The Steel of American Democracy Is Tougher Than Expected


 

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Der Stahl der amerikanischen Demokratie ist härter als gedacht

Wer überzeugt war, der Supreme Court würde als oberstes Gericht der USA stets im Sinne Donald Trumps entscheiden, hat sich gewaltig geirrt. Der Präsident kann von Amts wegen keineswegs mit wohlwollenden Urteilen rechnen – womit die Demokratie ihre Stärke zeigt.

Als Donald Trump vor drei Jahren Neil Gorsuch als Kandidaten für das oberste Gericht der Vereinigten Staaten vorschlug, befürchteten viele deutsche Journalisten das aus ihrer Sicht Allerschlimmste. Zum Beispiel schrieb eine große deutsche Zeitung nach einem TV-Auftritt des Richters: „Nichts … spricht dafür, dass er die Erwartungen des konservativen Amerikas enttäuschen wird.“ Gorsuch sei ein „überzeugter Konservativer“.

Dies erkenne man auch daran, so der Autor des Textes, dass er die Meinung vertrete, die US-Verfassung soll „möglichst wörtlich“ ausgelegt werden. Gorsuch habe zum Beispiel verlauten lassen, dass sich Richter in einer Demokratie nicht durch ihre Überzeugungen beeinflussen lassen sollten, wenn sie gesellschaftliche Veränderungen durch Gesetze festschreiben. Der Autor des Artikels erklärte seinen Lesern damals: „Republikanern gefällt diese Haltung.“

Drei Jahre später hält Gorsuch Wort und kümmert sich kein bisschen um seine eigenen Überzeugungen, wenn er über gesellschaftliche Veränderungen urteilt. Allerdings ganz anders, als es weite Teile der deutschen Presse voraussahen. Letzten Monat schrieb Gorsuch ein Urteil, das auf fast radikale Art die Rechte von Schwulen, Lesben, Transgender und anderen Personen schützt, die nicht heterosexuell sind. Republikanern gefällt diese Haltung gar nicht, aber Gorsuch ist eben nicht Trumps Marionette.

Sein Urteil reiht sich ein in weitere spektakuläre Supreme-Court-Urteile in diesen Wochen: die „Dreamers“, Millionen junge Migranten, dürfen in den USA bleiben, der oberste Richter John Roberts versohlte die Trump-Administration wie ein Rektor im 19. Jahrhundert den Klassenclown, die Entscheidungen des Präsidenten seien „willkürlich und launenhaft“.

Staatsanwaltschaft darf Einsicht in Trumps Steuererklärungen nehmen

In Sachen Steuerpapiere des Präsidenten, die mittlerweile auch beim Supreme Court liegen, ist Roberts vorsichtig, hier gewinnt noch keine Seite eindeutig, offenbar möchte der oberste Richter keinen Aufruhr vor der Wahl. Er achtet die Demokratie. Die starke amerikanische Demokratie, der wir Deutsche so viel verdanken. Und die einige bei uns leider gleich wackeln sehen, weil ein in der Tat zweifelhafter Präsident die Geschicke des Landes steuert.

Vor drei Jahren hat der „Spiegel“ Trump porträtiert als einen Terroristen, der der Freiheitsstatue den Kopf abschlägt. Aber der Stahl der amerikanischen Demokratie ist viel härter, als es sich viele deutsche Journalisten vorstellen können.

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