Trump fehlt das taktische Gespür
Ob Iran hinter den Angriffen in Saudi-Arabien steckt, wird sich kaum beweisen lassen. Der US-Präsident scheint jedenfalls nicht zu einer adäquaten Antwort in der Lage.
Wenn Donald Trump in seinem Luxusresort Mar-a-Lago die Golfkeule schwingt, dann wirkt er mitunter treffsicherer, als wenn er seine eigene Politik in Worte zu fassen versucht. Verkündet der US-Präsident als Oberbefehlshaber der US-Militärmaschinerie nun also, dass er im Oval Office “Gewehr bei Fuß steht”, dann wächst die Beunruhigung auch in anderen Teilen der Welt. Bewahrt dieser Präsident nach den spektakulären Luftangriffen auf das Herz der saudischen Petro-Industrie die Ruhe? Reagiert er nun überzeugend – und ja, dabei auch abschreckend – genug, um dem Anspruch gerecht zu werden, dass Washington weiterhin für die Sicherheit am Persischen Golf garantiert? Und damit für die Energieversorgung großer Teile der Erde?
Das wird erst beantwortet sein, wenn Trump gehandelt hat. Klar ist: Was in Saudi-Arabien geschehen ist, kann kaum überschätzt werden. Fast zwanzig Drohnen und Raketen schlagen in der größten Raffinerie des Königreichs ein, die Förderung des drittwichtigsten Erdölproduzenten der Erde bricht um die Hälfte ein, der Benzinpreis steigt weltweit an – und eine den meisten Menschen völlig unbekannte Miliz schiitischer Barfußkrieger aus Jemen übernimmt mal eben so die Verantwortung für diesen globalen Donnerschlag. Und verbindet dies mit der Drohung, die verhassten Herrscher des Nachbarstaates noch härter zu bestrafen, sollten sie ihren Krieg in Jemen nicht sofort beenden.
Die jemenitischen Huthis zürnen den Saudis wegen des Feldzugs, den die Nachbarn 2015 begonnen haben und unter dem die Jemeniten bitter leiden. Das aber erklärt die Dreistigkeit und Effektivität dieses Angriffs nicht. Die Huthis mögen derzeit einen Teil des südarabischen Armenhauses Jemen kontrollieren, aber sie sind keine Hightech-Kriegsmacht. Entweder sie haben gar nicht selbst angegriffen, oder die Drohnenexpertise war geliehen und wurde von Beratern einer moderneren Macht geliefert. Daher ist der Verdacht auch naheliegend, dass die Islamische Republik Iran als Schutzherr der Huthis die Finger im Spiel hatte.
Selbstredend sieht Teheran in den jemenitischen Rebellen ein Instrument, mit dem sich treffsicher, aber eben unerkannt Regionalpolitik gegen Saudi-Arabien – und damit gegen die USA – machen lässt. Die Huthis verschaffen der Schiitengroßmacht Iran Einfluss in Jemen, ähnlich wie es die unzähligen schiitischen Parteien und Milizen im Irak, in Afghanistan, in Libanon oder in Syrien seit Langem in eben diesen Ländern tun. Hieb- und stichfest beweisen lässt sich dies fast nie. Teheran kann verdächtigt, aber schwer überführt werden. Solche Tarnkappenaggression ist keine iranische Perfidie, sondern ein Verständnis praktischer Politik, das im gesamten Nahen Osten üblich ist.
Ein Beweis für die Beteiligung Irans dürfte kaum zu erbringen sein
Jetzt, wo sich der für die Islamische Republik existenzielle Konflikt mit den Vereinigten Staaten immer mehr zuspitzt, sind Gruppen wie die Huthis die ideale Waffe, den USA empfindliche Treffer zuzufügen: indem man mithilfe der jemenitischen Krieger – oder wenigstens mit ihrem Namensschild versehen – die politischen Freunde Washingtons angreift. Saudi-Arabien, der ewige Rivale um die Vorherrschaft am Persischen Golf und der Konkurrent um die politische Führerschaft der muslimischen Welt, ist Parteigänger der USA. Aber das Königreich ist eben auch angreifbar: Das völlige Versagen der Luftabwehr sagt fast alles über seine Verteidigungsfähigkeit. Und das, obwohl Saudi-Arabien jahrzehntelang von Washington hochgerüstet worden ist.
US-Experten werden nun Tausende Satellitenaufnahmen und Berge von Daten auswerten. Aber ein Beweis, der sich der Weltöffentlichkeit überzeugend präsentieren ließe, wird sich wohl nicht so einfach finden lassen (zumal die Glaubwürdigkeit der Amerikaner in Sachen Beweisführung seit dem Krieg gegen Saddam Hussein schwer gelitten hat). Sollten die Iraner wirklich die Finger im Spiel haben, werden sie darauf geachtet haben, keine Spuren zu hinterlassen. Schließlich kämpft das Regime ums Überleben, seit Trump das Internationale Atomabkommen gekündigt und das Sanktionssystem wieder angeworfen hat. Nicht nur wirtschaftlich, auch politisch steht Iran am Abgrund. Die Herrscher eines Ölstaats, der fast kein Erdöl mehr exportieren kann, haben kaum noch Spielraum. Die widerstreitenden Machtzentren aus Geistlichkeit und Sicherheitskräften, die Bevölkerungsexplosion, Wasserarmut – die Islamische Republik hätte auch ohne Trump Probleme.
Sollte Teheran versucht haben, mithilfe der Huthis oder einer anderen Schiitenmiliz den USA Grenzen aufzuzeigen, wäre die Botschaft unmissverständlich: Die USA können angreifen, aber sie werden einen hohen Preis zahlen. Als Anführer einer Supermacht mit dieser Art von asymmetrischer Kriegsführung umzugehen, erfordert mehr taktisches Gespür, als man es einem Trump zutrauen kann.
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