A Risk Named Biden

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Ein Risiko namens Biden

Der Wahlerfolg der Demokraten ist kein Argument für eine Wiederkandidatur

Es scheint ein ehernes Gesetz der Geschichte zu sein: Positive Ereignisse haben meist unerwünschte Konsequenzen. Genauso findet sich im Unglück oft der Keim für eine Wende zum Besseren.

Dieses Phänomen ließ sich in der US-Politik besonders häufig beobachten. Die Bürgerrechtsbewegung der 1960er-Jahre löste eine Gegenbewegung aus, die das Land scharf nach rechts rücken ließ – zum Schaden vieler Afroamerikaner. Auch die gefeierte Wahl von Barack Obama zum Präsidenten 2008 mobilisierte rechtspopulistische Kräfte, die schließlich Donald Trump ins Weiße Haus hoben. Dessen Bestellungen erzkonservativer Richter führten dazu, dass das Recht auf Abtreibung ausgehebelt wurde. Doch gerade dieser Tiefschlag für Millionen von Amerikanerinnen hat viel dazu beitragen, dass die Demokraten trotz widriger Umstände die Zwischenwahlen erfolgreich geschlagen haben.

Auch dieser Erfolg könnte sich als Pyrrhussieg erweisen. Denn vieles deutet darauf hin, dass Präsident Joe Biden das gute Abschneiden seiner Partei für sich reklamiert und sich in seiner Absicht bekräftigt sieht, 2024 erneut für das Präsidentenamt zu kandidieren. Das wäre hochriskant.

In zwei Jahren stünde Biden knapp vor seinem 82. Geburtstag; am Ende der anvisierten Amtszeit wäre er 86. Das wäre selbst für Ämter, die weniger herausfordernd wären als die Präsidentschaft der USA, eine schwere Bürde. Sein Alter wäre daher ein Dauerthema im Wahlkampf, vor allem, wenn er gegen den Gouverneur von Florida, den Mittvierziger Ron DeSantis, antreten muss. Aber auch Trump wirkt, obwohl nicht viel jünger, deutlich agiler als Biden.

Eigenwillige Entscheidungen

Abgesehen von seinem Alter war und ist Biden kein besonders talentierter Politiker, trat immer schon gerne ins Fettnäpfchen und neigt zu eigenwilligen Entscheidungen mit oft desaströsen Konsequenzen – etwa den überhasteten Abzug aus Afghanistan gegen den Rat der meisten Militärexperten.

Biden ist ein schwacher Wahlkämpfer; selbst 2020 wäre die Kandidatur gegen Trump trotz dessen katastrophaler Bilanz fast schiefgegangen. Seine Unbeliebtheit ist nicht nur die Folge der Inflation und anderer Probleme. Sie hat viel mit seiner Person zu tun.

Mit einem frischen Kandidaten oder einer frischen Kandidatin hätten die Demokraten 2024 sicher bessere Chancen. Anwärter gibt es genügend, darunter auch weniger bekannte Namen. Es muss nicht automatisch die eher profillos gebliebene Vizepräsidentin Kamala Harris sein. Ein offener Vorwahlkampf ist eine Gelegenheit für eine spannende inhaltliche Auseinandersetzung, die die späteren Chancen auf einen Sieg nicht schmälert.

Aber dafür müsste Biden die Partei und die Nation vor seine eigene Person stellen. Das scheint ihm genauso schwerzufallen wie Trump, der für seine Partei eine ebenso große Belastung darstellt wie Biden für seine. Die Starrsinnigkeit alter Männer dürfte in den kommenden Wochen die US-Politik bestimmen.

Trumps Rückkehr ins Weiße Haus wäre eine Gefahr für die US-Demokratie. Aber auch ohne ihn ist die Republikanische Partei so weit nach rechts gerückt, dass sie von der Macht unbedingt ferngehalten werden muss.

Mit einem Verzicht auf eine zweite Amtszeit würde Biden als Bollwerk gegen die autoritäre Gefahr in die Geschichtsbücher eingehen. Tritt er wieder an, ebnet er ihr womöglich den Weg. (Eric Frey, 15.11.2022)

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