Biden Is Better Than Obama

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Joe Biden ist kein politischer Rockstar wie Barack Obama. Aber er ist schlau. Viele Journalisten haben das übersehen – und ihn unterschätzt. Jetzt zeigt sich: Biden ist ein wahrer Staatsmann. Und: Es gelang ihm, den rechtsradikalen Möchtegernautokraten Trump deutlich zu schlagen.

Kein Zweifel, Barack Obama ist ein Rockstar. Der Mann kann reden; er hat Humor, auch Selbstironie; und dann sieht er auch noch unverschämt gut aus. Dass ihm von Anfang an überall auf der Welt — nicht nur in Amerika — die Herzen entgegenflogen, ist keine Überraschung.

Obama musste sich eigentlich nur irgendwo hinstellen, und es wirkte cool. Und er konnte auch anders; er hatte und hat eine empfindsame Seite. Nachdem 2017 ein rassistischer Massenmörder in einer schwarzen Kirche neun Menschen erschossen hatte, trat Obama dort auf und sang „Amazing Grace“. Wem dabei nicht die Tränen in die Augen schossen, der war innerlich selber längst tot.

Aber als Präsident? Barack Obama hat in seiner Amtszeit immerhin eine wichtige Reform durch den Kongress geboxt: Er hat mit seinem „Affordable Care Act“ dafür gesorgt, dass heute weniger Amerikaner ohne Krankenversicherung sind als je zuvor. Wer das für unwichtig hält, sei hiermit herzlich eingeladen, sich einmal in die Notaufnahme eines amerikanischen Krankenhauses zu begeben und dort nachzuschauen, wie Leute ohne Krankenversicherung nach fünf oder sechs Stunden Wartezeit verarztet werden.

Aber über den „Affordable Care Act“ hinaus ist Obama wenig gelungen. In der Außenpolitik etwa verstand er nie, was die Stunde geschlagen hatte. Natürlich verachtete er Wladimir Putin — praktische Konsequenzen hatte das keine. Die Russen durften in Georgien einmarschieren, Syrien verwüsten, Donald Trumps Wahlkampf unterstützen, ohne dass je in Moskau die Lichter ausgegangen wären.

Respekt und Sympathie schwarzer Amerikaner

Joe Biden war nie ein politischer Rockstar. Die Journalisten haben ihn von Anfang an unterschätzt: Im Vorwahlkampf von 2019 richteten sich alle Augen auf Bernie Sanders, auf Elizabeth Warren, auf Kamala Harris; Joe Biden galt als täppischer Alter, der keinen geraden Satz über die Lippen bringt. Daran ist Folgendes wahr: Biden hat als Kind schwer gestottert. Er hat gelernt, sein Stottern durch Nuscheln zu kaschieren.

Den Journalisten entging völlig, dass Biden den Respekt und die Sympathie beinahe aller schwarzen Amerikaner genießt — einen Respekt, den er sich durch die Jahrzehnte redlich verdient hat. Die Journalisten übersahen außerdem, dass Joe Biden etwas schaffte, was außer ihm kein anderer Kandidat geschafft hätte: Er versöhnte die Parteilinken mit den Leuten in der Mitte. Und so gelang es ihm, den rechtsradikalen Möchtegernautokraten Trump deutlich zu schlagen.

Das war nur die erste seiner Leistungen. Er schaffte es auch, in einem tief zerrissenen Land mit Unterstützung der Republikaner einen Infrastrukturplan zu verabschieden, der Amerika grundlegend zum Besseren verändern wird; und er hat gegen den wütenden Widerstand der Republikaner Sozialreformen durchgedrückt, die mindestens so ehrgeizig sind wie Roosevelts „New Deal“ der Dreißigerjahre. Zugutekommen werden diese Reformen vor allem Menschen in den republikanisch regierten Wahlbezirken. Bidens Wette ist, dass es so gelingen könnte, die Leute dort aus ihrem Hass und Wahn zu befreien. Wir werden sehen, ob das funktioniert.

Biden ist kein großer Rhetoriker — das hat ihn aber nicht davon abgehalten, ein paar glänzende Reden zu halten. Etwa die Ansprache, in der er vor den „Maga-Republikanern“, den Trump-Anhängern, warnte, die eben gerade keine Konservativen, sondern gewaltbereite Feinde der Demokratie seien.

Vor allem ist Biden ein Fuchs. Er ist nicht nur klug, sondern außerdem noch schlau. Das hat er in seiner jüngsten Ansprache vor beiden Häusern des Kongresses bewiesen, in der er eine rhetorische Falle aufstellte, in die die Republikaner prompt hineintappten: Er sprach davon, dass manche Republikaner die Krankenversicherung für Senioren und die Sozialversicherung beenden wollten. Wütendes Protestgeheul! Und Biden ließ die Falle zuschnappen: Dann seien sich ja alle einig, sagte er — keine Kürzungen bei Kranken- und Sozialversicherung. So geht Politik, wenn man weiß, wie die Maschine funktioniert, wo man die Hebel ansetzen muss, auf welche Knöpfe man zu drücken hat.

Außenpolitische Erfahrung aus Zeiten des Kalten Krieges

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Und außenpolitisch? Viele haben Biden seinerzeit den Rückzug aus Afghanistan verübelt. Aber dieser Krieg war schon seit mindestens einem Jahrzehnt verloren — es fand bisher nur keine Regierung (auch nicht die Regierung Obama) den Mut, das Verlorene verloren zu geben. Biden befand sich in der Lage eines Wirtshausbesuchers, auf dessen Kosten seine Vorgänger kräftig gebechert haben und der am Ende allein mit der Rechnung dasitzt. Im Rückblick wird klar, dass seine Entscheidung ungeheuer schmerzhaft — und ungeheuer richtig war. Man stelle sich vor, die amerikanischen Kräfte wären immer noch in Afghanistan gebunden; es wäre fatal.

Wir haben großes Glück, dass mit Joe Biden ein Mann im Weißen Haus sitzt, der seine prägenden außenpolitischen Erfahrungen in der Zeit des Kalten Krieges gemacht hat. Er weiß aus jener Zeit, dass die Nato für Amerika unverzichtbar ist; dass gegen russische Atomwaffen die Abschreckung durch amerikanische Atomwaffen hilft; dass Aggression nicht belohnt werden darf; dass Treue zu Verbündeten sich lohnt, auch wenn sie finanziell etwas kostet.

Aber es gibt noch eine zweite Erfahrung, die Biden in sein Amt mitgebracht hat — eine Erfahrung, die Europäer längst vergessen haben. Dabei ist es nur dreißig Jahre her, seit die Serben einen völkischen Vernichtungskrieg gegen das multiethnische Bosnien führten. Die Europäer haben damals so gut wie nichts getan, um den Schlächtern entgegenzutreten.

Holländische Blauhelme haben in Srebrenica sogar mit serbischen Kriegsverbrechern Sekt getrunken, ehe die zum Massaker schritten. Biden hat sich seit damals Folgendes gemerkt: Auf die Europäer ist kein Verlass. Sie brauchen die Vereinigten Staaten, um zu ihrem besseren Selbst zu finden. Ohne oder gegen Amerika sind die Europäer entweder hilflos oder gefährlich.

Besuch in Kiew Gipfel seiner Präsidentschaft

Mit seinem Besuch in Kiew hat Joe Biden den bisherigen Gipfelpunkt seiner Präsidentschaft erreicht. Niemand, der sie gesehen hat, wird je die Bilder vergessen, wie er mit dem ukrainischen Präsidenten unerschrocken durch die Stadt spazierte, während die Luftschutzsirenen jaulten. Dieser Moment kann nur noch mit John F. Kennedys Besuch in Berlin verglichen werden. Oder mit Ronald Reagans Besuch an der Berliner Mauer anno 1987. Joe Kennedys Bekenntnis „Ich bin ein Berliner“ und Ronald Reagans Aufforderung „Reißen Sie diese Mauer ein, Herr Gorbatschow“ entsprechen die folgenden Sätze von Joe Biden: „Die Ukraine steht. Die Demokratie steht. Und Amerika und die Welt stehen an eurer Seite.“

In gewissem Sinn sind Bidens Sätze sogar noch prägnanter — keiner seiner Vorgänger nahm für seine Reisen besondere Strapazen auf sich. Biden dagegen absolvierte eine zehnstündige Reise mit der Eisenbahn und wagte sich in ein Land, dessen Luftraum nicht gesichert ist.

Vielleicht sollte es offen ausgesprochen werden: Joe Biden, der kein Rockstar ist, ist der bessere Präsident als Barack Obama. Er glänzt nicht, aber er versteht das Geschäft besser. Er scheut sich nicht, schwierige Entscheidungen zu treffen — während Obama sie gern immer weiter nach hinten verschob. Und er weiß, dass man den Kampf gegen die Feinde der liberalen Demokratie führen muss — im Inneren wie im Äußeren.

Natürlich kann es sein, dass ihn morgen der Blitz trifft. Oder dass er zu einer zweiten Amtszeit gar nicht mehr antritt; dass ihn bald ein Jüngerer oder eine Jüngere beiseite drängt. Wer weiß? Klar ist nur eines: Die Journalisten, die ihn von Anfang an abgeschrieben haben, weil er stammelt und alt ist, werden den Fuchs Biden auch weiterhin unterschätzen.

Von dem genialen Zyniker Ambrose Bierce stammt die Definition, ein Staatsmann sei „ein toter Politiker“. Aber sollten wir Joe Biden nicht – ganz unzynisch – schon jetzt einen Staatsmann nennen?

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