Trump Says Me or Chaos. His Plan Could Work

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Ich oder das Chaos, sagt Trump. Sein Konzept könnte aufgehen

Donald Trump weiß, dass die Umfragen für ihn nicht günstig stehen. Sollte es in dieser Wahl vor allem um die Pandemie gehen, ist das schlecht für ihn. Also redet er nicht mehr vom Virus, sondern stellt es so hin, als seien die Krawalle in den Städten die Schuld der Demokraten.

Die Stadt Kenosha im Bundesstaat Wisconsin mit ihren 100.000 Einwohnern ist vor allem für das Dinosauriermuseum, gutes Essen und den idyllischen Strand am Michigan-See bekannt. Aber nun wird Kenosha in die amerikanische Geschichte eingehen.

Am Sonntag vor einer Woche wurde dort einem 29-jährigen Schwarzen namens Jacob Blake vor den Augen seiner drei kleinen Söhne neben seinem Auto von einem weißen Polizisten in den Rücken geschossen. Der Polizist gab sieben Schüsse ab; vier Schüsse trafen den jungen Mann.

Dieser überlebte, wird aber wohl für den Rest seines Lebens im Rollstuhl sitzen. Es folgten drei Tage wütender Demonstrationen. Am Rande jener Demonstrationen wurden Autos angezündet und Geschäfte geplündert.

In der Nacht zum Mittwoch ging dann kurz vor Mitternacht ein weißer 17-Jähriger durch die chaotischen Straßen von Kenosha. Er hatte eine halb automatische Waffe dabei. Er war eigens aus Illinois angereist und heißt Kyle Rittenhouse. Nach einer Auseinandersetzung tötete er einen Unbewaffneten namens Joseph Rosenbaum mit mehreren Schüssen. Dann rief er jemanden mit seinem Mobiltelefon an und sagte: „Ich habe gerade jemanden erschossen.“ Ein Video zeigt, wie er anschließend von einer Menschenmenge verfolgt wurde.

Er fiel hin und erschoss Anthony M. Huber, als der sein Skateboard gegen ihn erhob. Einen dritten Menschen – Gaige Grosskreutz – erwischte Rittenhouse am Arm. Der 17-Jährige mit der Schusswaffe wurde wegen Mordes angeklagt. Seine Anwälte sprechen von Notwehr.

Die Ereignisse in Kenosha sind wie ein Rohrschachtest: Zwei Gruppen von Amerikanern erblicken völlig verschiedene Dinge, wenn sie die Bilder aus Wisconsin auf sich wirken lassen. Erstens sind da die Anhänger des Präsidenten. Sie sehen einen gefährlichen Mob, der mit allen Mitteln unter Kontrolle gebracht werden muss. Die Schüsse auf Jacob Blake sind in den Augen dieser Gruppe zwar unschön – andererseits gibt es mittlerweile Berichte, dass in dem Auto, zu dem Blake sich beugte, ein Messer lag (Augenzeugen berichten, er habe jenes Messer nie in der Hand gehabt).

Ku-Klux-Klan? „Schützt Amerika vor schwarzen Horden“

Für die Anhänger des Präsidenten ist Kyle Rittenhouse nicht etwa ein weiterer gefährlicher Randalierer, sondern ein Held. Tucker Carlson, einer der beliebtesten Propagandisten des rechten TV-Senders Fox News, stellte in seiner Sendung die rhetorische Frage, ob es denn jemanden wundere, dass ein 17-Jähriger versuchte, die Ordnung in Kenosha wiederherzustellen; schließlich habe es doch sonst kein Mensch getan.

Just so argumentierten einst die Unterstützer des Ku-Klux-Klan. Sie sahen in den Männern mit den weißen Kapuzen keine Terroristen, sondern selbstlose Kämpfer, die mit ihrer Lynchjustiz die weißen Amerikaner – vor allem die weißen Frauen – vor schwarzen Horden beschützten.

Die zweite Gruppe von Amerikanern (es ist die größere) sieht in Jacob Blake ein weiteres schwarzes Opfer rassistischer Polizisten, dessen Name am Ende einer viel zu langen Liste steht. Jene zweite Gruppe kann mit Recht darauf hinweisen, dass ein Weißer kaum so behandelt worden wäre wie Blake. Am Sonntag vor einer Woche etwa nahmen Polizisten in Santa Barbara, Kalifornien, einen betrunkenen weißen Mann namens Dominic Sanginiti fest, der eine Pistole im Schulterhalfter trug, während ihm ein Messer aus der Hosentasche ragte; außerdem widersetzte er sich der Verhaftung.

Herr Sanginiti ist am Leben und erfreut sich bester Gesundheit. Diese zweite Gruppe findet Krawalle und Brandstiftungen furchtbar, glaubt aber nicht, dass die Antwort darauf Selbstjustiz ist. Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden sprach jener Mehrheit aus dem Herzen, als er in einer emotionalen Videobotschaft sowohl die Schüsse der Polizisten auf Jacob Blake als auch die gewalttätigen Ausschreitungen verurteilte.

Donald Trump und seine Leute wissen, dass die Umfragen für ihn nicht günstig stehen. Sollte es in dieser Wahl vor allem um die Pandemie gehen, die Amerika plagt wie kein anderes Land auf der Welt (wir nähern uns der Wegmarke von 200.000 Toten), dann ist das schlecht für Trump. Die meisten Amerikaner glauben laut Umfragen, dass er seine Sache in dieser Hinsicht nicht besonders gut gemacht hat. Also versuchen der Präsident und seine Getreuen, das Thema zu wechseln.

Sie reden einfach nicht mehr vom Coronavirus, stattdessen stellen sie es so hin, als seien die Krawalle in den amerikanischen Städten – die fast durchweg von Demokraten regiert werden – Bidens Schuld. Trump präsentiert sich als Präsident, der für Gesetz und Ordnung eintritt. Dies könnte gelingen. Letztlich werden Präsidentschaftswahlen von Wechselwählern in etwa 15 amerikanischen „swing states“ entschieden. Wenn die Demokraten sich als Partei nicht entschieden genug von den Gewalttätern distanzieren, könnten solche Wechselwähler Trump als einzige Alternative zum Chaos betrachten.

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