Imagine If Trump Were Still President …

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Man stelle sich vor, Trump wäre noch Präsident…

Kann der Westen seine Einheit bewahren? Welche Rolle wird China künftig spielen? Wie wird sich die Weltordnung verändern? Prognosen sind unmöglich, die folgenden vier Szenarien aber sehr wahrscheinlich.

Man stelle sich vor, Donald Trump wäre immer noch Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Vermutlich hätte er die Invasion in der Ukraine als »smart move« bezeichnet, der als Vorbild für die Lösung des »Mexican problem« dienen könnte. »Putin is a genius« (das hat Trump tatsächlich nach Kriegsbeginn gesagt), wäre er vielleicht fortgefahren. Und dass sein Freund Wladimir ja ein guter Businessman sei. Mit ihm könne man Geschäfte machen, man brauche ihn nicht zu sanktionieren. Der ganze Fall zeige auch nur, wie gefährlich die Nato für die USA sei. Damit könnten – so hätte er wohl argumentiert – die Europäer Amerika in Konflikte ziehen, ohne die Rechnung dafür zu bezahlen.

Vor einem solchen transatlantischen Hintergrund könnte man sich die wahrscheinlichen Reaktionen in Europa gut vorstellen. Sicherlich, die Bundesregierung, Präsident Macron und die EU-Kommissionschefin hätten die Invasion alle »scharf verurteilt«. Aber sonst? Vermutlich hätte man über die angemessene Reaktion heftig gestritten. Die Deutschen hätten Nord Stream 2 verteidigt, die Schweizer ihre Banken und die osteuropäischen Länder ihre Souveränität. Ob dann die transnationale Zivilgesellschaft in diesem Fall so schnell und sichtbar aufgestanden wäre, erscheint auch keinesfalls sicher.

Wenn das alles so stattgefunden hätte, dann könnte man in der Tat vom Hirntod der Nato, der Vereinten Nationen, der EU wie wir sie kennen und generell der globalen Ordnung, die nach 1989 entstanden ist, sprechen. Und vieles spricht inzwischen dafür, dass genau das die Reaktion war, mit der der russische Präsident und seine Unterstützer gerechnet hatten. Sonst hätten vermutlich weniger Milliarden auf den Konten europäischer Banken eingefroren werden können. Es waren nämlich erstaunlich geringe Summen, die die Oligarchen vorab von ihren Konten abgezogen hatten. Aber es kam anders.

Der Westen – oder genauer die globale Phalanx der liberalen Demokratien hat ihre Reihen geschlossen, wie wir es seit 20 Jahren nicht mehr gesehen haben. Die Verteidigung der Demokratie und des Selbstbestimmungsrechtes der ukrainischen Bevölkerung scheint den nationalen Interessen übergeordnet zu sein. Es werden globale Güter wie der Frieden und die Unversehrtheit der Grenzen hochgehalten. Und einige der für Scheintod gehaltenen internationalen Organisationen machen plötzlich einen ganz rührigen Eindruck: allen voran die Nato, aber auch die Europäische Union und selbst die Vereinten Nationen. Schließlich sehen wir eine überwältigende Reaktion der Zivilgesellschaften. Selbst die Sportverbände und einige Unternehmen mit starkem Engagement in Russland ziehen mit.

Die liberale internationale Ordnung, wie sie gern genannt wird, lebt also noch. Der Irakkrieg, der Krimkrieg und insbesondere das regelrechte Abschlachten in Aleppo und anderen Orten in Syrien haben diese Ordnung offensichtlich mehr geschwächt als der Angriff auf die Ukraine. Es gilt nämlich grundsätzlich, dass eine Ordnung und generell jede Norm nicht durch eine Regelverletzung, sondern erst durch das Fehlen einer angemessenen Reaktion auf die Regelverletzung ins Wanken gerät. Die Norm, dass man nicht töten soll, wird durch einen Mord nicht infrage gestellt. Erst die achselzuckende Akzeptanz von Tötungsdelikten tötet die Norm.

Die Zukunft der internationalen Ordnung hängt also von der Reaktion der Weltgemeinschaft und vom Ergebnis der normverletzenden Handlungen ab. Ob der Westen aber seine Einheit bewahren kann, wenn die Kosten der Sanktionen spürbar werden, welche Rolle China noch spielen wird und wie der Krieg in der Ukraine ausgeht, kann heute nicht gesagt werden. Zuverlässige Prognosen sind nicht möglich. Wir können uns allerdings Szenarien vorstellen. Mindestens vier Szenarien sind denkbar.

Ich beginne mit einem Nullszenario, das ich für unwahrscheinlich halte: ein kompromissorientierter Friedensvertrag zwischen der Ukraine und Russland. Das ist unwahrscheinlich, weil die Ukrainerinnen und Ukrainer mit Entschlossenheit für die Einheit ihres Landes kämpfen und nur in einer aussichtslosen Situation zu Zugeständnissen bereit wären. Aber wieso sollte Putin gerade in einer solchen Situation all seinen Zielen zuwiderhandeln? Wenn er die Ukraine nach diesem Krieg nicht komplett politisch kontrollieren kann, würde nämlich die Restukraine mit einer unaufhaltsamen Dynamik politisch und militärisch nach Westen streben. Vieles spricht dafür, dass dieser Krieg militärisch entschieden wird.

Im ersten Szenario geht der Krieg schnell vorüber und Russland errichtet einen Vasallenstaat auf ukrainischem Boden. Die auch in der Vergangenheit leidgeprüfte ukrainische Bevölkerung nimmt das Schicksal hin. In diesem Szenario würde es zu einer Wiederbelebung des Ost-West-Konfliktes in Europa kommen. Die europäischen Institutionen würden wieder erstarken und der autoritäre Populismus würde zumindest in seiner gegenwärtigen, Putin-nahen Form marginalisiert werden. Russland würde ökonomisch ächzen, und die Repression würde zunehmen.

Weltpolitisch sind die Effekte dieses Outcomes weniger klar: Können die USA ihren Kurs beibehalten? Wenn ja, dann würden auch die Nato und die anderen Organisationen der Nachkriegsordnung gestärkt werden. Wenn aber die Trumpites doch wieder die Oberhand gewännen, würde Europa nichts anderes übrig bleiben, als sich eine eigene Verteidigungsfähigkeit samt entsprechender Entscheidungsstrukturen aufzubauen. Das wäre nicht nur ein wiedererstarktes, sondern ein gänzlich anderes Europa. China würde sich zurückhalten und bei Gelegenheit die neuen Konfliktlagen dazu nutzen, um seinen eigenen Einfluss zu stärken und die eigenen Interessen durchzusetzen. Im Ergebnis käme es zu einer Regionalisierung der Weltordnung mit China in einer zentralen Position.

Mindestens ebenso wahrscheinlich ist ein Szenario, wonach Russland zwar schnell den zwischenstaatlichen Krieg gewinnt und eine russlandfreundliche Regierung in der Ukraine einsetzt, Teile der ukrainischen Bevölkerung sich aber in einem Bürgerkrieg engagieren, den Russland nicht kontrollieren kann. In diesem Fall würde der innenpolitische Druck und die ökonomischen Kosten für das Putin-Regime so sehr anwachsen, dass es wahrscheinlich nur mit chinesischer Unterstützung überleben könnte. Russland selbst würde dann seine Unabhängigkeit verlieren und in eine chinesische Einflusssphäre geraten. Der Konflikt würde nicht nur die Geschehnisse in Europa, sondern die Weltpolitik strukturieren und eine neue Bipolarität herstellen. In diesem Falle ließe sich eine Art Neuauflage der Nachkriegsordnung erwarten: starke internationale Institutionen innerhalb des Westens und eine dauerhafte Schwächung der globalen Institutionen.

In einem dritten Szenario könnte sogar die liberale Ordnung, wie sie nach 1989 entstanden war, mit starken globalen Institutionen wiederbelebt werden. In diesem Szenario erwiese sich der leidenschaftliche ukrainische Widerstand als effektiv und dauerhaft. Der Krieg würde sich über längere Zeit hinziehen. Die Zerstörung in der Ukraine würde schreckliche Ausmaße annehmen, aber auch in Russland wären die Folgen weitreichend. Das Putin-Regime könnte aufgrund des wachsenden Widerstandes in Russland fallen und ein neuerlicher Demokratisierungsschub in Osteuropa ausgelöst werden. Eine solche Liberalisierungswelle würde möglicherweise auch an China nicht komplett vorbeigehen.

Das alles könnte zu einer Wiederbelebung der Post-1989-Ordnung führen, samt einer stärkeren Regulierung der Globalisierungsprozesse. Innerhalb der liberalen Gesellschaften würde freilich die Konfliktlinie zwischen Globalisierungsverlieren und Globalisierungsgewinnern befeuert werden. Und ob im Falle eines Sturzes von Putin tatsächlich demokratisierende Kräfte die Oberhand gewännen, ist auch nicht ausgemacht. Es wäre vermutlich keine besonders stabile Ordnung.

Ob es zu einer Regionalisierung der Weltpolitik, zu einer Neuauflage der Nachkriegsordnung oder einer Wiederbelebung der liberalen Ordnung nach 1989 kommt, hängt von den Reaktionen auf den russischen Krieg ab. So außerordentlich reaktionär und brutal dieser Krieg auch sein mag, in einem Punkt unterscheidet er sich von anderen Normverletzungen nicht. Es ist nicht die Regelverletzung, sondern die Reaktion darauf, die die Zukunft einer Ordnung bestimmt.

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