He Can’t Get Rid of Him

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Er wird ihn nicht los

Joe Biden spricht auf CNN erstmals als US-Präsident mit Bürgern. Es geht um die Corona-Pandemie und die Konjunktur. Doch die Schlagzeilen sind wieder bei Donald Trump.

Ob es Zufall war oder zufällig gut geplant – Donald Trump schaffte es, US-Präsident Joe Biden in die Quere zu kommen. Biden hatte sich zu einer ersten wichtigen Amtsreise aufgemacht. Er war in den US-Bundesstaat Wisconsin geflogen, um auf CNN live zur besten Sendezeit ein Townhall zu absolvieren, einen Bürgerdialog. Bevor der neue Präsident jedoch über seine Covid-Strategie sprechen konnte, äußerte sich sein Vorgänger im Weißen Haus. Und Donald Trump tat, was er wohl mit am besten kann: Er griff seine Gegner an.

In diesem Fall heißt der Gegner Mitch McConnell. Lange Zeit war der Minderheitsführer der Republikaner im Senat ein Freund Donald Trumps, kein Feind. Doch nach der verlorenen Wahl kühlte das Verhältnis langsam ab. Jetzt, nach dem gescheiterten Amtsenthebungsverfahren gegen Trump, ist es frostig. McConnell hatte zwar gegen eine Verurteilung gestimmt, Trump aber danach moralisch für den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar verantwortlich gemacht.

So etwas lässt Trump nicht auf sich sitzen. Er forderte in einem Statement am Dienstagabend die Absetzung McConnells, nannte ihn einen “mürrischen Nichtsnutz” und sagte, er würde die Republikaner im Senat zerstören. Nach seinem Freispruch ist Trump offensichtlich nicht gewillt, seinen Einfluss auf die Partei zugunsten seines Golfspiels aufzugeben. Der Machtkampf bei den Konservativen wird nun offen ausbrechen. Selbst eine Aufspaltung der Partei scheint nicht mehr ausgeschlossen zu sein.

Bloß keine Spontaneität

Joe Biden wird auch in Zukunft mit der ein oder anderen Trump-Schlagzeile leben müssen. Er selbst will dazu nicht beitragen. Das sagte er offen in Milwaukee, wo er gemeinsam mit CNN-Moderator Anderson Cooper auf der Bühne eines Theaters stand. Nur einige wenige Bürger saßen im Zuschauerraum und stellten Fragen.

“Vier Jahre lang war alles, was in den Nachrichten war, Trump. Die nächsten vier Jahre möchte ich sicherstellen, dass es in allen Nachrichten um das amerikanische Volk geht”, sagte Biden. Das Problem an diesem Wunsch liegt jedoch nicht nur darin, dass Trump mit seinen Handlungen immer noch die Schlagzeilen bestimmen kann, sondern dass Bidens größte Aufgabe die Bewältigung einer Krise ist, die ihm Trump hinterlassen hat.

Schwerpunktmäßig ging es bei den Fragen der Bürgerinnen und Bürger um die Corona-Pandemie und wie das Land sie endlich bewältigen könne. CNN hatte die Amerikaner, die zu Wort kamen, nicht nur entsprechend der Bevölkerung divers ausgesucht, sondern ganz offensichtlich auch die Fragen vorformuliert. Ein bisschen mehr Authentizität, die das Format in seinem Ursprung verspricht, hätte gut getan. Aber Spontaneität ist im Live-Fernsehen gefährlich.

Wohlfühlprogramm statt Winterstürme

So ging es in den teils gestelzten Fragen um die Impfstrategie, um das angekündigte 1,9 Billionen Dollar umfassende Corona-Hilfspaket und um die Frage, wann es endlich vorbei sein könnte mit dem Social Distancing. Das waren Fragen, die Amerikanerinnen soft ball nennen – sanft geschossen, leicht zu beantworten. Biden hatte keine Mühe damit, die richtigen Worte zu finden. Es mag, was Ausdruck und Entschlossenheit angeht, nicht sein bester Auftritt gewesen sein. Aber um Altbekanntes zu wiederholen, brauchte er auch keine Topform zu liefern.

600 Millionen Impfdosen würden bis Juli bereitstehen und es sei an der Zeit, viel Geld für die Corona-Hilfen – die noch nicht beschlossen sind – in die Hand zu nehmen. Nein, Amerikaner dürften nicht eine Stunde und länger anstehen, weil sie nicht genug Geld für Lebensmittel hätten. Ja, er stehe zu einem Mindestlohn von 15 Dollar, aber es gehe darum, ihn Schritt für Schritt zu erreichen. Das ist nicht neu. Aber in diesen ersten Wochen seiner Amtszeit geht es Biden darum, den Bürgerinnen zu versichern: Hier steht nun ein Präsident im Weißen Haus, der sich kümmert. Natürlich versprach Biden dann auch der Mutter, die sich um die Impfung ihres chronisch lungenkranken Sohnes sorgte, dass er sich persönlich kümmern werde.

Die Ehre des Amtes

Anständig sein, gut miteinander umgehen, die Gemeinsamkeiten sehen – das waren und sind Bidens Antworten auf die Polarisierung im Land. 67 Prozent der Bevölkerung unterstütze seinen Covid-Plan, sagte der US-Präsident. Soll seine Präsidentschaft erfolgreich sein, muss Biden sehen, dass er diesen jetzt auch umsetzt.

Als Zuschauerin konnte man am Ende dieser Stunde beruhigt schlafen. Es gab keine Aufreger und keine Aussetzer. Dass an diesem Abend Millionen Amerikaner das Wohlfühlprogramm nicht schauen konnten, weil sie aufgrund von heftigen Winterstürmen teils schon mehr als einen Tag lang ohne Strom ausharren, war kein Thema – obwohl das wichtig gewesen wäre. Um über Klimawandel und Infrastruktur in den USA zu sprechen. Und um die Realität zu betrachten. Sie zeigt, dass etwa in Texas, einem der energiereichsten Bundesstaaten des Landes, der Strom nicht für alle Bürger reicht, sobald das Wetter einmal von der Norm abweicht.

Das Thema hätte dann aber wohl doch zu sehr auf die Stimmung gedrückt und zu viele komplizierte Fragen aufgeworfen. Moderator Anderson Cooper fragte also zum Schluss lieber danach, wie es sich so anfühlt, als Präsident im Weißen Haus. Eine Wohlfühl-Frage. Da konnte Biden noch einmal über die Ehre des Amtes sprechen und die Einrichtung des Oval Office. Für die Schlagzeilen, die sich Joe Biden wünscht, braucht es mehr als das.

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