Umgang mit China
Wo Trump recht hat
Darf man den amerikanischen Präsidenten loben? In der Chinapolitik muss man das sogar. Was unser Verhältnis zu China angeht, sind wir gefährlich naiv. Kaum ein Volk denkt so nationalistisch wie das chinesische.
Eine Kolumne von Jan Fleischhauer
27.12.2018
Vielleicht müssen wir Donald Trump eines Tages dankbar sein. Es klingt furchtbar, so etwas zu sagen, ich weiß. Jeder vernünftige Mensch denkt, dass ihm beim Niederschreiben eines solchen Satzes die Hand verdorrt. Was Trump sagt oder tut, ist entweder von hoher Einfalt oder von erschreckender Bösartigkeit.
Ich schreibe das auch nicht, weil ich der Meinung bin, wenigstens ein deutscher Journalist müsse für den amerikanischen Präsidenten Partei ergreifen, und sei es aus Gründen der Sportlichkeit. Es gibt den seltenen Fall, dass sich alle einig sind, weil die Mehrheit recht hat.
Und dennoch: Auch der Idiot kann in einem Punkt richtig liegen, und sei es aus Versehen. Dieser Punkt ist möglicherweise Trumps Chinapolitik.
Aus einem unerfindlichen Grund schauen wir in Deutschland mit großem Wohlwollen nach China. Mein Kollege René Pfister hat anlässlich einer Peking-Reise der Kanzlerin neulich sehr schön beschrieben, wie milde und verständnisvoll die Kanzlerin über den chinesischen Staatspräsidenten spricht, was einigermaßen erstaunlich ist, wenn man bedenkt, wie hart und unnachsichtig sie gleichzeitig über Wladimir Putin urteilt.
Verglichen mit China ist Russland eine freundliche Autokratie. Alle fünf Jahre wird das Parlament gewählt, jedenfalls theoretisch. Es gibt sogar Oppositionsparteien und so etwas wie freien Internetzugang. In China hingegen kann man froh sein, wenn man politisch als so unauffällig gilt, dass sich niemand von oben für einen interessiert. Hier reicht es schon, dass man einer Glaubensbewegung angehört, die ihre Gläubigen zum Gebet anhält, und man verschwindet auf Jahre im Arbeitslager.
Dennoch hört man von deutschen Regierungsvertretern kaum etwas darüber, wie brutal die chinesische Regierung mit Andersdenkenden verfahre. Oder weshalb man besser nicht einer Regierung trauen solle, die die Einhaltung von internationalen Abmachungen für ein Zeichen von Schwäche halte.
Ich gebe zu, ich bin, was die Chinesen angeht, voreingenommen. Ich war vor ein paar Jahren mit dem damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler auf Staatsbesuch in Peking und Shanghai. Am ersten Abend gab es ein Staatsbankett, an dem die gesamte Delegation teilnahm. Normalerweise bemüht man sich bei einer solchen Gelegenheit, mit seinen Tischnachbarn ins Gespräch zu kommen. Man tauscht ein paar Höflichkeiten aus und zeigt sich interessiert, was die Besonderheiten des Landes und seiner Bewohner angeht. Man nennt das Konversation, es ist eine weltweit verbreitete Sitte.
Ich hätte mir die Mühe der Kontaktaufnahme sparen können, wie der Verlauf des Banketts zeigte. Kaum waren die Reden beendet, drehten mir meine Nachbarn den Rücken zu und spielten an ihren Telefonen herum. Dann wurde das Essen aufgetragen, was bedeutete, dass man zusehen musste, dass man auch etwas auf den Teller bekam.
Anschließend widmeten sich meine Gesprächspartner wieder dem Bildschirm ihrer Smartphones. Dass ich dies nicht persönlich zu nehmen hatte, bewies ein Blick zu den anderen Tischen. Interesse für den Nachbarn, und sei es auch nur geheuchelt, scheint nicht zu den Höflichkeitsregeln zu gehören, die man im Reich der Mitte verinnerlicht.
Geschäftsmodell der freundlichen Ignoranz
Nun könnte uns allen herzlich egal sein, wie viele Chinesen sich zur Welt verhalten, wenn sich China nicht anschicken würde, zur dominierenden Weltmacht aufzusteigen. Die einzige Großmacht, die derzeit noch in der Lage ist, es mit den Chinesen aufzunehmen, sind die USA. Die chinesische Regierung ist ein Meister darin, unverbindlich zu nicken, wenn man sie darauf hinweist, dass sie gemeinsam vereinbarte Regeln missachtet – um dann genau da fortzufahren, wo man sie unterbrochen hat.
Die amerikanische Chinapolitik bestand in den vergangenen 20 Jahren im Wesentlichen darin, höflich daran zu erinnern, dass Urheberrechte und Handelsabkommen nichts sind, was nur dann gilt, wenn es einem passt. Trump ist der erste Präsident, der das chinesische Geschäftsmodell der freundlichen Ignoranz westlicher Wünsche nicht länger akzeptiert und damit den Aufstieg Chinas zur unumstrittenen Supermacht wenn nicht stoppt, dann doch verlangsamt.
Ich glaube, wir sind, was China und seine Interessen angeht, naiv. Wir können uns in Deutschland nicht vorstellen, dass eine Volkswirtschaft alles den nationalen Interessen unterordnet, weil wir vor Jahren aufgehört haben, in nationalen Kategorien zu denken. Wenn bei uns jemand sagt, dass Deutschland gut daran täte, sich auf seine Interessen zu besinnen, heißt es, er versündige sich an der europäischen Idee.
Ungehörte Warnungen
Selbst bei Unternehmen, die für Deutschland enormen strategischen Wert haben, geben wir bedenkenlos die Kontrolle außer Hand. Vor zwei Jahren stand der Verkauf des Roboterherstellers Kuka an die chinesische Midea Group zur Diskussion. Robotertechnik ist eine Schlüsseltechnik, die mit dem Siegeszug der künstlichen Intelligenz noch an Bedeutung gewinnen wird.
Es gab ernst zu nehmende Stimmen, die davor warnten, dem Verkauf zuzustimmen. Aber die Warnungen verhallten ungehört im damals noch von Sigmar Gabriel geleiteten Wirtschaftsministerium. Das Letzte, was man von Kuka hörte, war, dass der langjährige Vorstandschef ausgetauscht wurde.
Aus irgendeinem Grund nehmen wir den Chinesen nichts übel. Ich vermute, es hängt mit der asiatischen Art zusammen. Asien gilt bei uns als Heimat tiefer Weisheit und buddhistischer Einkehr. Oft erkennt man erst dann seine Fehler, wenn es zu spät ist.
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