Anyone Who Demands National Solo Efforts Should Look to Texas

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Ausgerechnet im Ölstaat Texas fällt tagelang der Strom aus, bei bitterer Kälte. Der US-Staat hat ein abgeschottetes Stromnetz, das keine Importe zulässt. Das Beispiel zeigt, dass Europa beim Ausbau der internationalen Stromnetze nicht stehen bleiben darf.

Wie geht das? In einem der größten Öl und Gas produzierenden Staaten der Erde fällt der Strom aus. Nicht für ein paar Stunden, sondern für Tage. Nicht von Venezuela ist die Rede, sondern von Texas. Mitten in einem außergewöhnlich harten Winter sind fast fünf Millionen Menschen betroffen, verfeuern ihre Möbel oder sitzen bei laufendem Motor in ihren Autos, um nicht zu erfrieren.

Je nach Einstellung und Interessen werden Schuldige ausgemacht. Klimaforscher verweisen auf die Aufheizung der Arktis, die den paradoxen Effekt hat, kalte Luft nach Süden zu lenken. Richtig, aber in Deutschland, das auch davon betroffen wurde, fallen zwar Züge aus, der Strom fließt aber noch. Kritiker alternativer Energien verweisen darauf, dass Texas seit 1999 verstärkt auf Windkraft setzt. Richtig, einige Windräder sind eingefroren, aber Gaspipelines und Gaskraftwerke versagten auch. Sogar ein Atomreaktor musste wegen der Kälte vom Netz genommen werden.

Linke machen den Kapitalismus verantwortlich. Texas hat einen völlig deregulierten Strommarkt, der dafür sorgt, dass Texaner nur halb so viel für Strom zahlen als Kalifornier. Dafür haben die Stromversorger bei den Reservekapazitäten gespart. Die Rechnung bekommen die Konsumenten jetzt. Allerdings gehen auch in Kalifornien, wo der Strommarkt stärker reguliert ist, die Lichter bei den häufiger werdenden Waldbränden, Hitzewellen und Stürmen immer wieder aus.

Der wichtigste Grund für die Katastrophe dürfte sein, dass Texas sein eigenes, autonomes Stromnetz hat und den kältebedingten Mehrbedarf nicht durch Importe decken konnte. In Europa gibt es zum Glück das Europäische Verbundsystem: ein Stromnetz, das alle EU-Mitglieder außer den skandinavischen Staaten und Zypern und darüber hinaus die Türkei, Marokko, Tunesien und Algerien verbindet. Das System ist zwar nicht perfekt, liefert aber zuverlässiger Strom als jedes andere.

„Wozu Atomkraft? Bei uns kommt der Strom aus der Dose!“ So lautete eine von der Atomlobby ausgeheckte Parole gegen die verbreitete „Atomkraft? Nein danke!“-Plakette. Heute könnte man gegen die neuen Nationalisten sagen: „Wozu Europa? Bei uns kommt der Strom aus der Dose.“ Wer nationalen Alleingängen das Wort redet, sollte nach Texas schauen. Wenn es bald Smart- und Supernetze geben soll, um Windkraft von der Nordsee und Solarenergie aus Algerien nach München, Stuttgart, Prag oder Budapest zu bringen, ist erst recht der Supranationalismus gefragt. Der Strom kennt keine Grenzen – oder sollte sie nicht kennen. Der Klimawandel nämlich auch nicht.

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