Donald Trump übergibt seinem Nachfolger ein Land in schlechtem Zustand. Selten hatte es ein neuer US-Präsident mit einer solchen Ballung von inneren und äußeren Krisen zu tun. Deshalb muss Joe Biden vor allem auf sein Team setzen.
Es ist das zweite Mal in Folge, dass ein demokratischer Präsident das Amt in einer tiefen Krisenzeit von seinem republikanischen Vorgänger übernimmt. Barack Obama erbte 2008 eine Weltfinanzkrise von seinem Vorgänger George W. Bush, die ihren Ausgang in den USA genommen und Amerika und den Rest der Welt in eine wirtschaftliche Depression geschickt hatte. Im Falle von Joe Biden muss man nun eher von einem ganzen Krisencluster reden, den Donald Trump ihm hinterlässt.
Die Wirtschaft liegt wegen Corona erneut darnieder, das Staatsdefizit hat ein bisher unbekanntes Ausmaß angenommen, zusätzlich hält die medizinische Krise aber weiter an. 400.000 Menschen sind in den USA bisher an Covid-19 gestorben, jeder Tag bringt neue Höchststände bei den Todeszahlen, und die Infektionsrate bleibt ebenfalls anhaltend hoch. Biden hat zwar ein angesehenes Expertengremium zusammengestellt, dass die Pandemie effektiver bekämpfen soll. Und es ist auch höchste Zeit, dass wissenschaftliche Vernunft im Weißen Haus wieder Gehör findet.
Es dürfte Biden jedoch schwerfallen, landesweit härtere Maßnahmen zur Eindämmung durchzusetzen. Nicht nur, weil vieles davon in die Zuständigkeit der Bundesstaaten fällt. Sondern auch, weil die hartnäckige Verharmlosung von Corona durch Trump dazu geführt hat, dass das Land bei diesem Thema nun ebenfalls gespalten ist. Viele Konservative erkennen weder den Ernst der Lage an noch sind sie bereit, Lockdowns und soziale Distanzregeln zu akzeptieren.
Biden muss vergraulte Beamte zurückholen
Doch das sind bei Weitem nicht die einzigen gravierenden Probleme, die Biden sich ab Tag eins seiner Amtszeit gegenübersehen wird. Trump hat die Institutionen politisiert, das Vertrauen in sie erschüttert und den Regierungsapparat geschwächt, weil er in viele Positionen unqualifizierte Jasager gesetzt und hoch qualifizierte Karrierebeamte verjagt hat. Biden muss nun das Vertrauen in die Unabhängigkeit zentraler Institutionen, wie etwa das Justizministerium und die Geheimdienste, wiederherstellen und einer demoralisierten Verwaltung das Gefühl zurückgeben, eine patriotische Bestimmung zu haben, die über einen bloßen Job hinausgeht.
Die etwa 4000 politischen Leitungsposten zu besetzen, die bei Regierungswechseln in den USA ausgetauscht werden, ist schwer genug – auch, weil ein guter Teil davon vom Senat bestätigt werden muss. Zusätzlich muss Biden versuchen, fähige Karrierebeamte zurückzuholen, die unter Trump frustriert hingeschmissen hatten.
Dazu kommt noch ein besorgniserregender Niedergang der politischen Kultur. Die USA waren schon vor Trump ein politisch hoch polarisiertes Land. Nach vier Jahren ist diese Polarisierung nun zu einem explosiven Gemisch geworden. Trumps Lügen über den angeblichen Wahlbetrug, der Schuld an Bidens Sieg sein soll, wird die politische Kultur Amerikas noch über Jahre hinaus vergiften und wahrscheinlich dazu führen, dass ein guter Teil der harten Trump-Fans Biden auch in Zukunft für einen illegitimen Präsidenten hält. Das wird den Job Bidens nicht einfacher machen, Kompromisse mit dem politischen Gegner zu finden, was angesichts der denkbar knappen Mehrheit der Demokraten im Senat notwendig sein wird.
Eine der größten Herausforderungen stellt jedoch die Aufarbeitung der Trump-Jahre dar. Die waren so voller Normverletzungen, dass ein demokratisches Gemeinwesen die vielen Vorwürfe schon allein aus Gründen der politischen Hygiene aufklären muss, um zukünftige Präsidenten abzuschrecken, Ähnliches zu tun. Korruption, Machtmissbrauch, Justizbeeinflussung, Druck auf Wahloffizielle, Aufruf zum Umsturz – das alles muss juristisch verfolgt werden, wofür auf Bundesebene das Justizministerium zuständig ist. Das wird Biden dem Verdacht aussetzen, die Justiz aus politischen Gründen zu instrumentalisieren, egal wie berechtigt die Ermittlungen in der Sache sein werden.
Aber die parlamentarische Aufarbeitung der Trump-Jahre ist ebenfalls mit Risiken verbunden. Das zeigt sich gerade bei der Frage, wann der Senat das Impeachment gegen Trump abhalten soll. Biden hat ein Interesse daran, möglichst schnell zentrale Posten seiner Regierung vom Senat bestätigen zu lassen. Das wird aber rein logistisch nicht machbar sein, wenn die Zeit der Senatoren mit dem Amtsenthebungsverfahren belegt ist.
Und eine aggressive Aufklärung in Untersuchungsausschüssen wird die Polarisierung weiter vertiefen und es schwerer machen für Biden, die Republikaner im Kongress zu Kompromissen zu bewegen, an denen er gerade im Senat schwer vorbeikommen wird. Aufklärung mag demokratisch geboten sein, sie wird Bidens politischen Gestaltungsspielraum aber merklich einschränken.
Auch in der Außenpolitik steht Biden vor großen Aufgaben. Er muss viel Vertrauen bei den Partnern zurückgewinnen und Zweifel an Amerikas Fähigkeiten zerstreuen, die traditionelle Führungsrolle, die Trump hat schleifen lassen, wieder einzunehmen. Trump hat den Chinesen zu viel Chancen eröffnet, ihren Einfluss in der Welt auszudehnen. Das dilettantische Management der Corona-Krise hat zudem dazu geführt, dass Amerika gegenüber dem asiatischen Riesenreich auch wirtschaftlich weiter an Boden verloren hat. Biden muss nun den Macht- und Ansehensverlust Amerikas in den vergangenen vier Jahren eindämmen und versuchen, ihn rückgängig zu machen.
Jede einzelne dieser Krisen zu meistern wäre schwierig, alle zusammen hingegen sind ein Schritt zum Nervenzusammenbruch. Zumal Biden mit seinen 78 Jahren nicht mehr im Zenit seiner physischen und geistigen Fähigkeiten steht. Der neue Präsident ist deshalb auf ein gutes Team angewiesen. Sein zukünftiges Kabinett weist da in die richtige Richtung, Biden hat viele angesehene Fachleute mit Teils langer Regierungserfahrung nominiert.
Auch das ist ein deutlicher Kontrast zu seinem Vorgänger. Trump hat sich stets lustig gemacht über Expertentum und Fachwissen. Und je länger seine Regierung andauerte und je mehr Leute sie verließen oder hinausgeworfen wurden, desto geringer wurde auch die Qualität des Personals, das Trump an ihre Stelle setzte. Mit Biden kehren nun die Experten zurück. Sie werden alle Hände voll zu tun haben, um die Folgen von Trumps Amtszeit und seiner Elitenverachtung zu bekämpfen.
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