Mission Impossible

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Mission Impossible

Die Erhöhung der US-Leitzinsen kommt spät – vielleicht zu spät. Dennoch kann die Welt wenig anderes tun, als zu hoffen, dass Fed-Chef Powell im Kampf gegen die Inflation Erfolg hat.

Wenn Jerome Powell bisher gedacht haben sollte, dass ihm eine schwere Aufgabe bevorsteht, dann weiß er jetzt, dass es eine beinahe unmögliche ist: Ausgerechnet in einer Zeit des Chaos und der Ungewissheit soll der Chef der US-Notenbank (Federal Reserve, kurz Fed) mit einer Serie präziser und doch beherzter, zügiger und doch behutsamer Leitzinserhöhungen dafür sorgen, dass die Rekord-Inflationsrate in seinem Land endlich sinkt – und das alles, ohne die Wirtschaft zugleich in die Rezession zu schicken. Zentralbanker in aller Welt sind schon an einfacheren Problemstellungen gescheitert.

Am Mittwochabend nun haben Powell und seine Mitstreiter den Startknopf für diese Mission Impossible gedrückt und ihren wichtigsten Leitsatz erstmals seit 2018 wieder angehoben. Der Beschluss hat zunächst mehr Symbolcharakter als echte ökonomische Auswirkungen – und ist doch in seiner Bedeutung nicht zu überschätzen: Die mächtigste Notenbank der Welt macht damit klar, dass sie ein weiteres Anschwellen der Teuerungswelle nicht länger tolerieren und einen alles mitreißenden Preis-Tsunami verhindern will. Die Zeit der Nullzinsen ist damit vorbei.

Endlich, muss man sagen, denn die Wende kommt spät, vielleicht zu spät. Monatelang hatte sich die Fed auf das Argument zurückgezogen, dass der Preisanstieg nur die Folge coronabedingter Lieferprobleme sei, denen mit Mitteln der Geldpolitik nun einmal nicht beizukommen sei. Schließlich könne eine Notenbank weder selbst Öl fördern, noch Schiffe entladen oder Computerchips bauen.

Das war alles richtig – und doch falsch: Inflation nämlich entsteht nicht nur, wenn auf einem Markt die Nachfrage größer ist als das Angebot. Sie entsteht auch, wenn Bürger, Manager und Börsianer glauben, dass die Preise weiter steigen werden – und ihr Verhalten entsprechend anpassen. Dieser Gefahr hätte die Fed sehr wohl viel früher entgegentreten können, indem sie verbal und schließlich durch eine erste Leitzinserhöhung zu Jahresbeginn Stoppzeichen setzt.

Einen so aggressiven Kurs hätte sich die Fed noch vor Wochen selbst kaum vorstellen können

Wladimir Putins Überfall auf die Ukraine macht die Gemengelage jetzt noch einmal deutlich komplizierter, da die ökonomischen Folgen des Kriegs in ihrer Gänze noch unabsehbar sind. Für die Fed, die gerade eilig auf einen Zinserhöhungskurs einschwenkt, den sie in dieser Aggressivität wohl selbst nicht erwartet hätte, bedeutet das, dass eine strategische Mittelfristplanung kaum möglich ist. Vielmehr wird sie ihren Weg Woche für Woche, Monat für Monat neu abstecken müssen.

Das Gute ist: Powell kann das. Er ist kein Dogmatiker und scheut sich nicht, Fehleinschätzungen zu korrigieren. Und gut ist auch: Die Zinsen steigen, anders als in früheren Zyklen, nicht von einem mittleren Wert aus, sondern von null. Das heißt, dass die Sätze selbst nach sechs, sieben Erhöhungen im langjährigen Vergleich immer noch sehr niedrig sein werden. Zugleich ist ein allzu kräftiger Tritt auf die Bremse auch gar nicht nötig, weil ein Teil des Preisdrucks ja tatsächlich auf Problemen beruht, die über die Zeit von allein wieder verschwinden sollten.

So oder so: Auch von Deutschland aus betrachtet kann man dem Führungspersonal der Fed nur Glück wünschen. Denn ob die Bundesrepublik vor gedeihlichen oder doch eher vor schmerzhaften wirtschaftlichen Zeiten steht, hängt neben vielen anderer Dingen auch maßgeblich davon ab, ob Powell und seinen Mitstreitern ihre überaus heikle Mission gelingt.

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