The Bomb Drops Right from the Start

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Der Vorsitzende des Kontrollausschusses wusste, was ihm am Mittwoch bevorstehen würde. Sekunden nachdem Elijah Cummings die Sitzung eröffnet, stellen die Republikaner den Antrag, die Anhörung zu verschieben. Darin sollte Michael Cohen, der langjährige Anwalt Trumps, eine frühere Aussage gegen den Präsidenten korrigieren. Das Eröffnungsstatement war zuvor an die Öffentlichkeit durchgestochen worden, was die Republikaner als Beleg für eine Missachtung des Kongresses durch den Geladenen betrachtet. Aufregung im Saal. Es kommt zur Abstimmung. Die Demokraten lehnen das Ansinnen der Gegenseite ab. Sie haben jetzt die Mehrheit. Endlich kann die Russland-Affäre, die bislang ausschließlich in den Händen von Sonderermittler Robert Mueller lag, auf die parlamentarische Bühne gehoben werden.

Cohen und seine Rechtsberater haben einen Sinn für Dramaturgie. Eine Bombe lässt der Geladene gleich zu Beginn seiner Aussage platzen. Gerade hat er mit einem Dreiklang eine Art Gliederung seiner folgenden Aussage über Trump vorgetragen: „Er ist ein Rassist. Er ist ein Hochstapler. Er ist ein Betrüger.“ Dann folgt gleichsam ein Vorspann, der dem Publikum den Mund wässrig machen soll: Der Präsidentschaftskandidat habe gewusst, dass Roger Stone, sein langjähriger Vertrauter, mit Julian Assange, dem Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, über die bevorstehende Veröffentlichung von E-Mails der Demokraten gesprochen habe – E-Mails, die nach Erkenntnissen der amerikanischen Nachrichtendienste von russischen Stellen gehackt wurden. Er werde das gleich ausführen, trägt Cohen vor, als wolle er eine kurze Werbepause ankündigen.

Die Aussage ist ein Medienereignis. Bars in Washington haben eigens früher geöffnet, um Leuten, die im Regierungsviertel arbeiten, die Möglichkeit zu geben, ihre Büros für einige Zeit zu verlassen und das TV-Event bei Bier und Snacks zu verfolgen.

Die Aussage zur Wikileaks-Affäre belastet den Präsidenten schwer. Sie hat inzwischen zur Anklage von Stone geführt, der im Wahlkampf 2016 zeitweilig als Berater für Trump arbeitete. Trump hat mehrfach öffentlich erklärt, nichts von den Kontakten zwischen Assange und Stone gewusst zu haben – Kontakten, die mittelbar eine Zusammenarbeit mit russischen Stellen darstellen. Bislang hieß es stets, Stone habe ein ranghohes Mitglied aus dem Umfeld Trumps informiert. Der Name Steve Bannon war in diesem Zusammenhang bislang immer wieder genannt worden, jener Mann, der im August 2016 Paul Manafort als Wahlkampfleiter abgelöst hatte.

Nun sagt Cohen: Im Juli des Jahres, wenige Tage vor dem Parteitag der Demokraten, auf dem Hillary Clinton formell zur Präsidentschaftskandidatim gekürt wurde, sei er in Trumps Büro gewesen. Da habe seine Sekretärin gesagt, Stone sei am Telefon. Dieser habe Trump, der den Anruf auf Lautsprecher gestellt habe, mitgeteilt, er habe soeben mit Assange gesprochen. Der habe ihm gesagt, es werde in den Tagen eine „riesige Ladung“ an E-Mails aus dem Clinton-Team geben. Trump habe erwidert: „Wäre das nicht großartig?“

Das ist nicht die „smoking gun“, die Trump der Konspiration mit Moskau überführt. Doch für die Demokraten ist es zumindest der Beweis dafür, dass der Präsident Trump „unehrlich“ war, wie der Abgeordnete Adam Schiff vorsichtig äußerte. Die Stimme des Kontrollausschussvorsitzenden Cummings bebte hingegen, als er auf Cohens Vorwurf verwies.

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Die Aussage des Geladenen ist so verfasst, dass sie rechtlichen Standards entspricht und doch publikumsgerecht dargeboten werden kann. Seit dem Sommer vergangenen Jahres verfügt der Geladene über einen Rechtsbeistand, der beides beherrscht: Lanny J. Davis. Er ist ein bekannter Anwalt und PR-Berater in Washington. Vor allem ist er der frühere Rechtsberater Bill Clintons, als dieser im Weißen Haus saß. Das freilich macht ihn für die Republikaner zum Protagonisten einer ganz anderen Verschwörung. Jim Jordan, das ranghöchste Mitglied der Partei im Ausschuss, zeigt gleichsam mit dem Finger auf den Mann, der hinter Cohen sitzt. Davis, der Mann aus den Tiefen des Clinton-Systems, habe Cohen überzeugt, diese öffentliche Aussage zu machen, um Präsident Trump aus dem Amt zu entfernen.

Davis selbst weiß, dass sein Mandant ein Glaubwürdigkeitsproblem hat, weil dieser in seiner ersten Aussage vor dem Kongress die Abgeordneten belogen hat. Er tat das, bevor er sich entschied, mit Mueller zu kooperieren und mithin mit Trump zu brechen. Im Mai muss Cohen seine Gefängnisstrafe antreten. Er spricht sein Glaubwürdigkeitsproblem offen an und sagt, er lege Dokumente vor, um deutlich zu machen, dass seine Erklärung unanfechtbar sei. Darunter befindet sich etwa ein von Trump unterschriebener Scheck, mit dem dieser nach Amtsantritt seinem Anwalt und Mittelsmann das Schweigegeld zurückzahlt, das Cohen im Wahlkampf einer Pornodarstellerin hatte zukommen lassen. So wurde dafür gesorgt, dass eine kurze Affäre zwischen Trump und der Frau nicht den Wahlkampf belastete. Auch einer zweiten Frau war Schweigegeld gezahlt worden.

„Wie läuft es in Russland?“

Trump hat öffentlich geleugnet, von derlei Zahlungen gewusst zu haben, obwohl es Gesprächsmitschnitte gibt. Der Vorsitzende des Ausschusses Cummings vergisst nicht, das zu erwähnen. Die Eskapaden Trumps haben zwar nichts mit der Russland-Affäre zu tun, die im Zentrum der Untersuchung Muellers steht. Aber sie eignen sich, Trumps Integrität weiter in Zweifel zu ziehen und zu offenbaren, mit welch mafiösen Methoden er arbeitet.

Cohen macht noch etwas anderes, um seine Glaubwürdigkeit zu untermauern. Er verbeugt sich vor dem Kongress. Er bitte um Entschuldigung für seine frühere Falschaussage vor den Abgeordneten und „vor der Nation“. „Ich habe gelogen, aber ich bin kein Lügner“, sagt er sichtlich ergriffen. Er schäme sich für seine Schwächen und seine falsch verstandene Loyalität Trump gegenüber. Er bereue den Tag vor zwölf Jahren, als er das Jobangebot des Immobilienmoguls angenommen habe. Der Mann habe ihn „hypnotisiert“, sagt er.

Konkret habe er den Kongress belogen, als er seinerzeit ausgesagt habe, dass die Verhandlungen Trumps über ein Wolkenkratzerprojekt in Moskau im Januar 2016 beendet gewesen seien – also vor Beginn der Vorwahlen der Republikaner.

Tatsächlich haben sie nach Aussagen Cohens noch monatelang angedauert. Trump hatte im Wahlkampf und seither immer wieder behauptet, er habe keine Geschäftsinteressen in Russland. Doch hatten Mitarbeiter Trumps sogar Kontakt zum Kreml aufgenommen, um das potentielle Geschäft zu beschleunigen. Und Wladimir Putin ein Loft in dem Wolkenkratzer anzubieten – als Marketingaktion. Cohen hebt hervor, dass Trump ihn „nicht direkt“ angewiesen habe, vor dem Kongress zu lügen. „So arbeitet er nicht.“

Trump habe ihm zu der Zeit, als er noch in Verhandlungen mit Russland gestanden habe, in die Augen geschaut und gesagt, es gebe kein Russland-Geschäft. Dann sei er, Trump, selbst an die Öffentlichkeit gegangen und habe genau das gesagt. Auf diese Weise habe er ihm, seinem Anwalt, zu verstehen gegeben, wie er selbst mit der Sache umzugehen habe. Dabei habe Trump ihn ein halbes Dutzend Mal zwischen der Vorwahl in Iowa im Februar und Ende Juni 2016 gefragt: „Wie läuft es in Russland?“

In jener Zeit kündigte der Präsidentschaftskandidat an, es werde im Falle seines Wahlsiegs „großartige Beziehungen“ zwischen Washington und Moskau geben. Und er sagte über die russische Intervention in der Ukraine: Die Menschen auf der Krim wollten zu Russland gehören. Cohen sagt nun vor dem Kongressausschuss, Trump habe nicht damit gerechnet, die Vorwahlen der Republikaner zu gewinnen – und schon gar nicht, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden. Ihm sei es darum gegangen, die Marke „Trump“ weiter nach vorne zu bringen. Die Kampagne habe er mehrfach als größtes „Infomercial“ in der politischen Geschichte bezeichnet. Politische Kommunikation als Markenwerbung – die Idee des Mannes, dessen Geschäftsidee sich um den Verkauf seines Namens dreht.

„Weiß deine Frau von deinen Freundinnen?“

Trump verfolgte das Spektakel im Kongress von Vietnam aus, wo er Weltpolitik machen wollte. Vor seinem Wiedersehen mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un in Hanoi verbreitete er auf Twitter, was er schon zig-mal zu seiner Verteidigung gesagt hatte: Cohen sei nur einer von vielen seiner Rechtsberater gewesen. Er habe inzwischen seine Anwaltszulassung verloren und verbreite Lügen über ihn, um seine Haftstrafe zu verkürzen.

Immerhin verzichtete er diesmal auf Zeugeneinschüchterung. Auch zu diesem Mittel hatte er früher schon gegriffen, als er düstere Andeutungen über Cohens Schwiegervater machte. Diesmal überließ er es Matt Gaetz, einem Abgeordneten aus Florida, sich die Hände schmutzig zu machen: „Hey“, schrieb der Trump-Jünger an Cohen gerichtet auf Twitter, „wissen eigentlich deine Frau und dein Schwiegervater von deinen Freundinnen?“ Vielleicht sei es jetzt ein guter Zeitpunkt für eine solche Unterhaltung. „Ich frage mich, ob sie dir treu bleibt, wenn du im Gefängnis sitzt. Sie wird sehr viel erfahren.

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