Donald Trump’s Forgotten Children

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Donald Trumps vergessene Kinder

Die USA haben Tausende Familien getrennt, die einwandern wollten. Mehr als 500 Kinder wachsen nun ohne ihre Eltern auf. Im Wahlkampf ist das nur eine Randnotiz.

545 Kinder vermissen ihre Eltern. Verantwortlich sind eine Maßnahme der US-Regierung und die fatale Nachlässigkeit der zuständigen Beamten. Vor drei Jahren begann die Heimatschutzbehörde, Eltern von ihren minderjährigen Kindern zu trennen, wenn sie versuchten, die Grenze zwischen Mexiko und den USA zu überqueren.

Diese sogenannte “Null Toleranz”-Maßnahme sollte Menschen abschrecken, die aus Sicht von Donald Trump unliebsame Wirtschaftsflüchtlinge waren. Dann wurde bekannt, dass US-Beamtinnen und -Beamte Tausende Kinder ihren Angehörigen wegnahmen, darunter auch Zwei- und Dreijährige. Es gab massiven Protest, die Maßnahme wurde eingestellt. Die meisten Kinder konnten mit ihren Familien wiedervereint werden.

Doch unbemerkt von der Öffentlichkeit hatten die Behörden bereits 2017 damit begonnen, Familien zu trennen. Dabei wurden die Angehörigen der Kinder meist im Schnellverfahren zurück in ihre Heimatländer deportiert. Wie sich nun herausstellt, kümmerten sich die Beamten offenbar nicht darum, die notwendige Informationen zu sammeln, um sie wieder aufzufinden. Die Kinder blieben in den USA zurück. Zunächst wurden sie in Lagern und Kinderheimen untergebracht, ein Teil kam später in die Obhut von Pflegefamilien oder anderen Verwandten in den USA.

Ein Richter ordnete an, die Regierung müsse sich dafür einsetzen, die Familien wieder zusammenzuführen. Die Behörden sollten die entsprechenden Unterlagen an die Bürgerrechtsorganisationen ACLU und Justice in Motion weitergeben, damit diese versuchen können, die Familien in Herkunftsländern wie Guatemala, San Salvador und Honduras aufzuspüren.

Das wäre selbst dann eine schwierige Aufgabe gewesen, hätten sich Trumps Beamte die Mühe gemacht, alles sorgfältig zu dokumentieren. In Guatemala etwa leben viele der Gesuchten in abgelegenen Gegenden, wenige sprechen Spanisch. Viele, die vor Gewalt und Bandenkriminalität geflohen waren, leben nach ihrer erzwungenen Rückkehr versteckt. Manche Mütter und Väter, die ihre Kinder zurücklassen mussten, hoffen angesichts ihrer Lebensumstände in der Heimat, dass zumindest ihre Kinder in den USA eine bessere Zukunft haben.

Schließlich machte das Coronavirus die Suche vor Ort nahezu unmöglich. Vergangene Woche zogen die Vertreter der Bürgerrechtsorganisation eine erschreckende Bilanz: Von den 1.500 Kindern, die im Rahmen des “Pilotprogramms” allein in den USA zurückblieben, ist es bei knapp einem Drittel immer noch nicht gelungen, die Angehörigen zu kontaktieren. 545 Kinder leben allein und getrennt von ihren Eltern.

Im Wahlkampf spielen die Kinder kaum eine Rolle

Beim TV-Duell in der vergangenen Woche konfrontierte Joe Biden den Präsidenten damit. Trump erklärte, die Kinder seien gut versorgt und lebten in “sehr sauberen Unterkünften”. Außerdem habe Obama “Käfige” für Migrantinnen und Migranten gebaut. Was Trump “Käfige” nennt, sind Arrestzellen, in denen Flüchtlinge und Migranten vorübergehend untergebracht wurden, wenn sie von Grenzbeamten aufgegriffen wurden. Dort mussten sie bis zu 72 Stunden lang warten, bis ihre Personalien aufgenommen und ihre Anträge auf Asyl eingereicht waren.

Tatsächlich wurden auch unter Obama Minderjährige in Lagern und Heimen untergebracht. Anders als bei Trumps “Null Toleranz”-Maßnahme waren es jedoch Jugendliche, die ohne Angehörige über die Grenze gekommen waren. Genau wie Trump ging Obama hart gegen Migranten vor. In seinen ersten drei Amtsjahren ließ er 1,18 Millionen Menschen abschieben – fast 400.000 mehr als Trump.

Die geringere Zahl der Abschiebungen heißt aber nicht, dass es illegalen Einwanderern unter Präsident Trump besser ergeht als unter seinem Vorgänger. Viele stammen aus Zentralamerika und bitten um Asyl. Deshalb sind die Abschiebungen rechtlich schwieriger. Wer ohne Papiere von der Einwanderungsbehörde ICE verhaftet wird, bleibt bis zum Abschluss des Verfahrens eingesperrt. Teils vergehen Jahre, bis ein Richter eine Entscheidung trifft. Im vergangenen Jahr wurde eine halbe Million Menschen in 200 Haftanstalten interniert, darunter 70.000 Kinder. So viele wie nie zuvor.

Doch bis auf den kurzen Schlagabtausch während des TV-Duells sind die Migrantinnen und Migranten dieses Mal kein großes Wahlkampfthema. Die Pandemie dominiert die Schlagzeilen. Anders als 2016 dreht sich die Debatte um Masken, nicht um die Mauer. Das Schicksal der 545 Kinder ist in den USA nur eine kurze Meldung im endlosen Nachrichtenstrom.

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