Caught Up in It

 

 

 

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So wie ihr Präsident hatten auch die Republikaner Corona mit aller Macht kleingeredet. Jetzt sind auch viele in der Partei infiziert. Kein gutes Signal kurz vor der Wahl.

Wie geht es Donald Trump? Im Moment wissen das nur wenige Menschen, und diejenigen, die es wissen, widersprechen einander. Trumps Arzt Sean Conley gab am Samstagvormittag eine Pressekonferenz, während der er nicht müde wurde zu betonen, dass es dem Präsidenten “großartig” gehe, er habe sich sogar eine Menge Arbeit ins Krankenhaus bringen lassen. Bestimmten Fragen, etwa danach, ob Trump zwischendurch mit Sauerstoff habe versorgt werden müssen, wich er auffallend hartnäckig aus.

Dann tauchte ein Video von Trumps Stabschef Mark Meadows auf, der die wartende Presse vor dem Krankenhaus bat, nur “off the record” zu sprechen. Kurz darauf lief das Statement einer anonymen Quelle aus dem Umfeld des Präsidenten über alle Nachrichtensender. Es zeichnete ein ganz anderes Bild als der Leibarzt Conley. Trumps Vitalfunktionen seien besorgniserregend gewesen, die nächsten 48 Stunden kritisch für den weiteren Verlauf der Erkrankung. Später am Tag entschieden sich die Medien, mit den Konventionen zu brechen und die Quelle zu nennen: Mark Meadows.

Es war der vorläufige Höhepunkt eines ohnehin schon bizarren Nachrichtenkreislaufs: Der Stabschef des Weißen Hauses widerspricht inoffiziell der offiziellen Darstellung des Arztes des Weißen Hauses? Warum? Und wer hat recht?

Es geht schließlich um keine Kleinigkeit, sondern um die Frage, ob der Präsident der Vereinigten Staaten womöglich bald nicht mehr regierungsfähig sein könnte. Eine solch ernste Situation hat es wohl seit dem Attentat auf Ronald Reagan 1981 nicht mehr gegeben. Und ausgerechnet in dieser Lage, in der die US-Amerikanerinnen und US-Amerikaner ein Interesse daran haben, möglichst verlässlich informiert zu werden, betreiben Vertreter des Weißen Hauses eine Verschleierungstaktik.

Krise des Vertrauens

Die politische Krise, die sich in Washington gerade abspielt, besteht nicht nur darin, dass Donald Trump mit einer potenziell tödlichen Infektion im Krankenhaus liegt. Sie ist auch eine Krise des Vertrauens. Binnen Stunden haben sich die Dinge so entwickelt, dass im Grunde niemandem mehr zu glauben ist. Und das will was heißen im postfaktischen Trump-Zeitalter.

Da ist zum einen der zeitliche Verlauf. Die New York Times veröffentlichte eine aufwendige Recherche, wonach Trump sich während der gesamten letzten Woche bei allen möglichen Gelegenheiten angesteckt haben könnte. Seine Assistentin Hope Hicks hatte bereits am Mittwoch Symptome. Ronna McDaniel, die Vorsitzende der Republikaner, wurde ebenfalls am Mittwoch positiv getestet. Mit ihr hatte sich Trump am Freitag zuvor getroffen. Trump flog am Donnerstag noch zu einem Spendendinner in New Jersey, wo er bereits lethargisch gewirkt haben soll. Sein Arzt Sean Conley verweigerte bei der Pressekonferenz am Samstagmorgen eine Auskunft auf die Frage, wann der Präsident zum letzten Mal negativ getestet worden sei. Und er sprach von 72 Stunden, die seit Trumps Diagnose vergangen seien. Trump hatte in der Nacht zum Freitag mitgeteilt, gemeinsam mit seiner Frau Melania am Donnerstagabend positiv getestet worden zu sein. Wer also sagte hier nicht die Wahrheit? Conley korrigierte sich später in einem Pressestatement auf 48 Stunden, aber da war der Zweifel bereits in der Welt.

Nun könnte man anführen, dass Trump und seine Republikaner noch nie viel darauf gegeben haben, sich an Fakten messen zu lassen. Aber das hier ist anders. Mit Trumps Erkrankung ist die Pandemie, die der Präsident mit aller Macht aus der politischen Wahrnehmung hatte fernhalten wollen, ausgerechnet einen Monat vor der alles entscheidenden Wahl in den Mittelpunkt gerückt. Und die Republikaner, die Trump in seiner Strategie nachgefolgt sind und Corona kleingeredet haben, die keine Maske trugen und sich mehrheitlich gegen entsprechende Regelungen verwehrten, hängen jetzt genauso tief mit drin. Für sie könnten sich die Dinge derzeit kaum schlechter entwickeln.

Im unmittelbaren Umfeld des Präsidenten haben sich gleich mehrere Personen infiziert. Etwa Trumps Vertraute Kellyanne Conway, die bis vor Kurzem als einflussreiche Beraterin im Weißen Haus arbeitete, oder der prominente Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, der sich laut eigener Aussage “vorsichtshalber” ins Krankenhaus begeben hat. Auch drei republikanische Senatoren wurden positiv getestet, womit die baldige Ernennung von Trumps Wunschkandidatin für den Supreme Court, Amy Coney Barrett, gefährdet sein könnte. Das wäre nicht nur eine schwere persönliche Niederlage für Donald Trump, der sich mit dieser Besetzung bei den evangelikalen und katholischen Wählerinnen und Wählern beliebt machen könnte. Es wäre auch fatal für die republikanische Partei, wenn sie nun die Chance, für die kommenden Jahrzehnte eine konservative Agenda am Höchsten Gericht durchzusetzen, ausgerechnet wegen Corona verpassen würde.

Aber auch so ist die Signalwirkung keine gute. Am vergangenen Samstag hatte Trump im Weißen Haus eine Gartenparty zu Ehren Barretts gegeben. Anwesend waren Melania Trump, Kellyanne Conway, Chris Christie und zwei der drei infizierten Senatoren. Fotos zeigen die Gäste dicht gedrängt und zumeist ohne Mund-Nasen-Schutz beieinandersitzen und -stehen. Im Internet verbreitete sich ein Video des später positiv getesteten Senators Mike Lee aus Utah, der drei Gäste umarmt – keiner von ihnen trägt eine Maske.

Die Fotos der Gartenparty zeigen eine republikanische Elite, die sich feiert, als wäre nichts gewesen, während in den USA zu diesem Zeitpunkt bereits über 200.000 Menschen an einer Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben waren. Nun ist für alle sichtbar geworden, dass ein solch riskantes Verhalten Konsequenzen hat, nicht nur persönliche. Das Land stürzt in eine historische Führungskrise. Ein Präsident in einem zweifelhaften Gesundheitszustand und ein Weißes Haus, das mehr Fragen aufwirft, als es Antworten gibt: Das trägt nicht gerade dazu bei, die Glaubwürdigkeit der Regierung zu vergrößern.

Der Wahlkampf geht weiter – ohne Wahlkampfmanager

Währenddessen läuft der Wahlkampf unvermindert weiter, Joe Biden liegt noch immer in den Umfragen vorne. Die Trump-Kampagne dagegen muss derzeit nicht nur auf ihren Kandidaten verzichten, sondern auch auf ihren Manager: Trumps oberster Wahlkampfstratege Bill Stepien ist ebenfalls positiv getestet worden. Und das, nachdem bereits sein Vorgänger, der bis dahin noch immer für die Kampagne tätige Brad Parscale, ins Krankenhaus kam, weil er seine Frau und sich selbst mit einer Waffe bedroht haben soll.

Die Republikaner wollen ja aber nicht nur die Präsidentschaftswahl gewinnen, sondern auch den Senat halten und das Repräsentantenhaus zurückholen. Auch dafür kommen die Nachrichten des Superspreader-Events im Weißen Haus zur Unzeit. Schon das TV-Duell zwischen Trump und Biden am Dienstag, während dem Trump seinen Konkurrenten immer wieder unterbrach und provozierte, dürfte die wahlkämpfenden Republikaner die Hände über dem Kopf zusammenschlagen lassen. Erste Umfragen aus den wichtigen Staaten Florida und Pennsylvania legen nahe, dass Trumps Verhalten bei den Wählerinnen und Wählern nicht gut ankam.

Trumps Coronavirus-Infektion könnte ihm und den Republikanern ebenso schaden. Monatelang tat er, als sei Corona harmlos, nun ist er selbst als Risikopatient im Krankenhaus. Immer wieder hat Trump über das Tragen von Masken gespottet, auch im TV-Duell. Plötzlich zeigen er sowie ranghohe Mitarbeiter des Weißen Hauses sich öffentlich mit Mund-Nasen-Schutz – den sie, so heißt es, bislang zu Hause ließen, wenn sie ihren Chef glücklich machen wollten.

Trump gab sich unangreifbar, nun zeigt sich, dass er es ebenso wenig ist wie alle anderen. Seine Partei hat ihm auch in dieser Sache keine Grenzen aufgezeigt, das könnte im Zweifel auf sie zurückfallen. Die beiden infizierten Senatoren etwa, die auch auf der Party für Barrett waren, haben angekündigt, sich nur für zehn Tage in Quarantäne zu begeben, um für Barrett als Richterin am Supreme Court stimmen zu können. Die Infektionsbehörde CDC empfiehlt aber eine Quarantänezeit von 14 Tagen. Nun, da die Öffentlichkeit live verfolgen kann, wie leicht sich das Virus mutmaßlich bei einem einzigen Umtrunk im Weißen Haus verbreitet, wirkt ein solches Taktieren schnell zynisch.

Politischer Stillstand trifft die Gesellschaft

Angesichts der engen und zahlreichen Zusammenkünfte im politischen Washington wäre es ohnehin verwunderlich, wenn nicht noch weitere Ansteckungen dazukämen. Was, wenn das Parlament nicht mehr handlungsfähig ist? Bereits jetzt ist eine Sitzungspause bis zum 19. Oktober angekündigt. Was, wenn das von vielen US-Bürgerinnen und US-Bürgern sehnlich erwartete neue Konjunkturpaket deshalb nicht verabschiedet werden kann? Nicht nur durch Trumps Erkrankung droht ein politischer Stillstand, der die Gesellschaft unmittelbar treffen und den Wahlkampf noch erheblich beeinflussen kann. Auch die parteiinterne Infektionskette, deren Teil Trump offenbar ist, gefährdet die politische Handlungsfähigkeit.

Der Präsident selbst meldete sich am Samstagabend mit einem Video aus dem Krankenhaus, vermutlich auch, um den Schaden der Pressekonferenz zu begrenzen. “Als ich hierher kam, ging es mir nicht so gut”, sagte Trump. Er wirkte blass und sprach mit heiserer Stimme. Inzwischen sei es aber viel besser, sagte der Präsident und ergänzte: “Ich muss ja zurückkommen.” Stabschef Meadows trat bei Fox News auf und erzählte noch einmal ganz offiziell, dass es am Freitagnachmittag doch recht dramatisch gewesen und Trumps Sauerstoffsättigung “rapide” gefallen sei. Das Weiße Haus feilt weiter an der richtigen Inszenierung.

Aber ein Virus lässt sich nicht einfach inszenieren – und Wählerinnen und Wähler lassen sich nicht auf ewig hinhalten. Insofern steht nicht nur Trumps Gesundheit auf dem Spiel, sondern immer stärker auch sein Wahlerfolg.

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