blieben. “Ihr seid für mich da gewesen, und ich werde für euch da sein”, sagte er vor einem Jahr, als frisch gewählter Präsident, während seines Auftritts in Atlanta.

Doch im Land hat sich die Debatte seitdem beschleunigt. Die Frage, wie die USA mit ihren Waffen umgehen, besaß lange nicht mehr so viel politische Schlagkraft wie in diesem Jahr. Massenschießereien wie die in Las Vegas, wo ein Schütze im Oktober von seinem Hotelzimmer aus 58 Menschen tötete, aber vor allem der Amoklauf an der Highschool in Parkland, Florida, und der Aktivismus der Schüler haben in den vergangenen Monaten der Diskussion um schärfere Waffengesetze neue Dringlichkeit verliehen.

Trump braucht die NRA

Etwa zwei Drittel der Wähler unter 30 sprechen sich inzwischen für strengere Gesetze aus. Der Anteil jener, die ein Verbot von Sturmfeuergewehren befürworten, ist seit 2013 – als die NRA sich zum letzten Mal in Dallas traf – von 41 auf 58 Prozent gestiegen. Waffengegner spekulieren angesichts dieser Zahlen darauf, die Forderung nach einem Verbot könne für ihre Seite bei den Wahlen erstmals zu einem ähnlich zentralen Faktor werden wie die Angst der NRA-Mitglieder vor schärferen Kontrollen auf der anderen. Im März waren Hunderttausende im Land auf die Straße gegangen, um für strengere Gesetze zu kämpfen und sich auf die Wahlen im November einzuschwören.

Auch Trump dürfte bewusst sein, dass er die Unterstützung der Waffenbesitzer in diesem Jahr dringender braucht als zuvor, wenn er sich die Mehrheit im Kongress sichern und seine Agenda nicht gefährden will. Auf Veranstaltungen hat der Präsident seine Unterstützer in den vergangenen Wochen immer wieder zum Zusammenhalt aufgerufen und gewarnt, im Falle eines Wahlsiegs der Demokraten seien ihre Rechte in Gefahr. Auch in Dallas mahnt er die Anwesenden: “Die Demokraten lassen die Einwanderer rein und nehmen euch im selben Atemzug die Waffen weg.” Sie dürften jetzt nicht faul werden, sagt er. Es brauche mehr Konservative in Washington, nicht weniger.

Ob der Auftritt reicht? Einen Vorgeschmack auf die neue Mobilisierung der Waffengegner gibt es nämlich auch in Dallas. Demokratische Abgeordnete wollten das Treffen in ihrer Stadt verhindern. Rund um die Veranstaltungshalle kommt es zu Protesten. Es ist besonders eine Regelung, an der sich die Demonstranten aufreiben: Vor den Reden von Mike Pence und Donald Trump müssen die Zuschauer all ihre Waffen abgeben. Nicht nur David Hogg, einer der Überlebenden von Parkland, hat auf die Doppelmoral hingewiesen. “Es ist doch ironisch: Sie meinen, Waffen zu verbieten, um sich selbst zu schützen. Dabei war ihre Philosophie doch stets, dass mehr Waffen auch mehr Sicherheit bedeuten.”

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