Trump Is Gone – Germany Gets 2 New Problems

 

 

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Trump ist weg – und Deutschland bekommt zwei neue Probleme

Am Sonntag haben 15 asiatische Staaten das größte Freihandelsabkommen der Welt abgeschlossen. Nach achtjährigen Verhandlungen unterzeichneten Vertreter aller Staaten den Vertrag in Vietnams Hauptstadt Hanoi. Die „regionale, umfassende Wirtschaftspartnerschaft“ oder RCEP, wie das Abkommen abgekürzt wird, ist ein Riese auch im globalen Maßstab. Es vereint rund 30 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Es umfasst 2,2 Milliarden Menschen.

Mit dem Abkommen sortiert sich das Feld der internationalen Handelspolitik neu – und damit auch die politischen Gewichte auf dem Globus. Bislang gab es drei Platzhirsche: die Europäische Union (EU), die USA und China. Mit RCEP ist nun erstmals ein panasiatisches Kraftzentrum entstanden, das annähernd so mächtig ist wie Brüssel. Die EU macht – bei einer Bevölkerung von nur 450 Millionen Menschen – etwa 33 Prozent der weltweiten Wirtschaftsmacht aus.

Beobachter gehen davon aus, dass sich die Kräfteverhältnisse in den kommenden Jahren noch stärker nach Asien verschieben werden – und die Wirtschaftsleistung von RCEP die der EU übersteigen wird. Für Brüssel heißt das: Es wird kompliziert. Die EU steht nun mehr denn je zwischen zwei Supermächten: den USA und Asien unter Chinas Führung.

Der Abschluss von RCEP ist vor allem ein Triumph für Peking. Die Volksrepublik befindet sich seit 2018 in einem Handelskrieg mit den USA. Donald Trump versuchte, das amerikanische Handelsdefizit mit China durch Strafzölle zu reduzieren – und das Land wirtschaftlich zu isolieren. Decoupling, also Entkoppelung, wird diese Strategie in Washington genannt.

Doch mit dem Abschluss von RCEP tritt nun das Gegenteil ein: China entkoppelt sich nicht. Stattdessen vertieft es mit 14 asiatischen Staaten die wirtschaftliche Integration. Damit kann sich Peking einmal mehr als Verfechter des freien Handels inszenieren – obwohl es an der chinesischen Haltung zum Freihandel Zweifel gibt.

Mit RCEP schließt sich im Asien-Pazifik-Raum eine geopolitische Lücke, die die USA hinterlassen haben. Jahrelang verhandelte Washington mit rund einem Dutzend asiatisch-pazifischen Staaten über das Freihandelsabkommen TPP. Ein – wenn auch unausgesprochenes – Ziel des Pakts war es, Chinas Macht im Asien-Pazifik-Raum einzudämmen.

Doch Donald Trump machte diesem Plan ein jähes Ende. Kurz nach seinem Amtsantritt ordnete der Republikaner, der bilaterale Abkommen bevorzugt, per Dekret den Austritt der USA an. In die Lücke, die die TPP hinterlassen hat, stößt nun RCEP. Das Abkommen zementiert den Machtverlust der USA in Asien – und in der Welt der Zukunft.

In dieser Welt der Zukunft hatten viele eine Nach-Trump-Ära herbeigesehnt – mit der Hoffnung auf Harmonie im transatlantischen Verhältnis. Aber auch Joe Biden wird eine harte Anti-China-Politik fahren. Auf Europa kommt ein neuer Balanceakt zu zwischen den beiden Supermächten zu. Zwischen den USA und China zu balancieren war unter Trump einfacher als unter Biden.

Bedeutung liegt im Abbau von Zöllen

Die praktische Bedeutung von RCEP liegt im Abbau von Zöllen. Das Abkommen legt gemeinsame Handelsregeln fest, etwa für die Bereiche Handel, Dienstleistungen, Investitionen, E-Kommerz, Telekommunikation und Urheberrechte. Zudem erhofft sich die Asien-Pazifik-Region durch die wirtschaftliche Integration eine schnellere Erholung nach der Corona-Pandemie – und damit eine weitere Machtverschiebung von West nach Ost.

Doch RCEP hat auch eine weitreichende geopolitische Bedeutung: Es bindet gleich mehrere Staaten, die sicherheitspolitisch mit Washington verbündet sind, etwa Australien, Japan und Südkorea, in Handelsfragen an Peking. Die Volksrepublik verbucht damit gegenüber den USA, ihrem größten geopolitischen Widersacher, einen Erfolg. Auch das kann als Niederlage des Trumpismus gesehen werden. Trump hatte die traditionellen Allianzen mit Japan und Südkorea ähnlich behandelt wie jene mit Europa – und war auf Konfrontation mit den pazifischen Partnern gegangen.

Allerdings bleibt abzuwarten, ob RCEP die Erwartungen erfüllen wird, die die 15 Staaten mit der Unterzeichnung geweckt haben. Das Abkommen soll im kommenden Jahr ratifiziert werden. Beobachter gehen davon aus, dass es noch Jahre dauern könnte, bis der Pakt komplett in Kraft tritt. Auch die wirtschaftliche Bedeutung des Abbaus von Zöllen ist wohl eher symbolisch. Denn de facto sind die Zölle im innerasiatischen Handel schon jetzt sehr niedrig. Nicht zuletzt wird das Abkommen die politischen Streitigkeiten zwischen China und seinen Nachbarn nicht aus dem Weg räumen.

Viele Nachbarstaaten blicken argwöhnisch auf die Territorialansprüche Pekings im Südchinesischen Meer. Auch mit Australien befindet sich die Volksrepublik in einem kolossalen Konflikt. Zuletzt beschränkte Peking wegen politischer Spannungen sogar die Importe aus Canberra.

Doch die politischen Spannungen zwischen China und seinen Nachbarstaaten sind nicht nur eine Gefahr für die Zukunft von RCEP. Sie haben dem Abkommen auch enge Grenzen gesetzt. Indien beispielsweise, das sich mit China in einem Grenzkonflikt befindet, ist dem Pakt nicht beigetreten. Delhi erhebt derzeit vergleichsweise hohe Zölle. In Indien hätte der Abbau von Zöllen also die größte Wirkung gezeigt.

RCEP ist für China eine Chance, sich als Verfechter des Freihandels zu inszenieren. Peking wird diese Gelegenheit nicht ungenutzt vorüberziehen lassen, sondern sie genussvoll nutzen. Bereits auf dem Weltwirtschaftsforum 2017 in Davos stellte Chinas Präsident Xi Jinping sein Land kurz nach der Wahl von Donald Trump als einen Musterschüler der Globalisierung dar. Beobachter kritisieren die Scheinheiligkeit solcher Inszenierungen. Denn in der Praxis benachteiligt China ausländische Firmen eklatant, etwa beim Marktzugang. Protektionismus zu Hause und offene Märkte überall sonst – so lässt sich die Globalisierung chinesischer Prägung zusammenfassen.

Für die EU erhöht sich mit RCEP der Handlungsdruck. Die Entscheidung von Donald Trump, sich aus TPP zurückzuziehen, hat den Einfluss Pekings in Asien nicht gemindert. Im Gegenteil, mit RCEP geht Peking handelspolitisch besser da als je zuvor. Das wird die chinesische Verhandlungsposition stärken. Brüssel verhandelt mit Peking seit rund sieben Jahren über ein Investitionsschutzabkommen.

Mehr Marktzugang für die EU

Die EU wünscht sich mehr Marktzugang, mehr Zugang zu öffentlichen Beschaffungen und mehr Rechtsschutz für Investoren. Eigentlich sollte das Abkommen noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Doch spätestens seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie stocken die Verhandlungen. Nach dem Abschluss von RCEP könnte Peking den politischen Preis für ein Investitionsschutzabkommen mit der EU in die Höhe treiben.

Eine Lehre aus RCEP lautet: Decoupling funktioniert nicht. Peking ist in der Lage, neue Allianzen in Asien zu schmieden. Zwar hat sich Brüssel nicht an den aggressiven Decoupling-Versuchen Trumps beteiligt. Aber Joe Biden hat angekündigt, mit Europa gegen Chinas unfaire Handelspraktiken vorzugehen.

So groß die Freude über den Demokraten in Brüssel ist: Je mehr die EU den Schulterschluss mit Joe Biden sucht, desto schwieriger wird es, das Investitionsschutzabkommen mit China zu unterzeichnen. Europas Balanceakt zwischen den Supermächten wird nach Trump womöglich noch schwieriger.

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