Donald Trump Is the Legacy of the Financial Crisis

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Viele Amerikaner leiden bis heute unter den Folgen der Finanzkrise. Donald Trumps ehemaliger Chefstratege Steve Bannon meint: Ohne die Krise wäre der Milliardär heute nicht Präsident.

Im September ist es zehn Jahre her, dass die Bank Lehman Brothers zusammenbrach – der Höhepunkt der Finanzkrise, die Amerika veränderte. Dem Wall-Street-Crash ging die Immobilienkrise voraus – viele Amerikaner, die ihre Hypotheken nicht mehr bedienen konnten, verloren in der Folge ihr Zuhause. Diese Krisen hatten langfristige politische Auswirkungen – viele Fachleute führen die Radikalisierung der Rechten ebenso darauf zurück wie die wachsende Akzeptanz von Ideen, die im amerikanischen Diskurs als ausgesprochen links gelten. Eine stärkere Bankenregulierung, höhere Steuern auf Aktiengewinne und Vermögen sowie ein flächendeckender Mindestlohn – diese Forderungen hört man vor allem von demokratischen Kandidaten. Die Republikaner glauben eher daran, die Wirtschaft mit Steuererleichterungen und dem Abbau von Regulierungen anzukurbeln – und die Trump-Anhänger unter ihnen würden den amerikanischen Markt gern mit hohen Einfuhrzöllen abschotten.

Auch, wenn sich die amerikanische Wirtschaft erholt hat – viele Menschen leiden finanziell bis heute unter den Folgen der Krise. Nicht nur Häuser gingen durch Zwangsversteigerungen verloren. Auch das Altersvorsorge-System basiert zu einem guten Teil auf dem Ansparen privaten Vermögens. Da dies oft über die so genannten „401k“-Pläne läuft, die auch in Aktien investiert sind, verloren viele Menschen einen Teil ihrer Rücklagen fürs Alter. „Amerika hat aufgehört, an den amerikanischen Traum zu glauben“, schrieb der Kolumnist Frank Rich aus Anlass des traurigen Jubiläums. Das Land hatte in den vergangenen Jahren mit einer neuen Drogenkrise zu kämpfen – gleichzeitig stieg die Zahl der Selbstmorde und die Geburtenrate in manchen Bevölkerungsgruppen sank. Für Rich und andere sind das Anzeichen einer durch die ökonomischen Verwerfungen erzeugten tiefgreifenden Perspektivlosigkeit.

„Niemand hat denen eine Grenze gesetzt“

Rechte Populisten entdeckten in den vergangenen Jahren, wie sie die Folgen der Krise für sich nutzen konnten. Zum Teil sind sie sich in der Analyse mit den Linken einig – nur ihre Antworten sind andere. So versprach Donald Trump wieder und wieder, Jobs zurückzuholen, die aufgrund des industriellen Strukturwandels kaum zu retten sein werden – die Kohleförderung ist ein Beispiel dafür. Und auch Ressentiments gegen Einwanderer, die angeblich amerikanische Jobs stehlen, ließen sich bei manchen, die in der Krise ihre Häuser und Rentenersparnisse verloren hatten, schüren. Trump machte bei vielen Arbeitern aber auch Punkte, indem er einst versprach, größere Banken stärker zu regulieren. Sein einstiger Chefstratege Steve Bannonforderte im Wahlkampf, große Geldinstitute zu zerschlagen. Davon ist in Trumps Regierungspolitik nichts übrig geblieben. Im Gegenteil: Von seinen Steuererleichterungen profitieren vor allem Unternehmen und Vermögende – die Bankenregulierung wird teils zurückgefahren.

Bannon, der zur Zeit eine neue rechte Sammlungsbewegung in Europa aufbauen möchte und gleichzeitig weiterhin viel Gehör bei den rechten Trump-Fans findet, blieb unterdessen bei seinen Ideen. Seine ganz eigene Kombination aus der kritischen Analyse der Finanzkrise und dem Nationalismus des „Amerika zuerst“ verbreitet er nun außerhalb des Weißen Hauses. „Das Erbe der Finanzkrise ist Donald J. Trump“, sagte Bannon in einem Interview mit dem „New York Magazine“. Dass die Regierung den Banken mit Milliarden aus der Misere half, der „einfache Mann“ aber viel Geld und nicht selten sein Dach über dem Kopf verlor, habe zu einer massiven Vertrauenskrise geführt. Bannon, der früher bei Goldman Sachs arbeitete, sieht die marktradikale Strömung der amerikanischen Wirtschaftswissenschaft als einen der Urheber der Krise – auch darin ist er sich mit vielen Linken einig. „Als ich 1983 an der Harvard Business School anfing, kam eine Gruppe Professoren auf eine radikale Idee, die grausame Konsequenzen für das Land und die Struktur unserer Gesellschaft hatte: die Maximierung des ‚Shareholder Value‘“, sagte Bannon.

Seither habe der von der realen Wertschöpfung zunehmend abgekoppelte Börsenhandel Unternehmensentscheidungen bestimmt. „Das wurde gepredigt wie Theologie. Die übermäßige Priorisierung des Kapitalmarktes, der Blick auf Menschen als Humankapital, Outsourcing und Globalisierung, all das kam aus den wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten. Niemand hat denen in der Finanzwelt eine Grenze gesetzt.“ Für Bannon verstand die demokratische Partei die Wut und Verzweiflung der Arbeiter über Strukturwandel und Finanzkrise nicht. Donald Trump dagegen habe die Arbeiter verstanden und kämpfe für sie, meint der Populist.

Die Ungleichheit nimmt zu

Auf der linken Seite des politischen Spektrums teilen viele diese Analyse, setzen allerdings andere Akzente und propagieren andere Lösungen. Während sich rechts Rassismus und Abstiegsängste mischen, betonte etwa der Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders, dass besonders afroamerikanische Familien die Leidtragenden der Krise waren und bis heute sind. „Schwarze Familien haben durch den Crash der Wall Street fast die Hälfte ihres Vermögens verloren“, sagte Sanders 2016. Nun müsse man erst recht dafür sorgen, dass die Ärmsten im Land kostengünstige Bildung, höhere Löhne und eine allgemeine Krankenversicherung erhielten. Das Pew Research Center bezifferte den finanziellen Verlust afroamerikanischer Familien in Folge der Finanzkrise 2014 mit 43 Prozent, andere Schätzungen sehen bis zu 60 Prozent Einbußen.

Dementsprechend ging als Folge der Immobilien- und Finanzkrise die Vermögensschere zwischen Weißen und Schwarzen im Land auch wieder weiter auseinander. Laut Zahlen der Federal Reserve Bank, die das „Center for American Progress“ auswertete, hatten schwarze Familien 2007 im Durchschnitt 14 Prozent des Vermögens von weißen Familien – 2016 waren es 10 Prozent. Eine afroamerikanische Familie hatte 2016 laut dem amerikanischen Zensus-Büro durchschnittlich 17.600 Dollar Vermögen – eine weiße Familie komme auf 171.000 Dollar. Die Unterschiede zeigen sich laut einer Recherche des „Center for Investigative Journalism“ unter anderem an den Hauseigentümer-Zahlen. Die seit 2006 steigenden Zinssätze führten dazu, dass viele Kreditnehmer nicht mehr zahlen konnten – gleichzeitig fielen die Häuserpreise. Jahrzehntelang hatten Banken auch Afroamerikanern mit gutem Kredit keine ordentlichen Hypotheken gewährt und sie gezwungen, die Subprime-Hypotheken mit höheren Zinsen zu akzeptieren. Als die Praxis entdeckt wurde, zwang die amerikanische Regierung die Banken zwar, jegliche Diskriminierung zu unterlassen. Doch die Praxis sah anders aus: Im Prozess gegen Wells Fargo 2009 sagten Angestellte aus, dass sie ermutigt worden seien, Afroamerikanern Subprime-Hypotheken zu verkaufen, selbst wenn diese für bessere Hypotheken in Frage kamen. Als der Subprime-Hypothekenmarkt zusammenbrach, verloren Afroamerikaner laut einer Studie der Princeton Universität überproportional häufig ihr Wohneigentum.

„Die Linken sind Feiglinge“

Besonders bitter ist für viele, dass die Banken sich von der Regierung aus der Krise retten ließen und niemand strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wurde – obwohl auf einer Liste des damaligen Justizministeriums 200 Personen standen, die man für potentiell haftbar hielt. Linke wie Bernie Sanders beklagen dies auf nahezu jeder Veranstaltung und ernten dafür Beifall – und Bannon stößt ins selbe Horn: „Die Eliten retteten sich selber. Sie schufen einfach neues Geld“, sagte er dem „New York Magazine“. Donald Trump sei der erste, der dem Establishment den Kampf angesagt habe, meint der frühere „Breitbart“-Chef. „Und das ist erst der Anfang, das ist der Grund, warum der rechtsgerichtete Populismus gewinnen wird, weil die Linken ein Haufen Feiglinge sind.“ Dass es vielen Menschen auf dem Land so schlecht gehe, sei eine Folge der Finanzkrise und der nachfolgenden wirtschaftlichen Veränderungen – die Demokraten hätten das noch nicht verstanden, meint Trumps ehemaliger Chefstratege: „Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen den abwandernden Industrien und der Opioid-Krise. Die Demokraten verstehen das nicht: Bei den Zöllen geht es um mehr als Wirtschaft, es geht um Würde.“

Der rechte Populismus, wie Bannon selbst seine politische Richtung nennt, drehe sich darum, den eigenen Bürgern einen „besseren Deal“ zu geben. Er wolle keine Arbeitsvisa mehr, bis die Amerikaner ihre Jobs wieder hätten, sagte Bannon: „Bevor wir die Jugendarbeitslosigkeit in Städten wie Baltimore, Detroit und St. Louis nicht auf Null und die Leute in gute Jobs kriegen, brauche ich keine Fremden, und ich bin kein Rassist.“ Das kommt bei Anhängern der Rechten gut an – dass die jungen Menschen in diesen Städten dafür oft auch erschwingliche Bildungsperspektiven und andere Hilfen bräuchten, verschweigt Bannon. Und dass dieser „Amerika zuerst“-Nationalismus Hand in Hand geht mit Rassismus und Abschottung, ebenfalls. Viele von Trumps Wählern applaudieren trotzdem, weil der Präsident letztere Komponenten von Bannons Populismus bislang schon bedient.

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