Fehlt da etwas?
Homestory mit Folgen: Ein Sammlerpaar präsentiert sein Heim in einem Hochglanzmagazin. Doch wo sind die Kunstwerke, die wohl aus Kambodscha gestohlen wurden?
Dass die zwecks Selbstdarstellung kuratierte Umgebung nur dann wie gewünscht wirkt, wenn kompromittierende Elemente aus dem Bild verschwunden sind, wissen Selfie-Amateure ebenso wie Influencer oder Profis in Hochglanzmagazinen. Vorbei die Tage, an denen analoge Fotos per Hand retuschiert wurden: Heute genügen ein paar Klicks mit dem Bildbearbeitungsprogramm, schon sieht die Welt anders aus. Als Massenphänomen ist das noch harmlos, wenn aus Urlaubsschnappschüssen Müllkübel oder „Fotobomber“ radiert werden. Womöglich kriminell wird es, wenn antike kambodschanische Statuen verschwinden – etwa aus einem prominent ausgestellten Eigenheim, in dem sie mutmaßlich nie hätten landen dürfen.
So geschehen allem Anschein nach im Wohnpalast des Ehepaars Sloan Lindemann Barnett und Roger Barnett: Die beiden haben sich in San Francisco das „schönste Haus Amerikas“ einrichten lassen. So nennt es das Magazin „Architectural Digest“ in seiner amerikanischen Januarausgabe 2021 und widmet dem Anwesen eine Fotostrecke. Zu sehen ist unter anderem der opulent dekorierte Innenhof, in dem seltsam unmotiviert leere schwarze Sockel stehen. Doch leer waren diese wohl nicht, als der Fotograf Douglas Friedman auf den Auslöser drückte: Eine andere Fassung des Fotos, die der Architekt des Anwesens auf seiner Website publizierte, zeigte auf den Sockeln Skulpturen der Khmer.
Köpfe von Göttern und Dämonen
Die „Washington Post“, das International Consortium of Investigative Journalists und die Organisation Finance Uncovered gingen der Sache nach und kommen zu dem Schluss, dass das Foto in „Architectural Digest“ retuschiert wurde. Eine Sprecherin des Magazins habe auf Nachfrage erklärt, die Figuren seien wegen „ungeklärter Publikationsrechte rund um ausgewählte Kunstwerke“ nicht gezeigt worden. Was das bedeuten soll und wer das Foto bearbeitet hat, bleibt unklar. Die Regierung Kambodschas vermutet, dass es sich bei den gelöschten Objekten um Köpfe von Götter- und Dämonenstatuen handelt, die in der Zeit des Bürgerkriegs von einer heiligen Stätte des Landes gestohlen wurden.
Ihre heutigen Besitzer schweigen, doch es wird noch schlimmer: Etwa zwanzig weitere, bedeutende und illegal außer Landes geschaffte Artefakte sollen kambodschanischen Ermittlern auf Fotos ausmachen, die dasselbe Magazin 2008 aus dem Haus der Eltern von Sloan Lindemann Barnett, des Milliardärs George Lindemann, zeigte. Er hat eine der größten Sammlungen südostasiatischer Kunst in privater Hand aufgebaut. Das Kulturministerium Kambodschas, das weltweit nach gestohlenen Kulturgütern fahndet, war auch in Museen fündig geworden, etwa dem Metropolitan Museum of Art in New York. Die Objekte dort waren vom notorischen, inzwischen verstorbene Kunsthändler Douglas Latchford gestiftet worden, einer Schlüsselfigur im Antikenschmuggel aus Kambodscha. Sein weitgespanntes Offshore-Netz offenbarten die „Pandora Papers“.
Dutzende der durch seine Hände gegangenen Werke sollen bald aus Museen ins Land ihrer Herkunft heimkehren. Bei Privatsammlern ist solcherlei schwerer zu erwirken: Sie können sich darauf zurückziehen, nach bestem Wissen gekauft zu haben. Das hat auch der Tech-Unternehmer Jim Clark getan – und gibt bei Latchford teuer gekauften kambodschanische Antiken dennoch zurück. Er hat verstanden: Sich mit Raubkunst zu schmücken ist wirklich nicht gut fürs Image.
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