Ein Masterplan gegen Donald Trump
27. September 2023, 11:47 Uhr
Ein gewaltiges Wirtschaftsprogramm und nun der Schulterschluss mit den streikenden Auto-Arbeitern: Warum Joe Biden so viel Wert auf eine ganz bestimmte Gesellschaftsschicht legt.
Kommentar von Stefan Kornelius
Zu den stets gültigen Merksätzen der Politik gehört Bill Clintons “it’s the economy, stupid”. Wenn ein, pardon, Trottel wie George Bush der Ältere also nicht wahrhaben wollte, dass die Wirtschaft über sein Schicksal im Präsidentenamt entscheidet und nicht das segensreiche Wirken in der Außenpolitik – dann raus mit ihm.
Heute muss der Satz um eine stille, zweite Hälfte erweitert werden, um die Entscheidungshierarchie in der amerikanischen Politik zu verstehen: Es ist nicht nur die Wirtschaft, sondern Donald Trump, der maßgeblich die Schritte Joe Bidens lenkt. In der für US-Verhältnisse bemerkenswert offensiven Einmischung eines Präsidenten in einen Arbeitskampf zugunsten der Gewerkschaft der Automobilarbeiter geht es also nicht nur um Lohngerechtigkeit, sondern vor allem um die Trump-Wählerschaft und noch prinzipieller um den Bestand der amerikanischen Demokratie.
Unbestritten haben zwei Faktoren maßgeblich zu Donald Trumps Erfolg beigetragen: Der wirtschaftliche Absturz der unteren Mittelschicht und der Arbeiterschicht nach der Rezession 2008, und der Lügenpopulismus, der den Wunsch nach einem Rückzug von der Welt mit einem saftigen äußeren Feindbild (Migranten, böse Kriege, China) verband. Im Schock des Kapitol-Sturms hat das Biden-Team zu Beginn seiner Amtszeit die Gesellschaftspyramide analysiert und ist zum Ergebnis gekommen, dass eine Rückkehr Trumps und mithin der Absturz des US-Systems nur verhindert werden kann, wenn die vergessene Mehrheit am eigenen Leib und Geldbeutel spürt, dass die Regierung für sie da ist.
Die Regierung tut viel für die Arbeiterschaft, aber es kommt bisher nicht an
Allein in diesem Quartal ist die US-Wirtschaft wieder um drei Prozentpunkte gewachsen, die Verschuldung der Bevölkerung ist dank großzügiger Steuergeschenke und Einmalhilfen geschrumpft, ein gewaltiges Industrialisierungsprogramm, vermutlich das größte seit Franklin D. Roosevelts New Deal, hat den Arbeitsmarkt beflügelt. Bisher kommt das Geld nicht wirklich in den unteren Schichten an. Einkommenswachstum, Wohlstandsverteilung – alle Indikatoren zeugen davon, wie mühsam der Kampf zugunsten der Arbeiterschicht bleibt. Bidens symbolische Solidarisierung mit dem Streik soll also die Konzerne ermahnen, endlich für mehr Gerechtigkeit zu sorgen.
Über Teil Zwei des Biden’schens Vier-Jahres-Plans zur Bekämpfung des Trumpismus wird am Wochenende entschieden, wenn der radikale Republikanerflügel im Kongress den Haushalt sperren und damit den wichtigsten Teil der Außenpolitik lahmlegen will: die Finanzierung der Kriegshilfe für die Ukraine. Bidens Außenpolitik ist zwar auf geringstmögliche Sichtbarkeit angelegt, aber dennoch verschlingt sie viel Geld und garantiert den USA die stille Rückkehr vom Pazifik bis nach Europa. Ein ordentlicher Batzen des schuldenfinanzierten Biden-Stimulus fließt in den Regierungsapparat und hier besonders ins Militär.
Es gehört zum großen Erfolg dieser Regierung, dass sie ihren Einfluss in Welt erhöht hat, ohne dabei Gegenwehr provoziert zu haben. Es gehört zur Wahrheit, dass diese außenpolitische Präsenz nur im Stillen wiederhergestellt werden konnte, weil ansonsten der innenpolitische Widerstand dank der nach wie vor isolationistischen Grundstimmung gewaltig gewesen wäre. Bidens Doppelstrategie – schuldenfinanzierter Wirtschaftsnationalismus und stiller Interventionismus in der Welt – greift erst langsam. Ihr Zieldatum ist der Wahltag 2024. Die Zielperson ist allein Donald Trump.
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