Die Demokraten halten ihre Mehrheit im US-Senat. Warum dieser Erfolg für sie so wichtig ist – und es trotzdem noch auf die Stichwahl in Georgia ankommt.
Die Demokraten können sich an diesem Sonntag freuen: Nevada bleibt blau, Catherine Cortez Masto hat ihre Wiederwahl zur Senatorin für den US-Bundesstaat gewonnen. Das ergeben die Hochrechnungen der wichtigsten US-Medien. Damit kann die Demokratische Partei ihre Mehrheit in zumindest einer der beiden Kammern des Kongresses halten.
Dieser Sieg wird Präsident Joe Biden in den verbliebenen zwei Jahren seiner Amtszeit allerdings keine neuen politischen Akzente oder gar große Reformen ermöglichen. Auch bislang schon half ihm die winzige Mehrheit im Senat nur bedingt, weil viele Vorhaben am Widerstand aus den eigenen Reihen scheiterten.
Dazu kommt, dass die Wahl zum Repräsentantenhaus, der zweiten Kammer des Kongresses, noch nicht fertig ausgezählt ist. Holen die Republikaner hier die Mehrheit, wonach es derzeit aussieht, käme es zu einem sogenannten split congress: Der Senat wäre in der Hand der Demokraten, im Repräsentantenhaus hätten dagegen die Republikaner die Oberhand. Einen solchen geteilten Kongress hat es gerade nach Midterms schon häufig gegeben. Für den jeweils amtierenden Präsidenten war das nie eine angenehme Zeit, nutzt doch die Opposition jede Gelegenheit, um seine Politik zu blockieren. Die Republikaner könnten Biden das Leben mit Untersuchungsausschüssen oder gar möglichen Amtsenthebungsverfahren schwer machen. Letztere allerdings würden an der Senatsmehrheit der Demokraten scheitern.
Nicht irgendein Bundesstaat
Mit einer Mehrheit im Senat ist die Regierung zudem in der Lage, Posten für wichtige Ämter zu besetzen, nicht nur in Behörden. Auch Richterinnen an Bundesgerichten, darunter dem Supreme Court, werden vom Präsidenten nominiert und müssen vom Senat bestätigt werden. Damit bleibt den Demokraten eine Handlungsmöglichkeit erhalten, die in diesen Zeiten immer wichtiger wird. Nicht nur am Supreme Court, auch an Gerichten im ganzen Land versuchen konservative bis rechte Kräfte zunehmend, ihre Politik per Klage durchzusetzen. Vor allem gegen die vielen Versuche, das Wahlrecht zu beschränken, braucht es Verbündete an den Gerichten.
Auch über die Kontrolle im Senat hinaus ist dieser Wahlerfolg für die Demokraten wichtig. Nevada ist – ebenso wie Arizona und Pennsylvania, wo die Demokraten es schafften, einen Senatssitz von den Republikanern zurückzuerobern – nicht irgendein Bundesstaat. Sondern einer, der hart umkämpft war, ein sogenannter battleground state. Dass die Demokraten dort ihren Sitz behalten konnten, ist ein Signal: Die “rote Welle”, von der die Republikaner geträumt hatten und die viele Wahlbeobachter schon über das Land hereinbrechen sahen, ist ausgeblieben. Dabei ließ sich die Biden-Regierung leicht attackieren angesichts der hohen Inflation, gegen die sie weitgehend machtlos ist. Dass die Republikaner aber nicht einmal damit punkten konnten und sich außerdem beim Thema Schwangerschaftsabbrüche verhoben, macht diese Niederlage umso deutlicher.
Die Senatskandidaten in Arizona und Pennsylvania hatte Donald Trump persönlich aufgebaut und sie im Wahlkampf unterstützt, sie scheiterten wie viele andere Trump-Anhänger bei diesen Wahlen. Umso hartnäckiger wird der ehemalige Präsident jetzt versuchen, sich die Macht über die Partei zu sichern. Dabei wird den Republikanern immer klarer, dass Trump für sie mehr Belastung sein könnte als Pull-Faktor. Dass Trump an diesem Dienstag höchstwahrscheinlich seine erneute Präsidentschaftskandidatur verkünden wird, hilft da nicht.
51 statt 50 – ein kleiner, aber wichtiger Unterschied
Ob der Demokrat Raphael Warnock in Georgia die Stichwahl gegen den Republikaner Herschel Walker gewinnt, ist trotzdem noch wichtig für die Demokraten. Denn es macht einen kleinen, aber wichtigen Unterschied, ob sie 50 oder 51 Senatoren und Senatorinnen stellen. Mit dieser Zahl würde sich auch die Zusammensetzung des Justizausschusses des Senats verschieben: von jeweils elf Mitgliedern zu zwölf für die Demokraten und zehn für die Republikaner.
Bislang war es den Republikanern dort durch das Patt möglich gewesen, durch eine Ablehnung aller ihrer elf Mitglieder die Ernennung von Richterinnen und Richtern über Wochen zu blockieren. Die Nominierung musste dann formell zurückgezogen und anschließend an den gesamten Senat überwiesen werden. Dort konnten es die Demokraten mit der Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris ermöglichen, die Kandidatinnen und Kandidaten doch noch durchzubekommen. Bei der Ernennung von Ketanji Brown Jackson, der ersten Schwarzen Richterin am Supreme Court, war das genauso der Fall wie bei diversen Ernennungen für Posten an Bundesgerichten.
Verteidigt Warnock seinen Sitz in Georgia, wäre diese Verzögerungstaktik nicht mehr möglich. Mit einer Mehrheit im Justizausschuss könnten die Demokraten künftig wesentlich schneller Kandidaten ernennen. Beide Parteien werden deshalb in den kommenden zwei Wochen bis zur Stichwahl am 6. Dezember viel Zeit und Geld in den Wahlkampf zwischen Walker und Warnock stecken, um auch die Wählerinnen und Wähler zu überzeugen, die denken, es komme eh nicht mehr auf ihre Stimme an.
Jeder Puffer hilft
Die Parteiführung der Demokraten hofft außerdem auf einen Sieg in Georgia, um für mehr Disziplin in der Fraktion zu sorgen. In den vergangenen Monaten waren viele politische Vorhaben auch am Widerstand in den eigenen Reihen gescheitert: Die Senatoren Joe Manchin und Kyrsten Sinema weigerten sich etwa, die Geschäftsordnung des Senats zu ändern, mit der die Demokraten zentrale Vorhaben wie eine Wahlrechtsreform hätten durchsetzen können. Beide standen nicht zur Wiederwahl, werden also auch dem nächsten Senat angehören. Um sie beide rein zahlenmäßig zu überstimmen, bräuchten die Demokraten eigentlich zwei Sitze mehr als bisher. Holen sie nun aber auch noch Georgia und haben 51 statt bisher 50 Senatoren und Senatoren, würde sich das Erpressungspotential von Manchin und Sinema halbieren.
Und schließlich wären 51 Sitze eine denkbar gute Ausgangsposition für die nächsten Wahlen 2024. Diesmal wurden 35 Sitze des Senats neugewählt, in zwei Jahren stehen dagegen 33 Sitze in anderen Bundesstaaten zur (Wieder-)Wahl. Dann könnte es schwerer werden für die Demokraten, den Senat zu halten. Ob in Ohio, Virginia oder Montana: Insgesamt 21 Sitze, die derzeit noch von einer Demokratin oder einem Demokraten besetzt sind, stehen zur Wahl, aber nur zehn republikanische. Kurz: Die Demokraten haben in zwei Jahren mehr zu verlieren als die Republikaner. Da hilft jeder Puffer, auch ein einziger Sitz in Georgia.
Und welche Rolle spielte und spielt Joe Biden bei alldem? Dieser Wahlerfolg sei ihm zu verdanken, schreibt die demokratische Senatorin Elizabeth Warren, ausgewiesene Sozialpolitikerin und regelmäßige Kritikerin der Regierung. Biden habe sich “den Behauptungen von Ökonomen aus dem Elfenbeinturm” widersetzt und “signifikanten wirtschaftlichen Fortschritt für die arbeitende Bevölkerung erreicht”, lobte ausgerechnet sie. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil weite Teile der Partei versucht hatten, Biden angesichts schlechter Umfragewerte in den letzten Wochen des Wahlkampfs von ihren Kandidaten fernzuhalten. Auch Cortez Masto machte in Nevada lieber Wahlkampf ohne ihn, dafür mit dem früheren Präsidenten Barack Obama. Jetzt setzen die Demokraten wieder auf Geschlossenheit.
Der Präsident selbst ist auf Reisen, flog zur Klimakonferenz nach Ägypten, nach Kambodscha und dann weiter zum G20-Gipfel auf Bali. “Ich fühle mich gut und freue mich auf die kommenden Jahre”, sagte Biden bei einer Pressekonferenz in Phnom Penh. Jahre? Auch er dürfte wissen, dass dieser Erfolg nur eine Momentaufnahme ist. Bald schon wird sich die Frage stellen, ob die Demokraten den Schwung behalten können, der ihnen nun den Senat gesichert hat. Und ob Joe Biden dann der Mann ist, der sie in den nächsten Wahlkampf führen soll.
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