Pressure from the US or Unity with the West?

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Druck aus den USA oder Einigkeit mit dem Westen? Weshalb sich die Schweiz in der China-Frage entscheiden muss

Es fehlt am Problembewusstsein im Umgang mit dem neuen China unter Alleinherrscher Xi Jinping.

Die ganze Welt schaut hin, wenn sich Chinas Kommunisten am Sonntag zu ihrem einwöchigen Parteikongress versammeln. Viel dürfte allerdings kaum nach aussen dringen. Chinas rote Partei bleibt eine Blackbox. Die einzige massgebliche Nachricht wird sein, dass Staatspräsident Xi Jinping für eine weitere, nunmehr dritte Amtszeit antritt.

Nach zehn Jahren im Präsidentenamt hat der chinesische «Parteikaiser» das 1,4-Milliarden-Land umgekrempelt. Während seiner Herrschaft hat er nicht nur das Militär hochgerüstet, die Partei von internen Kritikern gesäubert und die Gesellschaft einer techno-totalitären Kontrolle unterworfen.

Er hat auch sehr früh klargemacht, worauf sein aussenpolitisches Ziel hinausläuft: Mit den USA gleichzuziehen und deren Stellung als Welt-Hegemon zu übernehmen. Xi steht offen zu seinem Machtanspruch. Von der bisherigen Devise, dass der Aufstieg Chinas still und friedlich sein wird, hat er sich längst verabschiedet.

Die USA haben China deswegen als ihren neuen Hauptgegner benannt. Und auch in der EU hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass China neben einem Partner und Konkurrent immer mehr ein Rivale geworden ist. In der Schweiz scheint es an einem solchen Problembewusstsein noch zu fehlen.

Klar: Die Schweiz beschreitet mit China einen Sonderweg. Die Beziehungen sind historisch gewachsen. Als eines der ersten westlichen Länder anerkannte die Schweiz China bereits 1950, dreieinhalb Monate nach Ausrufung der Volksrepublik. Als erstes westliches Land schloss die Schweiz 2014 mit China ein Freihandelsabkommen ab. Seitdem entwickelt sich der Handelsaustausch dynamisch.

Gleichwohl kann auch der Bundesrat die sich rasant verschlechternde Menschenrechtslage nicht ignorieren. In seiner im vergangenen Jahr veröffentlichten China-Strategie hält er dazu fest: «China ist wohlhabender, aber nicht freier geworden». Von der UNO dokumentiert sind die Menschenrechtsverletzungen im Umgang der uigurischen Minderheit. Offensichtlich ist die Diskriminierung der Tibeter sowie die Zerstörung der Freiheitsrechte in Hongkong. Regelmässig werden diese Themen im bilateralen Austausch auch angesprochen.

Was der bundesrätlichen Strategie aber weitgehend fehlt, ist eine realistische Einschätzung über die Risiken der Abhängigkeit vom mittlerweile drittgrössten Handelspartner.

Die Corona-Pandemie hat gezeigt: China ist nicht nur wegen den internationalen vernetzten Lieferketten unverzichtbar geworden, sondern auch wegen seiner Dominanz bei manchen Hochtechnologie-Produkten. Eine ebenso grosse Rolle spielt der riesige chinesische Binnenmarkt, auf dem auch Schweizer Unternehmen gute Gewinne erzielen. Während ein Abkoppeln von Russlands Rohstofflieferungen kurzfristig für Schmerzen sorgt, würde ein Bruch mit China für Europa und die Schweiz viel grössere Verwerfungen bedeuten.

Ganz konkret auf die Probe gestellt würde das Schweizer Verhältnis zu China aber dann, wenn sich Xi Jinping zum Angriff auf die abtrünnige Provinz Taiwan entschliessen sollte. Für viele China-Kenner lautet die Frage nicht mehr ob, sondern nur noch wann das passieren wird. In diesen Fall dürfte sich eine Phalanx der Demokratien formieren, die sich von Nordamerika über Europa bis nach Japan, Südkorea und Australien hinziehen wird.

Und die Schweiz? Die neutrale Schweiz sähe sich vor die Wahl gestellt, ob sie ihren pragmatischen Mittelweg beizubehalten versucht oder ob sie sich wird einreiht, wie sie es schon bei den Sanktionen gegen Russland getan hat. Tut sie es nicht, wird sie unweigerlich von westlicher Seite und von den USA unter Druck kommen. In diesem Kontext wird sich die künftige Debatte um die von der SVP lancierte Neutralitätsinitiative abspielen. Die Chinafrage wird das Ringen über eine absolute, kooperative oder wie auch immer geartete Neutralität mitbestimmen.

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