Just Not War Again

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Unglückliche Aussagen, ein uneinschätzbarer Gegner: US-Präsident Joe Biden gerät in der Ukraine-Krise unter Druck, mehr Stärke gegenüber Wladimir Putin zu zeigen.

Mike Pompeo fand auf Fox News freundliche Worte für den Präsidenten. “Er weiß seine Macht einzusetzen. Das sollten wir respektieren”, sagte der ehemalige Außenminister der USA am Sonntag in der Sendung Fox News Sunday. Pompeo sprach jedoch nicht von Joe Biden, sondern vom russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Den demokratischen Präsidenten und dessen Strategie im Umgang mit Russland und der Ukraine-Krise kritisierte der Republikaner hingegen. Zu spät habe die Biden-Regierung reagiert und zu schwach. “Ich glaube, sie halten Präsident Biden nicht für glaubwürdig”, sagte Pompeo. Der schwache Biden im Showdown gegen den geschickten Putin, so stellen es die oppositionellen Republikaner gerade dar. Und fordern mehr Handeln vom Präsidenten. “Wir brauchen gemeinsame Übungen in Polen, den baltischen Staaten, Rumänien und Bulgarien, um Putin zu zeigen, dass wir es ernst meinen”, sagte etwa Michael McCaul dem Fernsehsender CBS. “Im Moment sieht er nicht, dass wir es ernst meinen.” Der Abgeordnete ist einer der Top-Konservativen im Auswärtigen Ausschuss des Repräsentantenhauses.

Joe Biden selbst schwieg am Wochenende, er hatte sich aus Washington nach Camp David zurückgezogen. Das Außenministerium kündigte an, Familien von Botschaftsmitarbeitern aus der Ukraine abzuziehen und auch Mitarbeitern die Ausreise zu genehmigen. Und der Präsident wurde in seinem Refugium in Maryland, so berichten es mehrere US-Medien, von seinem Verteidigungsminister Lloyd J. Austin III. und Generalstabschef Mark Milley gebrieft, was eine mögliche Truppenverlegung nach Osteuropa betrifft. Mehrere Tausend US-Soldaten, Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge könnten demnach nach Osteuropa verlegt werden. Es wäre eine Verstärkung der Pläne der Nato, zusätzliche Kampfflugzeuge und Marineschiffe in die Ostsee und in osteuropäische Länder zu entsenden, die das Bündnis angekündigt hat.

“Es fing alles mit Afghanistan an”

Sollte die Biden-Regierung tatsächlich ein ähnliches Manöver beschließen, wäre es ein deutliches Signal, das einen Teil der von Außenminister Antony Blinken in der vergangenen Woche bei Besuchen in Kiew, Berlin und Genf wieder und wieder bemühten Strategie unterstreichen würde: Dass es zwei Wege für Putin gebe: Dialog und Diplomatie oder Konflikt und Konsequenzen. Letzteres würde durch eine US-Truppenbewegung verstärkt werden. Biden selbst hatte für erhebliche Verunsicherung gesorgt, als er während einer Pressekonferenz zum ersten Jahrestag seiner Amtszeit gesagt hatte: “Russland wird zur Rechenschaft gezogen werden, wenn es einmarschiert. Und das hängt davon ab, was passiert. Es ist eine Sache, wenn es sich um ein geringfügiges Eindringen handelt und wir uns dann darüber streiten, was zu tun und zu lassen ist.”

Seitdem haben das Weiße Haus wie auch Blinken versucht, den Eindruck absoluter Entschlossenheit der USA zu zerstreuen. Doch wie weit reicht diese Entschlossenheit in einem für die USA weit entfernten Konflikt und nur ein halbes Jahr nach dem Abzug aus Afghanistan?

Der war aus Sicht der amerikanischen Bündnispartner katastrophal verlaufen, hat Afghanistan in eine humanitäre Katastrophe gestürzt und die Frage aufgeworfen, wie verlässlich die Vereinigten Staaten international agieren. US-Truppen in einem Krieg im Ausland, das will Biden auf keinen Fall. Seine Botschaft war während des Abzugs, dass er den ewigen Krieg beendet hat, und nicht gedenkt, sich in einen neuen verwickeln zu lassen. Die Wochen während und nach dem Abzug waren schwierige in Bidens Präsidentschaft, seine Umfragewerte fielen, und auch wenn eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger für einen endgültigen Abzug der Truppen waren, wurde die Art und Weise auch in den USA als Zeichen von Schwäche kritisiert. Und die wird nun von den Republikanern als Argument genutzt.

“Ich denke, es fing alles mit Afghanistan und unserer bedingungslosen Kapitulation vor den Taliban an. Er sah die Schwäche und Schwäche fördert Aggression”, sagte der Republikaner McCaul. Dass ihr ehemaliger Präsident Trump eine Nähe zu Wladimir Putin suchte und dem eigenen Geheimdienst in den Rücken fiel, als es um Wahleinmischung durch Russland ging, um Putin zu schmeicheln, lassen die Republikaner bei ihren Erzählungen jedoch außen vor.

Weltmacht China, Störer Russland

Die Republikaner fordern neben einem starken militärischen Signal außerdem schnelle und strikte Sanktionen gegen Russland, etwa in Bezug auf Nord Stream 2. Doch auch seitens demokratischer Senatoren steigt der Druck auf Biden, die Position der USA deutlicher zu machen.

“Wir schicken keine US-Truppen, aber meiner Meinung nach sollte die Waffenhilfe viel umfangreicher sein, eine massive Luftbrücke mit tödlichen Waffen”, sagte der demokratische Senator Richard Blumenthal vergangene Woche Politico, nachdem er von einer Ukraine-Reise zurückgekehrt war. Und Evelyn Farkas, während der Obama-Regierung im Verteidigungsministerium die Spitzenbeamtin für Russland und die Ukraine, twitterte: “Die USA und die Nato können und müssen mehr tun, um Russland die Initiative zu entreißen.”

Weltmachtwettbewerb

Als Biden sein Amt antrat, machte er deutlich, dass es ihm auf einer übergeordneten Ebene auch darum gehen würde, in den Wettstreit der politischen Systeme einzutreten. Die Demokratien dieser Welt gegenüber autokratischen Staatsformen. Dafür organisierte er Demokratie-Gipfel im Weißen Haus, ohne Russland oder China einzuladen, versuchte sein Land wieder als taktgebenden Weltführer im Multilateralismus aufzustellen und ging zumindest verbal in die direkte Konfrontation mit China und Russland. Sein Augenmerk lag und liegt dabei jedoch deutlich mehr auf China. Putin traf er zwar im vergangenen Juni zum Gipfel in Genf, doch machte der US-Präsident immer wieder deutlich, dass er Russland zwar als “disruptor”, als Störer, wahrnimmt, aber insgesamt als weit weniger gefährlichen Konkurrenten und Weltmacht als China. “Wir stehen mit China und anderen Ländern im Wettbewerb um das 21. Jahrhundert”, sagte Biden im April in seiner Rede vor dem versammelten Kongress. In diesem Weltmachtwettbewerb sieht er Russland jedoch nicht.

Welche territorialen Machtansprüche Putin verfolgt, zeigt er in der Ukraine-Krise offen und erzwingt so die volle Aufmerksamkeit Bidens. Dessen Außenminister schloss ein Treffen der beiden Präsidenten, “um die Dinge voranzubringen”, in Genf nach seinem Treffen mit Russlands Außenminister Sergej Lawrow, nicht aus.

“Nicht nur Xi Jinping und der Vorsitzende Kim und der Ayatollah werden zusehen, sondern auch das Volk von Taiwan, das iranische Volk und das chinesische Volk. Die ganze Welt sieht zu, wie Amerika führt, und wenn wir das nicht tun, schaffen wir Instabilität”, sagte Ex-Außenminister Mike Pompeo am Sonntag noch.

Nun sind es nicht allein die Vereinigten Staaten, die in diesem Konflikt führen, was auch Blinken auf seiner Reise durch Europa klargemacht hat. Europa, die Nato und die USA würden geschlossen auf Putin reagieren, das ist die Botschaft der Diplomatie gerade. Doch klar ist auch, dass es ohne die USA nicht gehen wird. Wegducken kann sich Joe Biden in dieser entscheidenden Phase des Konfliktes nicht.

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