Finally, There’s Trust Again

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“Amerika ist wieder da”, verkündet der neue US-Präsident Joe Biden. Er möchte das transatlantische Bündnis erneuern. Kann er dabei auf die Europäer zählen?

Die Welt blickt nach Washington, immer wenn dort ein neuer Präsident in sein Amt eingeführt wird. Selten aber, wahrscheinlich nie, wurde ein 20. Januar rund um den Globus so herbeigesehnt, ja herbeigezittert wie in diesem Jahr. Nur kein Unheil mehr auf den letzten Metern der Trump-Präsidentschaft! Nur endlich Schluss mit diesen fürchterlichen vier Jahren!

Das hoffen zumindest Amerikas alte Verbündete, allen voran die Europäerinnen und Europäer. Sie wünschen sich, dass Joe Biden ihnen – möglichst schon von den Stufen des Kapitols – zuruft: “Amerika ist wieder da: Ihr könnt auf uns zählen.” So hat er es selbst einmal formuliert. Biden hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass er die Vereinigten Staaten den Verbündeten gegenüber in der Pflicht sieht. Nun setzen die Alliierten darauf, dass er sein Versprechen einlöst.

Gleich am ersten Tag seiner Amtszeit wollen die USA zum Pariser Klimaschutzabkommen zurückkehren. Das hat Joe Biden vor knapp einem Jahr in einem Grundsatzartikel über seine Außenpolitik angekündigt. Auch der Weltgesundheitsorganisation (WHO) will seine Regierung wieder beitreten. Und ebenfalls will sie ihre Unterschrift unter dem Atomvertrag mit dem Iran erneuern, vorausgesetzt, Teheran hält sich seinerseits an die Vereinbarungen.

Weit oben auf Bidens Agenda, da besonders dringlich, steht auch die Verlängerung des 2010 von Barack Obama ausgehandelten New-Start-Vertrags über strategische Atomwaffen. Das Abkommen mit Russland ist das letzte verbliebene bedeutende Rüstungskontrollabkommen zwischen den beiden Ländern. In zwei Wochen, am 5. Februar, läuft es aus. Bliebe es dabei – die gesamte Abrüstungsarchitektur, die seit Ende der Sechzigerjahre von den Führungen der beiden nuklearen Supermächte mühevoll Baustein um Baustein errichtet wurde, wäre in sich zusammengestürzt. Und das in einer Zeit, da Atomkriege eher wieder wahrscheinlicher geworden sind.

Jede einzelne Entscheidung – vom Klima bis zu den Nuklearwaffen – wäre ein bedeutender Schritt auf dem langen Weg Amerikas zurück zu außenpolitischer Berechenbarkeit. Endlich könnte damit auch Vertrauen zurückkehren in die transatlantischen Beziehungen, die unter Donald Trump auf den Hund gekommen sind. Die Nato fand er entbehrlich, in der EU sah er eine Gegnerin der USA. Vier weitere Jahre Trump – und vom Bündnis zwischen Amerika und Europa wäre nicht viel geblieben.

Joe Biden, der seit mehr als vierzig Jahren Außenpolitik betreibt, ist ein überzeugter Transatlantiker. Und er ist ein Multilateralist, der um den Wert von Allianzen und Verträgen weiß. Die EU-Kommission begrüßte den neugewählten Präsidenten Anfang Dezember mit einer “EU-US Agenda für globalen Wandel”, in der sie “gemeinsame Geschichte, gemeinsame Werte und gemeinsame Interessen” beschwor.

Ein hoffnungsvoller Neubeginn

Das waren die Worte. Und die Taten? Am vorletzten Tag des Jahres vereinbarte die EU auf Druck der deutschen Ratspräsidentschaft ein Investitionsabkommen mit China – gegen den ausdrücklichen Wunsch der kommenden Regierung in Washington. Eines der wichtigsten außenpolitischen Ziele der Biden-Administration wird es sein, eine gemeinsame Antwort des Westens auf das auftrumpfende autoritäre Regime in Peking zu finden. Eine einheitliche Haltung nicht nur bei Handel und Investitionen, sondern ebenso bei den Verletzungen der Menschenrechte, der Demontage der Demokratie in Hongkong, der Zwangsarbeit in Xinjiang, den Drohungen gegen Taiwan oder der Militarisierung des Südchinesischen Meers.

Auch die EU hat Chinas Repression im Inneren und seine Aggressivität nach außen stets wortreich beklagt. Doch in dem Augenblick, da sie mit Amerika gemeinsam handeln könnte, sieht sie allein die eigenen wirtschaftlichen Vorteile. Ein unbegreiflicher strategischer Fehler.

Dabei hatte die Kommission in ihrer “Agenda für globalen Wandel” gerade noch von einer “gemeinsamen Verpflichtung” geschrieben in einer Welt, “in der autoritäre Mächte Demokratien unterwandern wollen, aggressive Akteure Regionen und Institutionen zu destabilisieren versuchen, und abgeschlossene Volkswirtschaften die Offenheit ausnutzen, auf der unsere Gesellschaften beruht”. Worte eben.

Wird sich die EU als ähnlich unzuverlässige Partnerin erweisen beim zweiten großen außenpolitischen Vorhaben der Biden-Administration? Gleich im ersten Jahr seiner Amtszeit will der neue Präsident zu einem Gipfel für Demokratie einladen. Er möchte die Demokratien der Welt zusammenbringen und sich gemeinsam mit ihnen auf drei Ziele verpflichten: Kampf gegen die Korruption, Abwehr des Autoritarismus und Einsatz für die Menschenrechte. Auch hier: In ihrer “globalen Agenda” hat die EU dem Plan applaudiert. Man wird sehen, wie sie handelt, wenn es konkret wird.

Europa und Amerika sind unter Donald Trump einander fremd geworden. Ein Prozess, der schon viel früher begonnen und sich in der Präsidentschaft George W. Bushs beschleunigt hatte. Und der sich natürlich fortsetzen kann, wenn beide Seiten die alte Freundschaft verkümmern lassen.

Aber zunächst einmal ist dieser 20. Januar ein guter Tag. Ein hoffnungsvoller Neubeginn nach vier verlorenen Jahren. Ob es bei der Hoffnung bleibt, entscheidet sich jedoch nicht allein in den Vereinigten Staaten. Verspielen die Europäer die Chance, die sich ihnen mit der Regierung Biden bietet, dann viel Glück. Ein zweiter Donald Trump wird sich rasch finden.

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