Zwischen Amerika und China:
Deutschland wird sich entscheiden müssen
Trumps Botschafter Grenell beschwert sich, dass die Bundesregierung die Vereinigten Staaten mit der chinesischen Kommunisten-Diktatur gleichsetze. War es nicht sein Präsident, der Lobeshymnen auf den Autokraten Xi Jinping anstimmte?
Man wird nicht behaupten können, die deutsch-amerikanischen Beziehungen erlebten gerade eine Phase der Beschaulichkeit und der Harmonie. Das Gegenteil ist der Fall. Die Liste der Streitpunkte ist lang, und sie wird immer länger, von der Handelspolitik bis zur Rolle chinesischer Telekommunikationsunternehmen. Kein Wunder, dass eine große Mehrheit der Deutschen das Verhältnis für schlecht hält und Amerika nicht mehr ihr „Lieblingsverbündeter“ ist – es sei dahingestellt, wie viel Selbstgerechtigkeit in dieser Einschätzung steckt.
Dass es rumpelt, dass sich politisch entzweit, was viele Jahre fest verwoben war, hat mehrere Gründe. Es gibt strukturelle, die mit den globalen Veränderungen seit 1989/90 zu tun haben. Und es gibt solche, die unter der Überschrift „Donald Trump“ laufen: Fast hat man den Eindruck, dass der Präsident in Deutschland einen seinen Hauptgegner zu erkennen glaubt.
Jedenfalls bekommen Deutschland, die deutsche Politik und die Bundesregierung bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihr Fett weg, was immer Anlass der Schelte sein mag. Die Gegenreaktion bleibt allerdings auch nicht aus, siehe oben: Viele Deutsche sehen in den Vereinigten Staaten nicht mehr den Hort der Freiheit und den „wohlmeinenden Hegemon“, sondern ein Land, das von einem rüden Nationalisten regiert wird, der sich um Allianzen wenig schert.
Wie schnell vor diesem Hintergrund an und für sich banale Äußerungen große Wellen schlagen, macht die jüngste Kontroverse um den deutschen Wirtschaftsminister Altmaier deutlich. Der hatte sich in einer Fernsehsendung geäußert, in der es um den chinesischen Netzwerkausrüster Huawei ging und um die Frage, ob der am Aufbau des 5G-Netzes zu beteiligen sei oder nicht. Weil die Bundesregierung das nicht ausschließen will, wies Altmaier darauf hin, dass man in Berlin nach Bekanntwerden der Abhörpraktiken der NSA auch keine Boykotte gegen amerikanische Technologieunternehmen erwogen habe.
Ein kalter Krieg zieht herauf
Das veranlasste den amerikanischen Botschafter in Berlin zu einer wütenden Reaktion. Der Vergleich komme einer Beleidigung der Tausenden amerikanischen Soldaten gleich, die Deutschlands Sicherheit garantierten. Richard Grenell unterstellte Altmaier und anderen deutschen Politikern, dass sie eine „moralische Äquidistanz“ zwischen dem kommunistischen China und dem demokratischen Amerika herstellten. Das war ein schweres Geschütz, das der Botschafter auffahren ließ, der für seine derben Interventionen, seinem Herrn ganz ähnlich, bekannt ist. Um nicht zu sagen, der dafür berüchtigt ist.
Nun kann es in der Tat keine moralische Äquidistanz geben, so verlockend das manchen Leuten in Politik und Wirtschaft erscheinen mag; übrigens auch nicht, was Russland anbelangt. Deutschland verbindet mit Amerika unendlich viel mehr als mit China: historisch, politisch, kulturell und so weiter; die Werte nicht zu vergessen. Und in dem heraufziehenden, neuen kalten Krieg zwischen China und Amerika, zu dessen Schlachtfeldern nicht zuletzt das der Technologie zählt, wird sich Deutschland früher oder später entscheiden müssen, auf wessen Seit es steht. Es wird nicht die Seite der Diktatur sein können. Doch wäre es sicher hilfreich, wenn die Regierung Trump und ihre Trompeter durch ihre Politik und ihre Krawallrhetorik Deutschland und andere Verbündete nicht in die Arme des Rivalen trieben, zumindest von Amerika wegtrieben.
Ja, die Deutschen wie die Europäer sind sicherheitspolitisch nach wie vor von den Vereinigten Staaten abhängig. Das macht sie verwundbar, das schmälert ihren Handlungsspielraum. Und ja, Deutschland muss mehr für seine Sicherheit und die seiner engen Partner tun. Aber so zu tun, als seien die amerikanischen Soldaten auf dem Kontinent eine Art Caritas-Verband, getrieben allein von rührender Selbstlosigkeit, ist ein bisschen plump. Die Vereinigten Staaten verfolgen in und mit der Nato auch und nicht zuletzt ihre Interessen. Für beide Seiten war und ist diese Allianz eine großartige Sache.
Vielleicht wäre es sinnvoll, wenn beide Seiten ihre China-Politik koordinierten. Vielleicht wäre es sinnvoll, wenn Washington seine Verbündeten darüber aufklärte, was denn die amerikanische Strategie und die Ziele gegenüber China wirklich sind. Eine Politik der Unberechenbarkeit bietet jedenfalls keine feste Grundlage für ein schweres Geschütz wie das, das Botschafter Grenell jetzt aufgefahren hat.
Es war Präsident Trump, der sich über den chinesischen Führer und Oberkommunisten Xi Jinping bewundernd geäußert hat. Eigentlich ist das auch eine Beleidigung für die Millionen Chinesen, „denen grundlegende Freiheiten verwehrt und die zu Unrecht von der Kommunistischen Partei inhaftiert sind“, wie es in der Erklärung des Botschafters hieß. Aber über die Lobhudeleien des Mannes im Weißen Haus will sich Richard Grenell logischerweise nicht empören.
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