Joe Biden verliert an Autorität – und das in atemberaubender Geschwindigkeit
Das Wahldesaster für die Demokraten an der US-Ostküste zeigt das ganze Ausmaß der Regierungskrise. Joe Biden begeistert nicht mehr – es droht der Machtverlust.
Washington. Der erste politische Stimmungstest in der Amtszeit von Joe Biden endet mit einer Katastrophe für die US-Demokraten. Den sicher geglaubten Bundesstaat Virginia müssen sie an die Republikaner abgeben, sogar die demokratische Bastion New Jersey erlebt einen Rechtsruck.
Schuld daran ist die Regierungskrise in Washington, die den Republikanern einen unverhofften Wiederaufstieg ermöglicht. Wenn den Demokraten nicht bald ein mobilisierendes Thema einfällt, werden sie ihre hart erkämpfte Kongressmehrheit im kommenden Jahr verlieren. Im Herbst 2022 stehen Hunderte Mandate zur Wahl.
Bidens magere Erfolgsbilanz hinterlässt Spuren. Derzeit muss die republikanische Opposition gar nicht viel tun, das chaotische Bild der Demokraten ist die beste Wahlkampfhilfe. Erst in dieser Woche verschob der US-Kongress einmal mehr eine Abstimmung über zwei Billionenpakete. Je länger die Blockade auf dem Capitol Hill anhält, desto blamabler für Biden.
Die letzten vier Monate haben seine Präsidentschaft komplett verändert: Aus dem Hoffnungsträger, der einen Neustart nach Donald Trump versprach, wurde ein entzauberter Präsident. Jeder Vorgänger hatte mit Krisen zu kämpfen, doch Bidens größtes Problem ist der Verlust der Glaubwürdigkeit.
Die ersten linken Graswurzelbewegungen, die Biden 2020 mit zum Sieg verhalfen, wenden sich frustriert von ihm ab. Biden hatte die große Umverteilung versprochen. Seine Visionen wurden im Kongress zermahlen.
Mit Arroganz gewinnt man keine Wahlen
Die Wahlen von Virginia werden den Richtungskampf neu befeuern. Sind die Demokraten zu zaghaft – oder sind sie zu links und verstehen ihre Wählerschaft nicht mehr?
Antworten darauf muss die Partei selbst finden, doch stattdessen zog sie mit Arroganz in den Wahlkampf von Virginia. Aufregerdebatten um Rassismus und Schulen gingen an den Demokraten vorbei, stattdessen setzten sie auf Donald Trump als Feindbild. Das reicht längst nicht mehr.
An entscheidender Stelle versagen die Demokraten. Zwar brachten sie im März zwei Billionen Dollar Covid-Hilfen durch den Kongress. Die US-Wirtschaft erholte sich dadurch schneller als alle anderen Industrieländer.
Doch es war ein Notprogramm auf Zeit, dessen Effekt sich schon jetzt abnutzt. Die nun geplanten drei Billionen Dollar für Infrastruktur, Klima und Soziales sind Bidens einzige Chance, um eine mögliche Trendwende einzuleiten. Danach schließt sich das Zeitfenster für politische Großprojekte, der Kongresswahlkampf wird alles überschatten.
„America is back” ist tot
Bidens Glaubwürdigkeit hat auch im Ausland gelitten. Sein Mantra „America is back“ hat sich totgelaufen, man könnte sagen: Die viel beschworene Rückkehr der USA war ein Etikettenschwindel.
Zwar ist es ein großer Fortschritt, dass die US-Regierung auf der Weltbühne professioneller und konstruktiver auftritt als unter Trump. Aber die Partner des Westens sind zu Recht skeptisch, dass Biden der Mann des Aufbruchs sein könnte, für den ihn viele hielten – und als den er sich selbst inszenierte.
Womöglich kennen die modernen USA nur zwei Aggregatzustände: Populismus à la Trump oder kraftloses Verwalten wie von Biden. Ohne vernünftige Mehrheiten im Kongress lässt sich kaum etwas bewegen, aber das ist nur Teil des Problems.
Wollen die Demokraten wieder begeistern, ob zu Hause oder international, werden sie viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Dafür, dass es sich noch lohnt, an die Partei zu glauben – und an Biden als Präsidenten.
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