Der frühere US-Vize kämpfte schon früh für den Klimaschutz. Doch erst Joe Biden gelingt, was die US-Politik so lange blockiert hat.
Es war beim sogenannten Earth Summit, dem großen Umweltgipfel der Vereinten Nationen im Frühjahr 1992 in Rio de Janeiro. Ein junger, international weitgehend unbekannter amerikanischer Senator namens Al Gore führte eine kleine Riege von US-Parlamentariern an und richtete einen flammenden Appell an die Weltöffentlichkeit. Zeit sei es für einen globalen Klimapakt, einen “Marshallplan für die Erde”. Amerika müsse da führen.
Das waren komplett neue Töne aus den Vereinigten Staaten. Denn die damalige US-Regierung unter Präsident George Bush, einem früheren Ölmanager, setzte alles daran, die damals zaghaft anlaufenden internationalen Bemühungen für mehr Klima- und Umweltschutz möglichst zu unterlaufen oder gar zu behindern. Wenige Monate später löste Bill Clinton den Republikaner Bush ab, und Al Gore selbst war Vizepräsident der USA.
Doch auch dann taten sich die USA schwer, die Welt in der internationalen Klima- und Umweltpolitik durch das eigene Beispiel anzuführen – so wie Al Gore es gefordert hatte. An diesem Wochenende nun konstatierte er: “Endlich haben wir eine entscheidende Schwelle überschritten.” Gemeint war der “Inflation Reduction Act 2022”, den der US-Senat am Sonntag verabschiedet hat, das bisher weitreichendste Gesetzespaket zum Klimaschutz in Amerika. Tatsächlich umgesetzt, würde es zur Folge haben, dass die USA ihren Ausstoß an Treibhausgasen bis zum Ende des Jahrzehnts um 40 Prozent reduzieren könnten – gemessen am Level von 2005.
Der Abstimmungssieg für Biden ist historisch
Fast drei Jahrzehnte zuvor, 1993, hatte Clinton auf Gores Drängen hin zum ersten Mal eine Art Klimaschutz-Gesetz entwerfen lassen. Doch der Vorschlag, den CO₂-Ausstoß von fossilen Brennstoffen zu besteuern, wurde im Senat gar nicht erst beraten. “Dead on arrival”, heißt das im Washingtoner Politjargon, “bei Ankunft bereits verschieden”. Die demokratischen Senatoren, die damals wie heute die Mehrheit im Oberhaus des Kongresses hielten, signalisierten dem Weißen Haus, dass ein solcher Vorstoß nicht einmal unter ihnen genug Befürworter finden würde – vom Widerstand der republikanischen Opposition ganz zu schweigen.
Clinton und sein Vize versuchten es danach nicht wieder mit einem Klimaschutzgesetz. Das Kyoto-Protokoll, das große internationale Abkommen zum Klimaschutz, das sie zu verhandeln mithalfen, wurde vom Senat ebenfalls gar nicht erst beraten. An der Grundkonstellation hatte sich bis zu diesem Sonntag nichts geändert – was die historische Bedeutung des Abstimmungssiegs für Biden zusätzlich unterstreicht.
Al Gore immerhin stieg zum internationalen Star der Klimapolitik auf. Sein Dokumentarfilm “Eine unbequeme Wahrheit” zur globalen Klimakatastrophe wurde 2006 ein globaler Hit, ein Jahr später erhielt er den Friedensnobelpreis. An den politischen Verhältnissen in den USA änderte das wenig. Ein neuer Vorstoß zur Einführung des Emissionshandels unter Präsident Barack Obama bekam 2010 im US-Senat ebenfalls gar nicht erst eine Chance.
Natürlich dürften Überschwemmungen, Hitzewellen, Dürren und Waldbrände nun zum Sinneswandel beigetragen haben: Die Folgen der Klimaerwärmung, in Amerika lange immer wieder geleugnet, sind nicht mehr zu übersehen. Laut einer Statistik der National Oceanic and Atmospheric Administration, einer Bundesbehörde, wurden die USA in den vergangenen fünf Jahren von 89 wetter- und klimabedingten Katastrophen heimgesucht, die 4500 Menschen das Leben kosteten und Sachschäden in Höhe von 788 Milliarden Dollar verursachten.
Politisch akzeptabel dürfte das Klimaschutzgesetz allerdings noch ein anderer Umstand gemacht haben. Im Gegensatz zu Gores und Clintons Vorstoß vor 30 Jahren verzichtet Bidens neues Gesetzespaket auf jede Form einer Energiesteuer. Es setzt ganz auf Fördermittel und Zuschüsse für klimafreundliche Investitionen. Das soll auch Al Gore recht sein: “Ich hätte mir nur nicht einen Moment träumen lassen”, zitiert ihn die New York Times, “dass das so lange dauert.”
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