Trump’s Double Standard for Islamic State Returnees

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Bei IS-Rückkehrern misst Trump mit zweierlei Maß

Donald Trump droht den Europäern damit, Terroristen freizulassen, wenn diese nicht in ihre Heimatländer zurückkehren dürfen. Gleichzeitig verweigert er einer amerikanischen IS-Anhängerin die Einreise.

Tausende Männer und Frauen aus dem Ausland schlossen sich in den vergangenen Jahren dem „Islamischen Staat“ (IS) an. Nicht nur in Europa steht man nun vor der Frage, ob die Terroristen wieder in ihre Heimatländer zurückkehren und dort vor Gericht gestellt werden sollen – und wie das funktionieren kann. In den Vereinigten Staaten macht zur Zeit der Fall von Hoda Muthana Schlagzeilen, einer der „IS-Bräute“, wie sie von vielen Medien bezeichnet wird.

Muthana bat die amerikanischen Behörden um Aufnahme, nachdem sie von kurdischen Truppen festgesetzt worden war. Die Mutter eines 18 Monate alten Sohnes wurde 1994 in Hackensack in New Jersey geboren. Zuletzt lebte sie in Birmingham in Alabama, 2014 flog sie nach Syrien und schloss sich von dort aus dem „Islamischen Staat“ in Syrien an. In Raqqa heiratete sie nacheinander IS-Mitglieder aus Australien, Tunesien und Syrien, zwei davon wurden bei Kämpfen getötet.

Im Jahr 2015 soll Muthana den Terror des „Islamischen Staates“ aktiv unterstützt haben, indem sie über ihren Twitter-Account zu Gewalttaten im Ausland aufrief. „Amerikaner, wacht auf!“, hieß es da unter anderem. „Macht Drive-by-Shootings, vergießt all ihr Blut, oder mietet einen großen Lastwagen und überfahrt sie alle.“

Außenminister Mike Pompeo sagte am Mittwoch, dass die 24 Jahr alte Frau keine amerikanische Bürgerin sei und deswegen nicht das Recht habe, ins Land zurückzukehren: „Sie hat dafür keine rechtliche Grundlage, keinen gültigen amerikanischen Pass, kein Recht auf einen Pass und auch kein Visum, um in die Vereinigten Staaten zu reisen.“ Kurz danach twitterte Präsident Donald Trump: „Ich habe Außenminister Mike Pompeo angewiesen, Hoda Muthana nicht mehr ins Land zu lassen. Er teilt meine Meinung.“

Muthanas Familie kommt aus dem Jemen, ihr Vater war Diplomat. Tatsächlich gilt das amerikanische Staatsangehörigkeitsrecht qua Geburt nicht automatisch auch für Diplomatenkinder, weil sie nicht unter das Recht des Landes fallen. Allerdings sagte Muthanas Anwalt, dass ihr Vater einige Wochen vor ihrer Geburt aus dem diplomatischen Dienst ausgeschieden sei. Das würde sie zu einer regulären Bürgerin der Vereinigten Staaten machen. Vor ihrer Abreise nach Syrien soll sie noch einen neuen Reisepass beantragt haben.

Zur Zeit ist Muthana in einem syrischen Flüchtlingslager interniert und sprach mit mehreren ausländischen Medien. Inzwischen bereut sie angeblich, sich dem IS angeschlossen zu haben. In einem Interview mit dem britischen „Guardian“ sagte Muthana, sie habe „gehungert und Gras gegessen“. Auf die Frage, was sie den amerikanischen Behörden gern sagen würde, antwortete sie: „Ich würde sie bitten, mir zu verzeihen, dass ich so ignorant war. Ich war sehr jung und unwissend, ich war 19 als ich entschied, das Land zu verlassen.“

Muthana sagte auch, sie sei Opfer einer „Gehirnwäsche“ geworden und wisse heute, dass sie einen großen Fehler gemacht habe. Durch ihre strenge Erziehung habe sie sich dem Islam immer stärker zugewandt und zeitweise alles geglaubt, was sie gelesen habe. Hassan Shibly vom Council on American-Islamic Relations in Florida, der die Familie vertritt, wollte Verständnis für Muthana wecken: „Am Ende war Hoda eine leicht zu beeindruckende, naive, verletzbare junge Frau, die Opfer von Gehirnwäsche und Manipulation wurde“, sagte er in einem Interview.

Die IS-Terroristen gingen ähnlich vor wie Menschen, die Kinder vergewaltigten oder für Gangs rekrutierten, sagte Shibly. Muthana wolle nun für ihre Taten büßen und bitte darum, vor ein amerikanisches Gericht gestellt zu werden.

Wiederaufnahme „in Handschellen“

Seamus Hughes, der an der George Washington Universität den Terror des IS erforscht, sagte, es gebe angesichts der Verbrechen des „Islamischen Staates“ „Tausende legitime Gründe“, die Motive und Rechtfertigungen von Muthana und anderen anzuzweifeln. Es sei falsch, die Frauen auf „IS-Bräute“ zu reduzieren und ihren Anteil an den Verbrechen nicht zu erkennen, sagte Hughes. Die Vereinigten Staaten hätten dennoch die Pflicht, sie wieder aufzunehmen, allerdings „in Handschellen“.

Dass Donald Trump sich nun weigert, Muthana aufzunehmen, kommt bei vielen seiner Unterstützer gut an. „Washington Times“-Kommentatorin Tammy Bruce etwa schrieb, Muthana habe ihr Recht verwirkt, wieder nach Amerika einzureisen. Stattdessen solle man sie vor ein internationales Gericht stellen. Die Trump-Regierung stellte die Legitimität des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag allerdings schon mehrfach in Frage. Und Trumps Kritiker sehen sein Verhalten vor dem Hintergrund dessen jüngster Forderungen an die Europäer als besonders eigennützig und widersprüchlich an.

Identitätsnachweis oft schwierig

Schließlich hatte Trump damit gedroht, 800 IS-Terroristen frei zu lassen, wenn europäische Länder sie nicht aufnehmen und ihnen den Prozess machen würden. Wie so oft hatte der Präsident seine Drohung am vergangenen Wochenende via Twitter verbreitet. Unter den zur Münchner Sicherheitskonferenz versammelten europäischen Politikern sorgte das für Unmut.

Trump schrieb: „Die Vereinigten Staaten fordern Großbritannien, Frankreich, Deutschland und andere europäische Verbündete auf, über 800 ISIS-Kämpfer zurück zu nehmen, die wir in Syrien gefangen genommen haben, und sie vor Gericht zu stellen. Das Kalifat steht kurz vor dem Zusammenbruch. Die Alternative wäre nicht gut, denn wir wären gezwungen, sie frei zu lassen.“ Es gab keine entsprechenden Absprachen mit den Europäern.

Die Schwierigkeit für Deutschland und andere Länder besteht unter anderem darin, dass es mit Syrien keine Rückführungsabkommen gibt und dass der Identitätsnachweis in sehr vielen Fällen schwierig bis unmöglich sein dürfte. Es sei auf keinen Fall so einfach, wie man sich das in Amerika vorstelle, sagte Außenminister Heiko Maas am Montag in Brüssel.

Hoda Muthana ist nicht die einzige IS-Anhängerin, die in die Vereinigten Staaten zurückkehren will. Laut Schätzungen versuchten um die 300 Amerikanerinnen und Amerikaner, sich dem IS anzuschließen. Die George Washington Universität konnte 64 Personen identifizieren, von denen es den meisten gelang, nach Syrien oder in den Irak zu reisen. Die meisten der 5000 bis 6000 ausländischen IS-Anhänger waren Europäer. Fast alle amerikanischen Männer sollen laut der „New York Times“ ihren Pass zurückerhalten haben, nachdem sie gefangen genommen wurden. Warum das bei mindestens 13 Frauen und Kindern anders sei, sei unklar, so die Zeitung.

Eine von ihnen ist Kimberly Gwen Polman, die ebenfalls in einem syrischen Flüchtlingslager interniert ist. Sie ist 46 Jahre alt, studierte Verwaltungswissenschaft und besitzt einen Doppelpass: Sie ist Bürgerin der Vereinigten Staaten und Kanadas. „Ich habe keine Worte für die Reue, die ich empfinde“, sagte Polman der „New York Times“. Wie Muthana habe auch sie keinen Kontakt zu den amerikanischen Behörden. Das FBI kommentierte die Berichte nicht, erklärte aber, dass alle Amerikaner, die sich dem IS angeschlossen hätten, strafrechtlich verfolgt werden sollten.

Die Diskussion um die amerikanischen IS-Anhänger könnte für Trump unterdessen auch noch eine andere Funktion haben, als die Demonstration von Härte im Kampf gegen den Terrorismus. Trump machte schon mehrfach deutlich, dass er das Staatsangehörigkeitsrecht gern verändern würde. Bislang ist Amerikaner, wer im Land geboren ist. Zwar sind Juristen und Politiker aller politischen Lager dagegen, der Präsident schlug aber in einem Interview mit dem Magazin „Axios“ im vergangenen Oktober vor, Kindern von Einwanderern ohne Papiere die Staatsbürgerschaft zu entziehen.

Trump würde das gern per Exekutiv-Anordnung tun, ließ sich aber bislang von seinen Beratern und von seiner Partei davon abhalten. Bisher kann die Staatsangehörigkeit nur bei erwiesenem Hochverrat entzogen werden; das passiert zudem in der Regel, wenn sie zuvor durch Naturalisierung, also nicht per Geburt, erworben wurde. Die Fälle von IS-Terroristen mit amerikanischer Staatsangehörigkeit könnte Trump nutzen, um die Diskussion wieder aufzunehmen.

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