Kampf ums Kapitol, Teil zwei
Joe Bidens Ausgabengesetze erreichen den Kongress, wo der Senat tatsächlich einen Kompromiss erarbeitet. Aber Vorsicht: Beschlossen ist noch lange nichts.
Am 6. Januar wurde der US-Kongress zur Richtstätte der amerikanischen Demokratie. Der Mob, der an diesem Tag den Sitzungssaal des Repräsentantenhauses stürmte, schlug den Zündstein unter dem vom Trumpismus aufgehäuften Scheiterhaufen. Das politische System der USA hätte in Flammen aufgehen können, die aufgepeitschte Stimmung im Land ließ jedenfalls Schlimmstes befürchten.
Dann, ein halbes Jahr später, die letzte Juli-Woche: Im selben Parlament tritt ein Untersuchungsausschuss zusammen, der die Vorfälle ordnen soll. Polizisten berichten unter Tränen von den dramatischsten Stunden ihres Lebens. Das wird selbst die härtesten Konspirateure erreicht haben.
Wenige Tage später gelingt dem Parlament, was seit vielen Jahren kaum mehr möglich gewesen war: Ein Kompromiss wird geschlossen. Demokraten und Republikaner einigen sich auf ein Verfahren für ein Infrastrukturgesetz im Wert von einer Billion Dollar. Beide Termine stehen für den Triumph der Demokratie über den polarisierenden Eifer, der zu lange schon das Washingtoner System vergiftet.
Allerdings muss man schon genauer hinsehen, denn Demokratie entscheidet sich im Kleingedruckten, nicht in den großen Lettern der Populisten. Das Infrastrukturgesetz ist ein Scheinriese, die Hälfte der gewaltigen Summe findet sich schon längst in der Haushaltsplanung. Und viel problematischer: Präsident Joe Biden will die Ausgabenspritze doppelt verabreichen. Neben dem Infrastrukturpaket für die harten Objekte – Straßen, Eisenbahnen, Brücken, Häfen – schlägt er ein zweites Paket in mehr als dreifacher Höhe für die weichen Ziele vor: Sozialprogramme, Bildung, Vorschule, Elternzeit. Um die Sache vollends kompliziert zu machen: Der gewaltige Batzen für die Klimapolitik wanderte vom harten ins weiche Paket.
Es bleibt also Bidens Geheimnis, wie er seine doppelte Aufbauspritze für die USA verabreichen will
Nun braucht es wenig Fantasie, die Zustimmungsbereitschaft der Republikaner zu diesem zweiten Paket zu erkennen. Es bleibt also Bidens Geheimnis, wie er seine doppelte Aufbauspritze für die USA verabreichen will, zumal auch der linke Kern seiner Demokraten-Fraktion die Zustimmung zu Paket eins an die Annahme des zweiten Pakets gekoppelt hat. Der Kongress steht also vor der perfekten Blockade. Im Herbst wird es vermutlich so weit sein.
Biden, der immer häufiger mit sprachlichen Schludrigkeiten auffällt, hängt an der Vorstellung eines Senats voller Ehrenmänner und Ehrenfrauen, so wie er die Kammer im vergangenen Jahrhundert selbst erlebt hat. Da musste man sich nur tief in Augen schauen, mal geben, mal nehmen – und schon stand der Kompromiss. Aber diesen Senat gibt es schon lange nicht mehr. Die parteiübergreifende Koalition für Paket eins kam deswegen zustande, weil nach klassischer Manier das Füllhorn über die Wählerschaft der Senatoren ausgeschüttet wurde. Paket zwei ist hingegen ideologisch beladen, da geht es um den Urkonflikt im US-Parteienlager, um den starken oder schwachen Staat, die Freiheit der Bürger und vermeintliche gleichmacherische Tendenzen und das Gespenst des Sozialismus.
Biden weiß, dass ihm vermutlich nur das erste Amtsjahr bleibt, um die Erinnerung an den Vorgänger zu tilgen und das Pflänzchen Anstand und Ehrlichkeit zu ziehen, das dann dem nächsten Populistensturm standhalten muss. Dieses Pflänzchen wurde nun in der letzten Juli-Woche in die Erde gebracht. Der Präsident wird zu großen Kompromissen bereit sein müssen, damit es nicht bis Herbst wieder zertrampelt ist.
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