Der amerikanische Präsident hat mit seinen Schritten auf nordkoreanisches Terrain Geschichte geschrieben. Nun muss er zeigen, dass er mehr als Schlagzeilen produzieren kann.
Wenn ein amerikanischer Präsident auf einer Auslandsreise einen Umweg einbaut, um dem Machthaber eines anderen Landes „die Hand zu schütteln und ,Hallo‘ zu sagen“, so ist dies nach traditioneller Auffassung eine Geste größter Wertschätzung. Umso mehr ist das der Fall, wenn der Abstecher den Oberbefehlshaber der Vereinigten Staaten in ein verfeindetes Land führt, das noch kein amtierender amerikanischer Präsident betreten hat. Mit seinen Schritten über die innerkoreanische Grenze und seiner Einladung an den Diktator Kim Jong-un, ihn im Weißen Haus zu besuchen, hat Donald Trump am Sonntag getan, was er am liebsten tut: fernsehtauglich Geschichte schreiben.
Schnell ist nun wieder der Vorwurf zur Hand, der von Anbeginn gegen Trumps Nordkorea-Politik vorgebracht wurde: Der amerikanische Präsident werte den Diktator auf, ohne dass dieser dafür eine einzige Atomrakete verschrottet hätte. Dass diese Warnungen vor der Legitimierung eines Schurkenregimes nicht gegenstandslos waren, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass Kim seither diplomatisch aus dem Vollen schöpft: Er wurde in Russland von Präsident Wladimir Putin empfangen und mehrmals in China von Xi Jinping; der chinesische Staatschef fand vor kurzem sogar den Weg nach Pjöngjang. Das hätte er kaum getan, wenn Trump ihn nicht unter Zugzwang gesetzt hätte.
Verachtung für diplomatische Konventionen
Dessen Verachtung für Konventionen der Diplomatie ist ebenso ausgeprägt wie seine Zuneigung zu autoritären Herrschern; der G-20-Gipfel in Osaka hat dafür wieder reichlich Anschauungsmaterial geliefert. Beides untergräbt langfristig die Aussichten des Westens, die Weltordnung im Sinne seiner Werte zu prägen.
Trotzdem lag Trump im Fall Nordkorea nicht falsch, ein hohes Risiko einzugehen. Denn in diesem Fall hat er uneingeschränkt Recht mit der Feststellung, dass die Ansätze seiner Vorgänger das Problem nicht lösen konnten. Als Trump sein Amt antrat, saß der junge Machthaber Kim Jong-un einigermaßen sicher im Sattel und hatte seinem Volk wirtschaftlichen Aufschwung versprochen. Diese Chance nicht zu nutzen, wäre unverzeihlich gewesen.
Doch der Ertrag der beiden Gipfeltreffen von Singapur und Hanoi blieb mager. Dass Nordkorea seither keine Atomtests und vor allem keine Tests von Langstreckenraketen vorgenommen hat, ist zwar mehr als nichts. Doch das doppelte Moratorium ist nicht schriftlich fixiert, und nach der (von Trump weitgehend ignorierten) Auffassung amerikanischer Geheimdienste hat Nordkorea seit dem ersten Gipfeltreffen waffenfähiges Uran und Plutonium für mindestens fünf weitere Atombomben hergestellt. Spätestens das zweite Treffen in Hanoi hat gezeigt, dass Pjöngjang für keinen denkbaren Trump-Deal bereit wäre, auf einen Schlag seine nukleare Lebensversicherung aufzugeben. Trump selbst gibt dem Kim-Regime genug Grund zur Skepsis, ob auf sein Wort Verlass wäre.
Dennoch: Ein totales Fiasko ist Trumps Nordkoreapolitik nur, wenn man seine eigenen Maßstäbe anlegt – grotesk ist die Behauptung des Präsidenten vom vorigen Jahr, er habe „das Problem gelöst“. Dass Kim es weiterhin (oder wieder) als erstrebenswert ansieht, mit strahlender Miene an Trumps Inszenierung mitzuwirken und sogar ein paar Worte vor westlichen Journalisten zu sagen, ist eine gute Nachricht.
Die größte Gefahr besteht darin, dass Trump Symbolik mit Substanz verwechselt; dass er weniger an Denuklearisierung und Normalisierung als an Wahlkampf und Nobelpreis denkt. Die beste Nachricht lautet, dass Trump und Kim neue Verhandlungen auf Ministerebene verabredet haben. Und die größte Herausforderung für Trump wird es nun sein, seine eigene Mannschaft auf eine klare Linie zu verpflichten – anstatt sich bloß zu überlegen, mit welchem PR-Stunt er sie beim nächsten Mal überrumpeln kann.
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