Die republikanischen Desperados im Kapitol schaden der Demokratie
Die gescheiterte Wahl eines Speakers im Repräsentantenhaus zeigt die totale Politikunfähigkeit der Partei. Freuen kann man sich darüber trotzdem nicht
Der Nahe Osten steht vor einem mörderischen Flächenbrand. Die Ukrainer müssen in ihrem Kampf gegen den russischen Aggressor um den Nachschub mit Waffen und Munition fürchten. Die USA als größte Volkswirtschaft der Welt stehen angesichts versiegender Haushaltsmittel kurz vor einem beispiellosen Regierungsstillstand.
Doch der amerikanische Kongress beschäftigt sich in dieser höchst dramatischen Weltlage mit dem wirklich Wichtigen – mit sich selbst. Fünf Stunden lang versuchte die republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus am Dienstag einmal wieder, einen Sprecher zu wählen. Der Versuch misslang: 217 Stimmen hätte der Kandidat gebraucht. Gerade einmal 200 brachte der ultrarechte Hardliner Jim Jordan im ersten Anlauf zusammen und damit drei weniger als seinerzeit sein schwacher Vorgänger Kevin McCarthy. Den aber hatten die Trumpisten vor zwei Wochen gestürzt.
Keine Hilfe für andere möglich
Man könnte das Ganze für eine Posse halten, die in schrillsten Farben die totale Regierungsunfähigkeit der Republikaner entlarvt. Doch dafür ist der Vorgang viel zu ernst. Ohne einen Speaker nämlich ist das Parlament handlungsunfähig. Es kann weder Hilfen für die Ukraine noch für Israel und schon gar nicht ein Budget für die Regierung beschließen. Deswegen muss der Posten unbedingt so schnell wie möglich besetzt werden.
Vor allem offenbart der Vorgang das ganze Ausmaß des Wahnsinns, der inzwischen die amerikanische Politik beherrscht. Vor knapp zwei Jahren versuchten rechte Schläger, gewaltsam ins Washingtoner Kapitol einzudringen und den urdemokratischen Vorgang einer Wahlbestätigung zu verhindern, um einen unrechtmäßigen Präsidenten ins Amt zu bringen. Inzwischen sitzen die Gesinnungsgenossen des Pöbels im Parlament, und sie verfügen über genügend Stimmen, um die Demokratie von innen zu zerstören.
Aus einer Mischung von populistischer Selbstdarstellung, Kompromissverachtung und Untergangslust haben diese Polit-Extremisten unter Anführung ihres Idols Donald Trump gegen den alten Parlamentssprecher McCarthy rebelliert. Der Abgang des opportunistischen Karrieristen war kein Verlust. Wohl aber muss die damit einhergehende politische Gewichtsverschiebung alarmieren: Es ist den Putschisten tatsächlich gelungen, die Mehrheit der ohnehin schon rechten Fraktion auf einen ultrarechten Kurs zu bringen. Doch trotz massiver Einschüchterungen haben sie bislang nicht die erforderlichen Stimmen, um ihren Hardliner-Kandidaten im Plenum durchzusetzen.
Keine Kompromisse möglich
Politik lässt sich so nicht machen. Aber das ist den republikanischen Desperados auch nicht wichtig. Ihnen geht es alleine um den Krawall und die immer radikalere öffentliche Pose. Selbst wenn der Trumpist und Wahlleugner Jordan im dritten, vierten oder hundertsten Wahlgang gewählt würde, säße er daher auf demselben Schleudersitz wie sein Vorgänger. Beim kleinsten Kompromiss, ohne den keine Gesetzgebung möglich ist, müsste er mit seinem Rausschmiss rechnen.
Der einzige Ausweg aus dieser fatalen Demokratie-Destruktion wäre eine im Zweiparteiensystem der USA bislang unbekannte Koalition: Die verbliebenen halbwegs moderaten Republikaner müssten ihre Loyalität zu Trump brechen und zusammen mit den Demokraten einen Kompromisskandidaten wählen. Doch aus Furcht vor ihren Wählern und dem Bannstrahl des Partei-Paten sind sie dazu bislang nicht bereit. So wird der Kongress wohl noch weiter im Chaos versinken. Wie tief, vermag derzeit niemand zu sagen. Man kann nur hoffen, dass irgendwann doch noch der Befreiungsschlag kommt. Wahrscheinlich ist das nach den bisherigen Erfahrungen nicht.
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