To Tax the Rich or Not?

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Joe Biden wollte die USA sozialer machen. Doch Republikaner und rechte Demokraten leisten Widerstand, der Geldadel sitzt wie bei der Met-Gala symbolisch mit am Tisch.

Die jährliche Gala des Metropolitan Museum, die vergangene Woche stattfand, ist das größte gesellschaftliche Ereignis New Yorks. Etwa 35.000 Dollar kostet ein Einzelticket, Sponsoren zahlen bis zu 300.000 Dollar für einen Tisch. Zu den Gästen gehören Promis wie die Reality-TV-Kardashians, Hollywoodstars wie Jennifer Lopez und Supermodels wie Valentina Sampaio. Dieses Jahr sorgte allerdings eine Volksvertreterin für die größten Schlagzeilen. Alexandria Ocasio-Cortez, bekannt unter ihrem Kürzel AOC, marschierte über den roten Teppich, angetan mit einem strahlend weißen Ballkleid, auf dem in knallroten Lettern zu lesen stand: “Tax the Rich”.

Ihre Fans – darunter mein 14-jähriger Sohn – beklatschten AOCs politischen Publicity-Stunt. Besteuert die Reichen, diese Botschaft habe die selbst erklärte demokratische Sozialistin den Betuchten direkt vor Augen geführt. So wie es aussieht, wird es eine leere Drohung bleiben.

Dabei war das Versprechen, die Wohlhabenden des Landes stärker zur Kasse zu bitten, eines der wichtigsten Wahlversprechen der Demokraten. Auch von Joe Biden. Ein Plan, der bei US-Wählern mehrheitlich gut ankommt, wie Umfragen belegen.

Milliardäre dürften weiter Steuern vermeiden

Versprochen hatte Biden die Umkehr eines Trends, der mit Ronald Reagans “Revolution” vor 40 Jahren startete. Reagan verteufelte den Staat und die Steuern, mit denen er finanziert wird. Steuern hinderten Wachstum und Wohlstand, dämpften den Unternehmergeist und die Arbeitsmoral. Befreit von dieser Last würde die Wirtschaft derart aufblühen, dass die staatlichen Mindereinnahmen dadurch mehr als wettgemacht würden.

Diese Supply-Side-Magie erwies sich als Illusion. Was jedoch Republikaner und auch sogenannte gemäßigte Demokraten nicht daran hindert, den Trick bis auf den heutigen Tag zu versuchen. Die Steuersenkungen von George W. Bush und schließlich Donald Trump machten die USA zu einer Steueroase für Konzerne und Milliardäre, die Schweizer vor Neid erblassen ließ. Im Juni gab es einen Aufschrei, nachdem ProPublica, eine journalistische NGO, Steuererklärungen wohlhabender Amerikaner analysierte, die den Reportern dort zugesteckt worden waren. Demnach zahlten die Reichsten zwischen 2014 und 2018 gerade mal 15 Prozent an Steuern an den Bund.

Amazon-Gründer Jeff Bezos, laut dem Forbes-Magazin mit aktuell 200 Milliarden Dollar der reichste Mann der Welt, erhielt sogar eine Steuergutschrift für seine Kinder.

Während Milliardäre Vergnügungsreisen ins All unternähmen, empörte sich jüngst Elizabeth Warren, könnten sich normale Amerikaner die Kinderbetreuung nicht mehr bezahlen und die Brücken und Straßen im Land zerfielen. “Die Milliardäre sagen, das ist euer Problem, nicht ihres. Da läuft etwas grundlegend falsch!”

“Mittelschicht” mit fünf Millionen Dollar Einkommen

Die Senatorin legt den Finger in die Wunde. Bidens 3,5-Billionen-Dollar-Pläne für Investitionen in Infrastruktur und das nahezu aufgelöste soziale Netz im Land kann er nur umsetzen, wenn er eine entsprechende Gegenfinanzierung vorweisen kann. Denn die Demokraten haben im Repräsentantenhaus eine knappe Mehrheit, im Senat kommen sie nur mit der Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris auf die knappste aller Mehrheiten. Daher muss der Gesetzesvorschlag durch das Reconciliation-Verfahren des Senats, bei dem nur eine einfache Mehrheit reicht.

Dieses Verfahren kann aber nur angewendet werden, wenn die in dem neuen Gesetz vorgesehenen Ausgaben gegenfinanziert sind. Stimmt auch nur einer der Senatoren der Partei dagegen oder enthält sich, dann schafft es das Vorhaben nie zur Unterschrift auf den Schreibtisch des Präsidenten. Gemäßigte Demokraten wie West Virginias Joe Manchin haben schon mehrfach auszuscheren gedroht. Aber auch andere Demokraten des sogenannten gemäßigten Flügels sind zögerlich.

Mitch McConnell, der Minderheitsführer der Republikaner im Senat, der einst entscheidend half, Trumps Steuersenkungsgeschenk im Kongress durchzusetzen, erklärte, er bete jeden Abend, dass die gemäßigten Demokraten standhaft gegen die Besteuerung der Reichen blieben. Vielleicht sollte er sich von AOC inspirieren und sich beim Beten in einem Schlafanzug mit der Aufschrift “Pray for the Rich” aufnehmen lassen.

So wie es aussieht, braucht McConnell keine höheren Mächte anzurufen. Die Demokraten demontieren ihren Vorstoß schon selbst. Es sei ein “demütigender Rückzieher” für Bidens Team, sagte selbst ein Wall-Street-Analyst der Financial Times.

Statt etwa einer Vermögenssteuer kommt, wenn überhaupt, wohl nur eine Erhöhung der Einkommenssteuer um drei Prozentpunkte für Einkommen von über fünf Millionen Dollar (!). Die Kapitalertragsteuer, die Biden ursprünglich von 20 auf fast 40 Prozent anheben wollte, soll nun eventuell auf 25 Prozent erhöht werden. Der Vorschlag, die Zugewinne aus Anlagen und Immobilien beim Tod des Erblassers zu besteuern und so die Dynastienbildung zumindest zu bremsen? So gut wie vom Tisch.

Die Geldaristokratie sitzt mit am Tisch

Demokratische Abgeordnete aus der ländlichen Mitte des Landes fürchten, man könne die Maßnahmen so auslegen, dass statt des Geldadels Farmer und Kleinunternehmer zur Kasse gebeten würden. Und die Vertreter aus den Bezirken, die zum Speckgürtel um New York gehören, möchten gern die einzige progressive Maßnahme Trumps rückgängig machen. Der von ihnen ungeliebte Präsident hatte die Möglichkeit stark eingeschränkt, lokale Steuern bei der Berechnung der Abgaben an den Bund abzuziehen. Das kam einer Steuererhöhung für wohlhabende Haushalte in den Küstenstaaten gleich. Trump selbst traf das nicht mehr, er zog ins einkommenssteuerfreie Florida.

Man sollte glauben, die Rücknahme dieser Maßnahme wäre für die “Tax-the-Rich”-Demokraten ideologisch schwierig zu begründen. Aber New Yorks Senator und Wall-Street-Freund Charles “Chuck” Schumer nannte es eine “Erleichterung für die Mittelschicht”. Kommt wohl nur darauf an, wo man die Mitte verortet. Bei der Met-Gala saß AOC mit ihrem “Tax-the-Rich”-Chic am Tisch von Anna Wintour, der einstigen Vogue-Chefredakteurin. Sie hat die Met-Gala zum Society-Ereignis gemacht. Den ungestylten Massen mag Wintour als Vorbild für den Kinohit Der Teufel trägt Prada untergekommen sein.

Für die Demokraten erwies sie sich als wichtige Geldeinsammlerin unter den Reichen und Schönen. So gut war sie dabei, dass Barack Obama nach seiner erfolgreichen Wiederwahl 2012 sogar überlegte, ob er sie als US-Botschafterin nach Paris schicken sollte. Es wäre eine wahrhaft würdige Vertreterin der US-Geldaristokratie gewesen.

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