Trump’s Walls Not That Easy To Tear Down

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Trumps Mauern lassen sich nicht so leicht einreißen

Joe Biden verspricht, als künftiger US-Präsident mit Einwanderern anders umzugehen als sein Vorgänger. Doch Donald Trumps Politik wird das Land noch über Jahre prägen.

Mehr als 600.000 Tonnen Stahl und fast 700.000 Kubikmeter Beton verteilt auf 680 Kilometer. Das ist die vorläufige Bilanz von Donald Trumps einst wichtigstem Wahlversprechen. Eine Mauer wollte er bauen, Mexiko dafür bezahlen lassen, die USA wieder sicher machen. Sicher vor all den “Kriminellen, Vergewaltigern und den Drogen”, die bis dahin ungeschützt über die Südgrenze ins Land kommen könnten, wie er es schon bei seiner Präsidentschaftsbewerbung 2015 sagte. Und bis zum letzten Tag seiner Präsidentschaft am 20. Januar wird weitergebaggert und -gebaut werden, auf einer Regierungsseite kann jeder den Fortschritt betrachten. Baukosten pro Meile Mauer: knapp 20 Millionen Dollar.

Trump wird es vor dem Ende seiner Amtszeit nicht schaffen, seine angekündigte “große, schöne Mauer” an der insgesamt 3.200 Kilometer langen Grenze zwischen den USA und Mexiko fertigzustellen. Das 3.200-Kilometer-Ziel reduzierte er selbst in den vergangenen Jahren immer weiter. Bei seiner Rede zur Lage der Nation im Februar dieses Jahres sagte Trump, die Mauer werde schnell hochgezogen, sprach aber nur noch von rund 500 Meilen, also etwas mehr als 800 Kilometern, die bis zum Januar 2021 fertig werden sollten. Selbst um dieses Ziel zu erreichen, müsste binnen weniger Tage noch einiges an Beton und Stahl verbaut werden.

Und die fertigen 680 Kilometer sind hauptsächlich Ausbesserungen alter, schon bestehender Grenzbarrieren. Neu sind laut Angaben der Grenzschutzbehörde, die US-Medien vorliegen, lediglich ein paar wenige Kilometer. Doch so genau nimmt es Trump dann nicht. Und das würde auch keinen guten Zählerstand hermachen.

Ab dem 21. Januar kann die Grenzschutzbehörde den Kilometerzähler dann wieder von der Webseite nehmen. Der künftige Präsident Joe Biden will eine andere Einwanderungspolitik betreiben. Er hat im Wahlkampf gesagt, dass er keinen Meter der Mauer weiterbauen lassen werde. Doch die vielen Tonnen Stahl lassen sich nicht so leicht abreißen – und das hat Biden auch gar nicht vor.

Trump erließ mehr als 400 exekutive Maßnahmen

Ein offenes Haus Amerika, das geht gegen jede Politik der vergangenen Jahre. Das große Einwanderungsland USA gibt es schon lange nicht mehr. Wenn überhaupt sind noch all jene willkommen, die im Silicon Valley helfen sollen, eine neue Welt zu programmieren.

Die Trump-Regierung war nicht nur durch das plakative Mauer-Bild abweisend gegenüber Einwandererinnen. Kinder, die von ihren Eltern an der Grenze getrennt wurden oder gar nicht mehr auffindbar waren, unwürdige Unterbringungen von illegal eingewanderten Menschen, das Einreiseverbot aus Ländern mit überwiegend muslimischer Bevölkerung, Asylrestriktionen und kaum eine Aufnahme von Geflüchteten: Das sind nur einige Restriktionen des einst verheißenen Landes.

Laut des Migration Policy Institute hat Trump bis Juli dieses Jahres mehr als 400 exekutive Maßnahmen erlassen, um die Einwanderungspolitik der USA zu beschränken. “Es ist unwahrscheinlich, dass eine zukünftige Regierung den politischen Willen und die Ressourcen haben wird, alle diese Änderungen in einem ähnlichen Tempo rückgängig zu machen”, schreiben die Autorinnen Sarah Pierce und Jessica Bolter in ihrem Report.

Obama – “Deporter in Chief”

Bidens künftiger Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas wird viel zu tun haben. Und das auf allen Ebenen. “Die neue Regierung wird vor großen Herausforderungen stehen, um die Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik wieder auf Kurs zu bringen”, heißt es in einem aktuellen Report des Center for Migration Studies, in dem für die vielfältigen Bereiche dieser Politik Vorschläge unterbreitet werden. Denn Trumps Maßnahmen reichen von Tausenden zusätzlichen Grenzschutzbeamten, die eingestellt werden sollten, bis zu höheren Hürden für Visa-Anträge.

Bis zum vergangenen Jahr hatten noch nie so viele Menschen mit einem Visum in den USA studiert und gearbeitet wie unter Trump. Im Juni jedoch stoppte die Regierung die Ausstellung von Arbeitsvisa bis zum Jahresende und begründete das mit der Corona-Pandemie. Die kam Stephen Miller, der als Architekt von Trumps Migrationspolitik gilt, jedoch ganz recht, da er schon immer argumentierte, dass ausländische Arbeiterinnen den USA schaden würden. Seit Trump regiert, haben noch nie so wenige Menschen dauerhaft eine Aufenthaltserlaubnis bekommen.

Als nach der Wahl Joe Bidens Sieg ausgerufen wurde und Tausende in Washington vor dem Weißen Haus feierten, waren viele darunter, die darauf hofften, endlich wieder Besuch aus der Heimat zu bekommen. Tatsächlich hat Biden angekündigt, die vielfach als “Muslim Ban” bezeichneten Reisebeschränkungen aus 13 Ländern – darunter Iran, Irak, Sudan und Nigeria – aufzuheben, und sie rassistisch genannt.

In diesem Jahr wurden noch nie so wenige Flüchtlinge in den USA akzeptiert wie je zuvor. Maximal 18.000 Flüchtlinge hätte Trump aufnehmen wollen. Durch die Corona-Pandemie kamen noch weniger ins Land. Fürs kommende Jahr hätte die Trump-Regierung lediglich 15.000 Menschen die Einreise erlaubt. Im Schnitt wurden bislang 98.000 Menschen pro Jahr als Geflüchtete in den USA aufgenommen. Biden hat angekündigt, 125.000 aufnehmen zu wollen.

Mehr als 850.000 Abschiebungen in 2019

Die nicht erst seit der Präsidentschaft Trumps kontroverse Frage ist, wie die USA künftig mit den Tausenden illegalen Einwandererinnen umgehen sollen, die sich jährlich auf den Weg machen. Im Jahr 2019 wurden knapp 270.000 Menschen abgeschoben. An der Grenze zu Mexiko wurden laut des Pew Research Center die Zahl der Festnahmen verdoppelt, von 396.579 im Jahr 2018 auf 851.508 im vergangenen Jahr.

Das lag auch daran, dass die USA 2019 im Vergleich zu Trumps ersten beiden Amtsjahren wieder einen starken Zulauf an der Grenze erlebten. Vor allem Menschen aus El Salvador, Guatemala und Honduras flüchten vor Gewalt und Armut. Es wird erwartet, dass mit dem Ende von Trumps Amtszeit und nach dem Ende der Corona-Pandemie noch mehr Menschen vor allem aus dem südlichen Lateinamerika versuchen werden, in die USA einzureisen.

Abschiebungen gehören zur US-Politik. Wenn auch stolz auf ihre Geschichte als Einwanderungsland und melting pot verschiedenster Nationen, haben die USA den Zugang für Ausländerinnen immer schon begrenzt und reguliert. Trumps Vorgänger Barack Obama stand seitens progressiver Gruppen als “Deporter-in-chief”, als oberster Abschieber in der Kritik. Während seiner Präsidentschaft wurden mehr als drei Millionen Menschen abgeschoben, mehr als je zuvor. Trump hat das Thema mit seiner Mauer-Symbolik als weiteren Baustein genutzt, um seiner weißen Wählerschaft eine andauernde Vormachtstellung zu versprechen.

Die Zukunft der Dreamer

Daher ging es in Trumps Politik auch um alle Bereiche der Einwanderung: die illegale an der Südgrenze des Landes, die legale über Visa und Asyl sowie die Frage, wie mit den geschätzten 10 bis 12,5 Millionen Menschen umzugehen ist, die ohne Papiere in den USA leben. Sie werden auch von Republikanerinnen stillschweigend akzeptiert, weil sie zum Großteil die schlecht bezahlten Jobs in Landwirtschaft und Serviceindustrie unter schlechten Bedingungen machen. Das Land braucht sie, denn US-Amerikanerinnen sind nicht bereit, diese Arbeit zu machen.

Obama verschaffte denjenigen unter ihnen, die als Kinder ins Land gekommen waren, mit dem Deferred Action for Childhood Arrivals-Programm (Daca) eine Sicherheit. Darunter durften die sogenannten Dreamer nicht abgeschoben werden. Trump wollte das Programm abschaffen lassen, scheiterte aber am Supreme Court. Der bemängelte jedoch lediglich Formalien und urteilte nicht über das Programm an sich. Die Regierung nahm daraufhin keine Anträge mehr für Daca an. Biden, Obamas Vizepräsident, hat angekündigt, es wieder ins Leben zu rufen.

Trump hofft außerdem, noch vor seinem Ausscheiden aus dem Amt alle Menschen ohne Papiere in den USA vom Zensus ausschließen zu können. Auf dessen Grundlage wird bestimmt, wie viele Abgeordnete im Repräsentantenhaus sitzen. Es wäre vor allem aus republikanischer Sicht eine Wahlmanipulation zu eigenen Gunsten, wenn etwa das demokratische Kalifornien, in dem sehr viele illegale Einwandererinnen leben, dadurch weniger Sitze zugesprochen bekäme. Gegen diesen Plan der Trump-Regierung lag eine Klage beim Obersten Gerichtshof vor. Die konservative Mehrheit des Gerichts entschied kurz vor Weihnachten, noch nicht über diese Frage urteilen zu können. Was Trump die Möglichkeit geben könnte, sein Vorhaben noch umzusetzen. Doch Menschenrechtsgruppen haben bereits weitere Klagen angekündigt.

Biden steht als neuer Präsident nicht nur vor der Aufgabe, sich durch alle exekutiven Maßnahmen Trumps zu arbeiten und zu entscheiden, mit welcher Priorisierung er etwas rückgängig macht oder beibehält. Er muss seinen eigenen Weg für dieses emotionale Thema finden. Laut einer Gallup-Umfrage vom Juli befürwortet eine Mehrheit der Befragten Einwanderung in die USA. Doch die 77 Prozent sind mehrheitlich Demokratinnen. Republikanerinnen sehen Einwanderung sehr viel skeptischer.

Anfang des Jahres hatten heftige Winde einige Abschnitte des Grenzzauns in Kalifornien umgeweht. Doch nach vier Jahren Trump sind es nicht Beton und Stahl, die die Einwanderungspolitik entscheidend geformt haben. Es sind Hunderte Verordnungen, die Trump am Kongress vorbei erlassen hat. Eine Mauer aus Papier, die Menschen daran hindern soll, in die USA zu kommen. Egal auf welchem Weg.

Kurz vor Weihnachten kündigte das Biden-Team an, die von Trump verhängten Restriktionen in Bezug auf Asylanträge nicht sofort rückgängig machen zu wollen. Dies könne leicht missverstanden werden und einen Ansturm auf die Grenze auslösen, der gerade in Covid-Zeiten zu einer humanitären Krise führen könne.

Und selbst wenn die künftige Biden-Regierung mit der Zeit alle Maßnahmen rückgängig machen wollen würde, und einige werden auch unter einem demokratischen Präsidenten bleiben: Donald Trumps Entscheidungen werden das Einwanderungsland Amerika über Jahre weiter prägen. Und zum Status quo vor Trump zurückzukehren, wird für Joe Biden nicht reichen, um den Herausforderungen der Einwanderungspolitik zu begegnen.

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