No One Has Pushed Anyone into Anything

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Der deutschen Ankündigung, der Ukraine Kampfpanzer zu liefern, folgen nun auch die USA – und das entschlossen. Ein Deal aber soll dies nicht gewesen sein. Nur: was dann?

Nun ist es offiziell: Auch die USA werden der Ukraine Kampfpanzer liefern. Präsident Joe Biden verkündete, man werde den ukrainischen Streitkräften 31 Abrams-Panzer zur Verfügung stellen. Nur Stunden zuvor hatte die Bundesregierung bekannt gegeben, dass 14 Leopard-Panzer aus Deutschland geliefert werden sollen. Auch der Weitergabe von Leopard-Panzern durch verbündete Staaten wie Polen stimmt sie zu.

Damit scheint plötzlich gelöst, was vor einigen Tagen noch unlösbar schien. Die USA wollten keine Abrams liefern – aber genau das hatte Bundeskanzler Olaf Scholz laut Medienberichten in unterschiedlichen Gesprächsrunden zur Bedingung dafür gemacht, dass die Ukraine die Leopard-Panzer bekommt, um die sie so dringlich gebeten hatte. Ist das nun also ein solcher Deal? Und was genau passierte in jenen viereinhalb Tagen, die zwischen der Konferenz der Ukraine-Alliierten in Ramstein und der Bekanntgabe der Panzerlieferungen lagen?

Darüber dringt bislang wenig nach außen. Die begleitenden Äußerungen und Reaktionen auf beiden Seiten erzählen dennoch einiges über die Dynamik hinter dieser Entwicklung.

In seiner Ansprache lobte Biden Scholz: Er wolle dem Kanzler danken, sagte der US-Präsident, für seine “Führung und sein unerschütterliches Engagement” für die Ukraine. Er sei aber, sagte Biden auf Nachfrage, nicht durch Deutschland zur Panzerentscheidung gedrängt worden. Scholz wiederum sagte im Bundestag: “Es ist richtig, dass wir uns nicht haben treiben lassen.” Niemand drängte irgendjemanden zu irgendwas, diese Botschaft wollen beide Seiten offenbar dringend gehört wissen. Also ein Deal soll es nicht gewesen sein. Nur – was dann?

Durch Deutschlands Zögern hatte in den vergangenen Tagen Druck auf Biden gelastet, der sich auch im eigenen Land verstärkt hatte. “Wenn wir ein paar Abrams-Panzer liefern, wird das die Schleusentore öffnen”, sagte Lindsey Graham, einer der prominentesten Republikaner im Senat. Und sein Parteikollege Michael McCaul, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, forderte, man solle wenigstens “einen einzigen Panzer” schicken: “Deutschland wartet auf uns.”

Dass die USA nun exakt 31 Abrams-Panzer liefern wollen, ist in diesem Zusammenhang umso interessanter. Die Zahl orientiert sich an der Größe eines ukrainischen Panzerbataillons, heißt es aus dem US-Verteidigungsministerium. Das lässt sich einerseits als Zeichen deuten, dass diese Lieferung nicht als halbherziger Geleitschutz für jene aus Deutschland verstanden werden soll, sondern vor allem anderen als Hilfe für die Ukraine. Es soll auf keinen Fall so aussehen, als tue man dies vorrangig, um Scholz entgegenzukommen.

Die Gründe dafür dürften nicht nur im Beistand für die Regierung in Kiew liegen. Es spielen dabei auch innenpolitische Überlegungen eine Rolle, die wiederum eng mit dem Schicksal der Ukraine verbunden sind. Je länger sich der russische Angriff zieht, desto mehr droht der Rückhalt für die US-amerikanischen Hilfen zu schwinden. Auch damit erklärt sich, dass die Biden-Regierung sich lange damit zurückhielt, die Abrams-Panzer zu schicken: Jede Investition will wohlüberlegt sein vor dem Hintergrund, dass der Krieg noch lange dauern und weitere Milliardenpakete an den Republikanern im Kongress scheitern könnten mit dem Argument, das habe jetzt alles schon genug gekostet. Die Lieferung der Abrams, deren Bedienung und Wartung – das wiederholten US-Vertreter zuletzt immer wieder – als kompliziert und kostspielig gelten, sind ein Schritt, mit dem man sich in Washington nicht leichtgetan hat.

Dass die Biden-Regierung nun gleich 31 Stück senden will, lässt sich fast trotzig interpretieren: Wenn schon, denn schon. Die Ukraine soll keine symbolische Handvoll Panzer bekommen, sondern sich bestmöglich – und so lange wie nötig – verteidigen können. Aber das eben nicht nur mit US-amerikanischer Hilfe, sondern vor allem auch mit europäischer und besonders mit deutscher. Letztere wird immer bedeutender, je langfristiger der Blick – auch auf einen möglichen Konflikt in Taiwan. Die USA erwarten von Europa und gerade von Deutschland, sich sicherheitspolitisch stärker zu engagieren. Und es wog offenbar die eigenen Bedenken auf, den dafür nötigen Schritt in Richtung Panzerallianz zu gehen.

Als habe nie Zweifel bestanden

Nur soll es eben nicht so wirken – und das gilt für beide Seiten. Eine Kehrtwende der US-Politik, heißt es aus dem Pentagon, liege nicht vor. Lieber betont man dort die kontinuierliche “Führungsstärke” Bidens, während umgekehrt Teile der SPD stolz verkünden: “Scholz liefert”. Für sich genommen stimmt natürlich beides. Aber das mutmaßliche Tauziehen um die Deutungshoheit legt nahe, dass diese Episode Eindrücke im deutsch-amerikanischen Verhältnis hinterlassen wird.

Biden betonte in seiner kurzen Rede immer wieder die “Einigkeit” mit Deutschland und anderen Verbündeten. Befremdlich könnte man in Washington deshalb die Rhetorik aus Berlin finden, die vor allem die eigene Entscheidung feierte – und einigermaßen widersprüchlich wirkte. In den vergangenen Tagen hatte die Bundesregierung großen Wert darauf gelegt, dass Scholz vorsichtig sei, aber kein Zauderer: Die Sorge vor einer möglicherweise nuklearen Eskalation durch Russland, das war immer wieder wahrzunehmen, wog schwer. Nun, da die Entscheidung für die Kampfpanzer da ist, wird sie so euphorisch begleitet, als habe sie nie in Zweifel gestanden. “#LeopardsAreFree”, schrieb der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), auf Twitter. Die deutsche Botschafterin in Washington, Emily Haber, veröffentlichte ebenfalls auf Twitter ein Bild, das einen zähnefletschenden Leoparden zeigt, löschte es aber später wieder.

Was derweil ihre US-amerikanische Kollegin Amy Gutmann schrieb, klang weniger nach Jubel, sondern höflich distanziert. “Wir begrüßen die Ankündigung von Bundeskanzler Scholz, dass Deutschland Leoparden zur Verfügung stellen und Transfers anderer Länder genehmigen wird”, twitterte sie. “Wir applaudieren Verbündeten und Partnern für alles, was sie bisher getan haben.” Das Bündnis soll unverändert stark erscheinen. Der Blick auf Deutschland als sicherheitspolitischen Partner aber dürfte in den vergangenen Tagen nicht weniger skeptisch geworden sein.

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