Competition of the Systems

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Vor der virtuellen Konferenz zwischen Biden und Xi suchen die USA im Umgang mit China die Balance zwischen Wettbewerb und Konfrontation. Im Zentrum des Wettrennens zwischen den Weltmächten steht auch der Technologiesektor – und damit Taiwan.

Die virtuelle Konferenz zwischen dem amerikanischen Präsidenten Joe Binden und dem chinesischen Staatschef Xi Jinping setzt den Versuch der amerikanischen Diplomatie fort, Gemeinsamkeiten in globalen Herausforderungen zu finden und das Wettbewerbsverhältnis zwischen China und den Vereinigten Staaten in verantwortungsvoller Weise so zu managen, dass es nicht zum großen Knall kommt.

Die amerikanische Regierung macht sich keine Illusionen mehr über China. Verschwunden ist die Vorstellung, dass China sich dank der von den Vereinigten Staaten beförderten Integration in den Welthandel zu einer offenen, freien Gesellschaft entwickeln könnte. Verflüchtigt hat sich auch die Sichtweise, China könnte sich darauf beschränken, als „Softpower“ mit freundlichen, diplomatischen Initiativen seine Einflusssphäre zu erweitern. Die militärischen Aktionen an der indischen Grenze, die Härte im Umgang mit Japan und der nicht erklärte Handelskrieg mit Australien zeigen nach der Einschätzung von Bidens außenpolitischen Beratern, dass China bereit ist, sich als aggressive, durchsetzungsstarke Macht zu präsentieren, wenn es seinen Interessen nützt.

Anders als im Kalten Krieg zwischen den Westmächten und dem Ostblock stehen Fragen der Bewaffnung und der Nukleararsenale nicht im Mittelpunkt. Die Rüstungsfragen sind nach Einschätzung von Kurt Campbell, Asien-Koordinator des National Security Councils im Weißen Haus, zwar wichtig, wie er jüngst auf einer Tagung darlegte. Doch das wahre Konfliktfeld ist die Technologie.

Wettrennen im Technologiesektor

„Es ist wird den meisten Beobachtern zunehmend klar, dass China eine robuste, staatlich gestützte Anstrengung unternimmt, um die Vereinigten Staaten als Technologieführer der Welt zu ersetzen“, sagte Rush Doshi, China-Direktor des National Security Councils des Weißen Hauses in einer Kongressanhörung. Der Versuch sei vor allem geostrategisch motiviert. Peking, so führte Doshi aus, glaubt, dass der Wettbewerb um die beste Technologie nicht nur bestimmt, welches Unternehmen einen bestimmten Markt beherrscht, sondern auch, welches Land am besten positioniert ist, die wichtigste Weltmacht zu werden.

Aus amerikanischer Wahrnehmung sieht China jetzt eine historisch einmalige Chance, die globale Hegemonie zu erlangen, indem es mit allen Mitteln Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz, Biotechnologie oder das Internet der nächsten Generation stärkt. Xi und seine Berater sind von der Vorstellung animiert, dass die Vereinigten Staaten ihre besten Jahre hinter sich haben. Amerikas zögerliche Antwort auf die Pandemie ist ein Hinweis für China, dass das demokratisch-marktwirtschaftliche Politikmodell nicht zwangsläufig überlegen ist. Die politische Zerrissenheit des Landes, die im Sturm auf das Kapitol kulminierte und die Black-Lives-Matter-Proteste liefern der chinesischen Führung weitere Argumente für die Analyse, dass die Vereinigten Staaten schwächeln. Vor diesem Hintergrund wirbt Biden – in der Regel vergebens – um politische Einigkeit, damit andere Länder die Tatkraft der Demokratie erkennen.

Taiwan spielt die zentrale strategische Rolle in den Plänen beider Länder. Ein wichtiger Grund sind Mikrochips. Taiwan ist einer der wichtigsten Produzenten. Das Land verfügt laut Stephen Ezell, Vizechef der Denkfabrik „Information Technology and Innovation Foundation“, nicht nur über 22 Prozent der globalen Produktionskapazitäten, sondern ist spezialisiert auf die jüngste und zugleich wichtigste Generation der Logikchips. Hier beansprucht Taiwan einen Marktanteil von 92 Prozent.

Amerikanische Konzerne wie AMD, Nvidia oder Qualcomm nutzen vor allem die hochqualifizierten taiwanesischen Auftragsfertiger für die Mikrochips. Apple ist einer der wichtigsten Kunden des Marktführers für hochentwickelte Chips, TSMC. Die Wertschöpfungsketten der beiden Länder sind auf engste verknüpft. Während die Amerikaner Ausrüstungsgüter für die Fabriken und die Chip-Designs liefern, liefern die Taiwanesen die Mikrochips. Die Bedeutung von TSMC könnte noch größer für Vereinigten Staaten werden, wenn der Konzern sein Versprechen verwirklicht, neue Mikrochips-Fabriken im amerikanischen Arizona zu bauen. Das ist ein Trost, der Bidens Berater ein wenig für den Schock kompensiert, dass mit Intel der letzte bedeutende Hersteller in Amerika plant, seine Produktionskapazitäten aufzugeben und statt dessen mit taiwanesischen Auftragsfertigern zu kooperieren.

Zurück zu alter Stärke

China dagegen tut alles, um seine Kapazitäten und sein Produktions-Know-how zu vergrößern. Es sieht Mikrochips als essentiell für ihre Pläne an, technologische Hegemonie zu erlangen. Das erklärt nicht nur die gewaltigen Subventionen in diesem Sektor, sondern auch die zunehmenden Bestrebungen, Taiwan enger an sich zu binden. Die Vereinigten Staaten wollen das durch Militärhilfe und andere Unterstützung verhindern, stellen aber zur Beschwichtigung Chinas klar, dass sie keine Unabhängigkeit des Landes befürworteten. Ein indisponierter Biden hatte mit verwirrenden Äußerungen einen anderen Eindruck aufkommen lassen und China verunsichert.

Generell glaubt die amerikanische Regierung, dass sie China im Wettbewerb durch überlegende Innovationskraft schlagen kann. Zu diesem Zweck sind Gesetzesinitiativen auf den Weg gebracht, die die Forschung, Entwicklung und Produktion von Mikrochips in den USA mit Milliarden-Investitionen reanimieren sollen. Das Gesetzgebungsverfahren stockt allerdings im Kongress.

Versuche, Industrien dazu zu bewegen, ihre Produktion wieder in Amerika aufzunehmen, gehören ebenfalls zu den Überlegungen. Sie sind von der Idee getragen, dass Innovationskraft im starken Maße mit Fertigung verknüpft ist. Biden hat deshalb nicht nur die meisten Importzölle auf chinesische Waren aus der Trump-Ära in Kraft gelassen, er will auch die Produktion von Windrädern, Solarpanelen oder 5-G-Internettechnologien fördern. Einige seiner Berater fordern, die USA sollen ihrer Ausgaben für Forschung und Entwicklung vervierfachen und die Immigration von Qualifizierten dramatisch erhöhen.

Das Land will zu eigener Stärke zurückfinden. Aus dieser Position heraus lassen sich leichter gemeinsam mit China globale Probleme bekämpfen wie die Pandemie, den Klimawandel oder die Proliferation von nuklearem Material.

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