Isolationist Hogwash

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Augenwischerei mit Abschottung

Ein Kommentar von Andreas Ross, 21.4.2020

Die Pandemie bestärkt die Globalisierungsgegner. Trump täuscht die Amerikaner, wenn er Einwanderungsverbote als Wirtschaftshilfe verbrämt. Dennoch steht auch Deutschland vor harten Konflikten.

Von der Pandemie fühlen sich all jene Politiker bestätigt, die wie der amerikanische Präsident das Heil ihrer Länder ohnehin in Abschottung suchen. Tatsächlich kann eine Epidemie am besten begrenzt werden, indem man den Bewegungsradius potentiell infizierter Personen einschränkt und überhaupt wenig Kontakte zulässt. Dazu gehören Grenzschließungen.

Allerdings zeigt gerade das amerikanische Beispiel, dass es nicht genügt, unter dem Vorwand des Gesundheitsschutzes vor allem symbolische Abschottungsmaßnahmen zu ergreifen. Hätte Donald Trump das von ihm so genannte „chinesische Virus“ tatsächlich als einer der ersten auf der Welt ernst genommen, wie er gern behauptet, so hätte er sich nicht mit einem unilateral verhängten Einreiseverbot für Chinesen begnügen dürfen. Er hätte mindestens versuchen müssen, die Welt von der Dringlichkeit des Anliegens zu überzeugen – und er hätte auch mit Amerikanern, die aus China heimkehrten, strenger umgehen müssen.

Der globale Kampf um jene Masken und Schutzausrüstung, deren Produktion reiche westliche Staaten vor langer Zeit nach China und in andere Billiglohnländer verlagert hatten, leitet weiteres Wasser auf die Mühlen von Nationalisten und Globalisierungsgegnern. Dasselbe gilt für die Probleme der Industrie. Große Fabriken in Amerika oder in Deutschland sind auch deshalb lahmgelegt, weil internationale Lieferketten gestört sind und sie kaum Teile gelagert haben. Dieses System für gestört zu erklären, ist längst nicht mehr den populistischen Parteien vorbehalten.

Gesundheitsschutz ist nur der Vorwand

Während in Europa bisher die vom Tourismus lebenden Länder oder Regionen am lautesten auf eine schnelle Wiederherstellung des freien Reiseverkehr dringen, schlägt Trump die umgekehrte Richtung ein. Er will die Gunst der Krisenstunde nutzen und jegliche Einwanderung verbieten. Das hat mit Gesundheitsschutz wenig zu tun: Bei dem Aufwand, den es bedeutet, eine Green Card zu erhalten, fiele es nicht wirklich ins Gewicht, wenn Einwanderer zunächst in Quarantäne müssten. Trump gibt denn auch zu, dass es ihm neben dem Kampf gegen den „unsichtbaren Feind“ alias Sars-CoV-2 um den Kampf gegen die Rezession geht – mithin um den Kampf gegen Joe Biden, der im November für die Demokraten das Weiße Haus zurückerlangen will.

Doch das ist Augenwischerei. Es ist absurd anzunehmen, dass die 22 Millionen neuen Arbeitslosen in den Vereinigten Staaten schneller wieder in Lohn und Brot kämen, wenn Washington keine Arbeitsgenehmigungen an Ausländer gleich welchen Qualifikationsniveaus mehr ausgäbe. Auch die vermeintliche Konkurrenz der Saisonarbeiter ist in Amerika genauso eine Schimäre wie in Deutschland: Dass die eigene Arbeiterschaft nicht bereit ist, beispielsweise auf den Zwiebel- oder Erdbeerfarmen des amerikanischen Südwestens die Knochenjobs der lateinamerikanischen Erntehelfer zu übernehmen, ist auch konservativen Hardlinern im Einwanderungsstreit seit vielen Jahren bewusst.

Trotzdem stehen die Verteidiger eines möglichst barrierefreien Welthandels und überhaupt einer offenen Welt vor schweren Zeiten. Deutschland ist das beste Beispiel. Die überdurchschnittlichen Erfolge zur Eindämmung des Virus hierzulande, wiewohl noch auf tönernen Füßen, wollen beschützt werden. Jede Grenzöffnung, jeder touristische wie geschäftliche Reiseverkehr wird noch auf lange Zeit begründungspflichtig und kontrovers sein. Die Populisten werden es sich zum gegebenen Zeitpunkt nicht nehmen lassen, frei nach Angela Merkel vor „Grenzöffnungsdiskussionsorgien“ zu warnen. Trump gibt die Richtung vor. Auch dem deutschen Export- und Reiseweltmeister stehen harte politische Konflikte bevor.

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