Der Drogenboss Joaquín Guzmán wird wohl den Rest seiner Tage im Gefängnis verbringen. Aber was ändert das am Erfolg der Kartelle?
Er ist der schillerndste Mafiaboss der Gegenwart, und Millionen Zuschauer der Netflix-Serie „El Chapo“ kennen vermeintlich jede Wendung in seinem Leben. Jetzt hat ein New Yorker Gericht das letzte Kapitel in der Geschichte von Joaquín „El Chapo“ Guzmán geschrieben: Ganz real wurde der mexikanische Drogenboss zu lebenslanger Haft verurteilt.
Die US-Regierung feiert den Richterspruch wie einen Sieg über das Böse. Tatsächlich ist das Urteil zumindest ein Signal: Nicht jede Regierung ist käuflich, nicht jedes Gericht lässt sich von Todesschwadronen einschüchtern. Und dennoch: Im Kampf gegen den Drogenhandel ist durch das Urteil nichts gewonnen. Die letzte Folge von „El Chapo“ hat nur eine symbolische Bedeutung.
Der Drogenhandel ist das einträglichste Geschäft der Welt. Joaquín Guzmán soll jährlich 20 Milliarden US-Dollar Umsatz gemacht haben, bis zu 150 000 Menschen standen weltweit auf seiner Gehaltsliste. In seinem Heimatland Mexiko waren es viele aus der Regierung – manche sagen, mindestens die Hälfte der Entscheidungsträger hätten Geld von dem Drogenkartell genommen.
Die US-Administration hat alles getan, um „El Chapo“ hinter Schloss und Riegel zu bringen. Selbst legendäre US-Drogenfahnder aber geben offen zu: Drogenbosse wie „El Chapo“ gibt es nur, weil der Markt für Kokain unersättlich ist – nicht etwa in den „Problemländern“ in Lateinamerika, sondern in den USA.
Die Nachfrage will bedient werden. Der Wert der Drogen steigt mit jedem Kilometer, den man näher an die US-Grenze kommt. Und jeder Kilometer ist blutig umkämpft. Bei den Summen, die allein mit dem Transport von Drogen verdient werden, ist ein Menschenleben nichts wert. Auf dem Weg von Kolumbien oder Peru nach Norden hat das Geschäft mit dem Drogentransport ganze Staaten beschädigt, wenn nicht nahezu zerstört.
In Ländern wie Guatemala, El Salvador, Honduras und Mexiko sterben jährlich mehr Menschen im Krieg der Kokainkartelle als in allen politischen Kriegen weltweit. Allein in Mexiko fielen im vergangenen Jahr knapp 21 000 Menschen der Gewalt der Kartelle zum Opfer – mehr, als in Syrien ums Leben kamen.
Die politischen Folgen dieses Krieges gegen viele Menschen sieht man gerade an der US-Grenze. Vor den provisorischen Sperrzäunen lagern zu Tausenden die Flüchtlinge aus den Ländern, die auf dem langen Weg der Drogen in die US-Metropolen auf der Strecke geblieben sind.
Donald Trumps Mauer wird Flüchtlinge aufhalten können, nicht aber die Drogen. Das Kokain kommt tonnenweise in Lastwagen über die mexikanische Grenze oder wird in unbemannten U-Booten ans Ziel gebracht. Die USA und die internationale Gemeinschaft haben bisher wenig getan, um die Länder entlang der Drogenstrecke zu stabilisieren. Im Gegenteil: Trump schickt gerade Menschen nach El Salvador zurück, die zum Teil schon seit Jahrzehnten in den USA gelebt haben.
Die Drogenpolitik soll heute immer noch so funktionieren wie in den Zeiten von Ronald Reagan: Die USA jagen die Bosse in den lateinamerikanischen Nachbarstaaten, lassen sie zur Strecke bringen oder bringen sie selbst hinter Gitter. Anders als bei Netflix aber dreht sich in der realen Drogenwelt längst nicht mehr alles allein um die Bosse. Dem mexikanischen Sinaloa-Kartell hat die Verhaftung ihres Chefs „El Chapo“ nicht geschadet. Es hält noch immer den größten Anteil am Geschäft in den Vereinigten Staaten. Die Nachfolger von Joaquín Guzmán sind vielleicht weniger schillernd, aber nicht weniger skrupellos und erfolgreich.
Experten sprechen von einer „Fragmentierung“ der Strukturen. Aber während die großen Bosse für das Geschäft immer unwichtiger werden, hat ihre Heroisierung nicht nur im TV-Geschäft begonnen. Dank „Narcos“ sind die Wirkungsstätten des kolumbianischen Drogenbarons Pablo Escobar in seiner Heimatstadt Medellín zu Kultorten geworden. Touristen aus aller Welt legen am Grab von Escobar Blumen nieder – für einen Mann, der Tausende von Menschen auf dem Gewissen hat.
Escobar wurde im Dezember 1993 von Spezialeinheiten mit Hilfe von US-Kräften erschossen, und Medellín gilt inzwischen nicht nur in Lateinamerika als hip. An den Verhältnissen aber hat sich durch den Tod von Escobar wenig geändert. Kolumbien produziert aktuell so viel Kokain wie nie zuvor.
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