On the Road to a New Cold War

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Begleitet von harter Rhetorik entfernen sich China und die USA immer weiter voneinander. Das hat mit Russland zu tun – und mit Chinas Angst vor einer “asiatischen Nato”.

Hat Xi Jinping es nicht gesagt? China werde von den Vereinigten Staaten und deren Verbündeten “eingedämmt, eingekreist und unterdrückt”, zürnte der chinesische Partei- und Staatschef vor ein paar Tagen. Xi äußerte sich am Rande des Nationalen Volkskongresses, der jährlichen Sitzung des Parlaments, die am heutigen Montag in Peking zu Ende geht. Und genau an diesem Montag treffen sich im kalifornischen San Diego der US-Präsident Joe Biden, der australische Ministerpräsident Anthony Albanese und der britische Premier Rishi Sunak. Sie wollen ihre Pläne zum gemeinsamen Bau atomar angetriebener U-Boote für Australien bekannt geben. Eine strategische Weichenstellung, denn diese Waffen richten sich gegen China. Wenn das keine Eindämmung ist.

Willkommen in einer Welt, die in bestürzendem Tempo einem zweiten Kalten Krieg entgegen rast. Dass es einen solchen überhaupt geben könne, haben Politiker und strategische Vordenker lange bestritten. Zu eng seien die beiden heutigen Supermächte China und USA wirtschaftlich und finanziell miteinander verflochten. Die Sowjetunion dagegen sei nie ein bedeutsamer Teil der Weltwirtschaft gewesen. Im ersten Kalten Krieg hätten sich Ost und West wie zwei fremde Universen gegenübergestanden. Weil es keine Verbindungen gegeben habe, keine stabilisierenden gegenseitigen Abhängigkeiten, habe die Welt am atomaren Abgrund getaumelt.

Ein plausibles Argument. Nur lösen die beiden Weltmächte gerade, was sie aneinander bindet. Die USA erschweren der eigenen Industrie und den Unternehmen ihrer Verbündeten den Export von technologischen Spitzenprodukten wie Mikrochips der jüngsten Generation nach China. Die Volksrepublik wiederum will bei den Schlüsseltechnologien nicht vom Westen abhängig sein und setzt auf Autarkie. Begleitet wird der wirtschaftlich-technologische Konfrontationskurs von eskalierender Rhetorik. Wenn “Amerika nicht auf die Bremse tritt, sondern weiter auf dem falschen Weg beschleunigt”, warnte der neu ins Amt gekommene Außenminister Qin Gang vorige Woche, könne das “katastrophale Folgen” haben.

Es gibt viele Gründe, warum die Spannungen zwischen den beiden Weltmächten wachsen. Der wichtigste Grund ist Wladimir Putins Angriff auf die Ukraine. Peking hat sich klar auf die Seite Russlands gestellt. Seit über einem Jahr weigert China sich, die russische Aggression zu verurteilen. Der Ton zwischen Peking und Moskau wird im Gegenteil immer kameradschaftlicher. Schuld am Unglück der Ukraine ist für China, ganz nach Putins eigenem Narrativ, die von den USA betriebene Ost-Erweiterung der Nato, die den “legitimen Sicherheitsinteressen” Russlands zuwiderlaufe.

Fast klingen die chinesischen Äußerungen wie ein Vorwurf gegen die USA, in der Ukraine eine Art Stellvertreterkrieg zu führen. Chinas Außenminister Qin Gang mutmaßt, der Krieg werde von einer “unsichtbaren Hand” gesteuert. Diese missbrauche “die Ukraine-Krise, um bestimmte geopolitische Ziele zu erreichen”. Im Interesse der “unsichtbaren Hand” sei es, wenn sich der Krieg in die Länge ziehe. Zum Beispiel durch Waffenlieferungen.

Es wird zu viel gerüstet und zu wenig geredet

Das sind ziemlich aberwitzige Unterstellungen. Aber auch manche US-amerikanische Antwort auf die chinesische Herausforderung wirkt hysterisch und erinnert in ihrer ideologischen Zuspitzung tatsächlich an die Frühphase des ersten Kalten Kriegs. So gibt es im Repräsentantenhaus neuerdings einen “Ständigen Ausschuss für den strategischen Wettbewerb zwischen den Vereinigten Staaten und der Kommunistischen Partei Chinas”. Einen eigenen Kongressausschuss für Chinas KP. Gebildet wurde er im Januar, nachdem die Republikaner im Repräsentantenhaus die Mehrheit übernommen hatten. Der Ausschussvorsitzende Mike Gallagher, Abgeordneter aus Wisconsin, beschreibt die amerikanisch-chinesische Rivalität so: “Wir mögen von einem ‘strategischen Wettbewerb’ sprechen, aber dies ist kein höfliches Tennis-Match. (…) Dies ist ein existenzieller Kampf darum, wie das Leben im 21. Jahrhundert aussehen wird – die fundamentalsten Freiheiten stehen auf dem Spiel.”

Das Wettrüsten im indopazifischen Raum beschleunigt sich derweil mit beängstigender Geschwindigkeit. China baut seine Marine, jetzt schon zahlenmäßig die größte der Welt, und sein Atomwaffenarsenal dramatisch aus. Derzeit dürfte die Volksrepublik über etwa 350 Nuklearsprengköpfe verfügen. Sie liegt damit weit hinter Russland (6.255) und den USA (5.550) zurück. Aber nach Schätzungen des Pentagons könnten es im Jahr 2035 bereits 1.500 Sprengköpfe sein. China wäre dann keine “mittlere Atommacht” mehr wie Frankreich oder Großbritannien, sondern eine nukleare Großmacht.

Die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten in der Region rüsten ihrerseits auf. Japan, die drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, will künftig wie die Nato-Staaten zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgeben. Taiwan hat seinen Militärhaushalt von 10,7 Milliarden US-Dollar im Jahr 2018 auf fast 22 Milliarden US-Dollar 2022 mehr als verdoppelt. Australien erhöhte seine Verteidigungsausgaben 2021 um über sechs Prozent. Und die USA selbst verabschiedeten für 2023 erneut einen Rekordhaushalt für das Pentagon: 816,7 Milliarden US-Dollar.

Auch wird die militärische Zusammenarbeit der westlich ausgerichteten Länder in der Region – Japan, Südkorea, Australien, Philippinen, natürlich Taiwan – mit den USA und untereinander immer enger. Nichts fürchtet China dabei mehr als die von den USA mit Australien und Großbritannien geschlossene Sicherheitspartnerschaft “Aukus”. Zum einen wegen der atomar angetriebenen U-Boote, über deren Bau sich die drei Regierungschefs am heutigen Montag in San Diego endgültig verständigen wollen. Zum anderen, weil die Zusammenarbeit weitere Schlüsseltechnologien wie Cybersicherheit, Künstliche Intelligenz, Quanten-Computing, Hyperschallwaffen und Unterwasserdrohnen umfassen soll. Von Peking aus betrachtet sieht “Aukus” aus wie der Kern einer künftigen “asiatischen Nato”.

Die Sorgen Chinas vor der Aufrüstung des Westens im Indopazifik dürften der Regierung in Washington nur recht sein. Vielleicht lässt sich, so das US-amerikanische Kalkül, die chinesische Führung auf diese Weise ja doch davon abhalten, Wladimir Putins Beispiel zu folgen und gewaltsam nach Taiwan zu greifen. Aber neben einer Demonstration der Stärke wird es kluger Diplomatie bedürfen, um dieses Ziel zu erreichen. Die Vordenker der Eindämmungsstrategie im ersten Kalten Krieg wussten, dass es beides braucht: Rüsten und Reden. Im Augenblick wird viel zu viel gerüstet und viel zu wenig geredet.

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