Was macht ein Anti-Establishment-Kandidat, wenn er Präsident wird und wiedergewählt werden will? Donald Trump hat darauf eine Antwort gefunden. Als er in Mar-a-Lago auf den Befund des Abschlussberichts von Sonderermittler Robert Mueller wartete, versammelte er eine größere Runde zu einem Abendessen der Republikaner in Palm Beach um sich. Mit dabei: Lindsey Graham, sein inzwischen wichtigster Verbündeter im Kongress.
Der Senator hielt eine Rede, in der er die Anhänger aufstachelte. Als er eine Untersuchung über Verbindungen zwischen Hillary Clinton und dem sogenannten Steele-Dossier forderte – eine Akte eines ehemaligen britischen Geheimagenten mit unbewiesenen Informationen darüber, dass Moskau im Besitz kompromittierenden Materials über Trump sei – ertönten „Lock her up“-Rufe im Saal. „Sperrt sie ein“ – eine Parole aus dem Wahlkampf 2016.
Als feststand, dass Mueller zu dem Ergebnis gekommen war, es habe keine Verschwörung mit Russland gegeben, und Justizminister William Barr zudem urteilte, auch Justizbehinderung habe nicht stattgefunden, überlegte Trump nicht lange. Er hätte die Option gehabt, nun seine Präsidentschaft neu zu beginnen. Er hätte auf die immer noch recht gute Wirtschaftslage verweisen können, auf seine Steuerreform, sogar auf die Revision des Nafta-Abkommens mit Mexiko und Kanada. Kurzum: Trump hätte versuchen können, ein einigermaßen normaler Präsident zu sein, der sich darauf verlässt, dass die Wähler den Eindruck haben, es gehe ihnen besser als früher. Doch das konnte er nicht. Im Amt anzukommen hieße, Teil des Establishments zu werden.
Der Präsident wird nur dann eine zweite Amtszeit erhalten, wenn ihm zweierlei gelingt: Er muss abermals die Protestwähler mobilisieren. Und er muss Teile der politischen Mitte demobilisieren. Bei den letzten Kongresswahlen zeigte sich das. Trump setzte auf das Thema Immigration. Mit einem Angstwahlkampf, in dem er vor Karawanen von Verbrechern und Drogenschmugglern aus Zentralamerika warnte, peitschte er zwar seine Basis auf, trieb aber Unabhängige ins andere Lager. Das Ergebnis: Dort, wo er ohnehin stark war, wurde er zwar noch stärker. In den umkämpften Wechselwählerstaaten aber verlor er.
Trump hat sich entschieden, auch als Amtsinhaber gegen das „korrupte Establishment“ anzutreten. Seine Gegner sollen jene Leute in Politik und Sicherheitsbehörden sein, die laut Trump nicht nur unter einer Decke steckten, sondern auch zum „Verrat“ in der Lage seien: die Denunzianten finanzierten, gefälschte Dossiers verbreiteten, Hexenjagden veranstalteten und sogar nicht davor zurückschreckten, einen demokratisch gewählten Präsidenten zu stürzen.
Wie 2016 schießt Trump wild um sich: gegen das FBI, gegen Barack Obamas Weißes Haus und gegen Hillary Clinton. Trump setzt Verschwörungstheorien in die Welt und untergräbt das Vertrauen in die Institutionen. Verunsicherung und Polarisierung sind seine Kampagne. Dass nicht ein womöglich gefälschtes Dossier Anlass war für die Einsetzung eines Sonderermittlers, sondern seine Versuche, eine Untersuchung der Verbindungen seiner Leute nach Russland zu verhindern, spielt für ihn keine Rolle.
Lindsey Graham erwiderte die „Sperrt sie ein“-Rufe bei dem Abendessen in Florida nicht zufällig mit: „Nein, lieber wollen wir, dass Hillary noch einmal antritt.“ Das tut sie natürlich nicht. Diesmal tritt Trump gegen den „tiefen Staat“ an, ganz gleich, wen die Demokraten ins Rennen schicken.
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