Can She Do That?

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Darf die das?

Kim Kardashian will jetzt Anwältin für Menschenrechte werden – ganz ohne College-Abschluss. Ist das ein Anlass zum Spott oder eine Inspiration?

Vielleicht ist das die gesellschaftliche Entwicklung, von der wir nicht wussten, wie sehr wir sie herbeigesehnt haben. Während auf ProSieben noch Mädchen überlegen, ob sie ihre Ausbildung abbrechen sollen, um Model zu werden, hat eine Frau plötzlich die entgegengesetzte Richtung eingeschlagen: Kim Kardashian, deren Berufsbezeichnung bislang nicht ohne Kommata auskam. Als Model arbeitete sie, als Schauspielerin, als Modeunternehmerin und als Mitentwicklerin eines enorm lukrativen Handy-Rollenspiels namens „Kim Kardashian: Hollywood“. Ihr Vermögen wird auf 300 Millionen Euro geschätzt. Das erreicht niemand durch Nichtstun, auch wenn Kardashians bisheriger Hauptjob, nämlich sich selbst zu vermarkten, oft aussieht wie Nichtstun: Auf Instagram sitzt sie aufgestylt in Privatjets oder im Bett herum, manchmal steht sie im Abendkleid in ihrem Ankleidezimmer.

Das könnte sich zumindest zum Teil ändern, denn Kim Kardashian strebt eine neue Karriere an – als Anwältin für Menschenrechte. Sie hat zwar keinen Uni-Abschluss, aber in Kalifornien genügt eine Ausbildung in einer Anwaltskanzlei, die nach vier Jahren mit einer Prüfung endet. Die späte Berufung hatte einen klaren Anlass: Kardashian hatte sich bei Präsident Trump erfolgreich für die Haftverkürzung einer Frau eingesetzt, die seit den Neunzigern wegen Drogendelikten einsaß. Bald darauf begann sie ihr Praktikum bei einer Menschenrechtsanwältin in San Francisco. Sie tritt damit in die Fußstapfen ihres verstorbenen Vaters Robert Kardashian, der unter anderem O.J. Simpson verteidigte.

Kann man sich nun darüber lustig machen, dass eine Frau, deren Ruhm bislang von ihrer außergewöhnlichen Physiognomie lebte, sich hohe Ziele steckt? Klar. Aber warum sollte man – weil man ihr das nicht zutraut? Selbst wenn man annimmt, sie habe ihre bisherige Karriere ohne große Denkleistung vollbracht, wäre Kim Kardashian nicht die erste durchschnittlich begabte Anwaltstochter, die selbst Anwältin wird. Sie wäre nicht die erste vierfache Mutter in dem Beruf, und sie wäre dank Amal Clooney auch nicht die erste außergewöhnlich schöne Frau, die als Menschenrechtsanwältin weltbekannt ist. Zwar kommen in ihr all diese Eigenschaften zusammen, die man gemeinhin als limitierend betrachtet, aber gerade das ist vorbildhaft, oder, wie Amerikaner es ausdrücken würden, eine Inspiration: Es gibt keine Altersgrenze für Bildung, es gibt keine Schönheitsgrenze für hochqualifizierte Berufe, und Motivation, Fleiß und Ehrgeiz können einen akademischen Abschluss unter Umständen ausgleichen. Sobald diese Botschaft bei den Kandidatinnen von „Germany‘s Next Topmodel“ ankommt, kann Heidi Klum endlich einpacken.

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