Was hinter Trumps Kampf gegen TikTok steckt
Der US-Präsident will die chinesische App verbannen. Eine Übernahme durch Microsoft könnte das verhindern. Die Drohung symbolisiert das schwierige Verhältnis der Länder.
Donald Trump hat einen neuen Feind gefunden: Der US-Präsident will die chinesische Videoplattform TikTok verbieten. Allein in den USA nutzen 100 Millionen Menschen die App regelmäßig, Microsoft hat sein Interesse an einer Übernahme bekundet. Vor allem bei Teenagern ist TikTok beliebt. Einige junge Erwachsene, die im November zum ersten Mal wählen dürfen, sagten NBC-Reportern, sie würden im November wegen des drohenden Verbots gegen Trump stimmen.
Andere vermuten, dass sich der US-Präsident rächen will. Im Juni blieben bei Trumps Wahlkampfveranstaltung in Tulsa viele Plätze leer. Zuvor hatten TikTok-Nutzerinnen und -Nutzer Reservierungen vorgetäuscht, die sie anschließend nicht wahrnahmen.
Tatsächlich gibt es auf TikTok viele Videos, die sich über Trump lustig machen. Dass TikTok im Visier des Präsidenten gelandet ist, hat jedoch mehr politische als persönliche Gründe. In den meisten Umfragen liegt Trump gegen den Herausforderer Joe Biden zurück. Die Coronavirus-Pandemie wütet nun auch in Bundesstaaten, in denen Trumps treueste Anhänger zu Hause sind.
Immer wieder attackiert Trump China, wo die Krankheit zuerst auftrat, und spricht vom “China-Virus”. Auch in seinem ersten Wahlkampf 2016 setze Trump auf eine harte Linie gegen China. Vor allem Wähler aus dem sogenannten Rust Belt, den einstigen Industrieregionen, geben der Konkurrenz aus Asien die Schuld am Niedergang und dem Verlust von Arbeitsplätzen. Ihre Verbitterung will Trump erneut für sich nutzen.
Zudem gibt es berechtigte Bedenken, TikToks chinesischer Eigentümer ByteDance könnte der Regierung in Peking über die App Zugang zu den Daten ihrer westlichen Nutzer gewähren. Mit dieser Gefahr argumentiert auch Trump. Sollte jedoch ein US-Unternehmen Tiktoks Geschäft in den Vereinigten Staaten übernehmen, so könnte die App dort weiter bestehen. ByteDance bemüht sich deshalb schon länger, seine internationale Plattform von der chinesischen Version zu trennen. Über ein Interesse von Microsoft hatten US-Medien bereits am Freitag berichtet, danach äußerte sich Trump jedoch zunächst ablehnend und bekräftigte seine Verbotsabsicht. Nun meldete sich Microsoft erstmals offiziell zu Wort.
Chimerica geht zu Ende
Doch der Streit um TikTok ist vor allem eine weitere Eskalation des chinesisch-US-amerikanischen Konflikts, der sich unaufhörlich zuspitzt. Vor knapp zwei Wochen ordnete Trumps Regierung die Schließung des chinesischen Konsulats in Houston an. Ein symbolträchtiger Akt: Mit dem Besuch des damaligen chinesischen Parteiführers Deng Xiaoping in der texanischen Hafenstadt im Jahr 1979 begann die Öffnung des kommunistischen Chinas nach Westen.
Die Bilder des chinesischen Staatsoberhaupts beim Rodeo, angetan mit einem enormen Cowboyhut, gingen um die Welt. Es war vor allem das Handelsabkommen, das damals zwischen den beiden Nationen unterzeichnet wurde, das die Weltwirtschaft nachhaltig verändern sollte. 1979 beliefen sich die Im- und Exporte der USA mit China auf vier Milliarden Dollar. 2017, bevor Trumps Handelskonflikt mit Peking eskalierte, lagen die bilateralen Handelsströme bei 600 Milliarden Dollar.
So symbiotisch wurde das wirtschaftliche Verhältnis der beiden Nationen miteinander, dass der britische Historiker Niall Ferguson dafür den Begriff Chimerica prägte. Apples Geschäftsmodell etwa wäre ohne diese Beziehung undenkbar. Der Tech-Konzern entwickelt seine Produkte in den USA und lässt unter anderem das iPhone von Subunternehmen in Fernost produzieren. Zudem ist China der wichtigste Abnehmer der Produkte US-amerikanischer Farmer.
China ist auf eine starke Wirtschaft angewiesen
Neben den Lieferketten sind die USA auch finanziell eng mit China verwoben: Die chinesische Zentralbank ist der größte ausländische Gläubiger der Vereinigten Staaten. Über die vergangenen Jahrzehnte kaufte sie mehr als eine Billion Dollar an US-Staatsanleihen. Lange vor Trump setzte jedoch bei den US-Unternehmen eine Ernüchterung ein. Die Chinesen stahlen Blaupausen und Know-how und lösten ihr Versprechen nicht ein, der US-Wirtschaft Zugang zum chinesischen Markt zu gewähren.
Die Vorstellung der westlichen Industrienationen, dass eine kommerzielle Öffnung Chinas das Land letztlich in eine Demokratie verwandeln werde, hat sich ebenfalls als Illusion erwiesen. Im vergangenen Jahr ließ sich Xi Jinping zum Staatsoberhaupt auf Lebenszeit ernennen. Seither werden Kritiker und Minderheiten wie die muslimischen Uiguren noch brutaler unterdrückt und misshandelt. Trotz der Proteste des Westens ist China dabei, Hongkongs liberalen Sonderstatus abzuschaffen.
Xis Schwachpunkt ist die Wirtschaft. Er braucht eine starke Wirtschaft, um vor allem die jüngere Generation ruhig zu halten. An dieser Stelle setzt Trumps Regierung an. Mit dem Handelskonflikt, dem Huawei-Bann und dem möglichen Verbot von TikTok und seinem chaotisch-bunten Videokosmos. Die Scheidung von Chimerica wird bitter und sie wird auch die Europäer nicht verschonen. Es bleibt nur zu hoffen, dass sie nur wirtschaftlich und nicht militärisch ausgefochten wird.
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