Der amerikanische Kongress missachtet seine wichtigsten Aufgaben
Die Republikaner im Kongress haben die dringend benötigten Hilfen für die Ukraine blockiert und machen sich in die Weihnachtsferien auf. Noch ist nicht alles verloren. Die Demokraten haben es in der Hand, ihre Opponenten in die Pflicht zu nehmen.
Politik ist manchmal ein frustrierendes Theater. Das wäre nicht so schlimm oder könnte gar als unterhaltsamer Zeitvertreib betrachtet werden, wenn es nicht mitunter immense Kosten und Risiken für unbeteiligte Dritte nach sich zöge. Genau das geschieht bereits im Fall der amerikanischen Militär- und Finanzhilfe, welche die Ukraine dringend braucht, um sich gegen die erdrückende Militärmacht Russlands zu verteidigen.
Der amerikanische Kongress macht sich diese Woche in die Weihnachtsferien auf, ohne das von der Administration Biden vorgelegte Finanzpaket zu beschliessen, das Militärhilfe im Umfang von 44 Milliarden Dollar für die Ukraine sowie Gelder für Israel und den Grenzschutz im Süden der USA enthalten hätte. Selbst der Besuch des ukrainischen Präsidenten Selenski in Washington und persönliche Gespräche mit den wichtigsten republikanischen Amtsträgern vermochten die Blockade nicht zu lösen.
Dabei wissen alle, dass das Land wegen zunehmenden Mangels an Munition an der Front sowie für den Schutz der Städte und der Zivilbevölkerung vor Luftangriffen unter gewaltigem Druck steht. Nach dem Scheitern der Gegenoffensive sind die ukrainischen Truppen in die Verteidigungsposition zurückgekehrt. Die Linien lassen sich nur unter erschreckend hohen Verlusten gegen den Ansturm der russischen Invasionstruppen mit ihren schier unerschöpflichen Reserven an Munition und Soldaten halten. Das Szenario einer Niederlage wirkt nicht mehr so unwahrscheinlich wie vor einem Jahr.
Ein Sieg Putins wäre eine Katastrophe nicht nur für die Ukraine, sondern auch für Europa und die USA. Sie würde Russland zu weiteren dreisten Eroberungszügen ermuntern und den demokratischen Westen als Palaverklub entlarven, der sich nicht zu wehren weiss. Doch das scheint die im parteipolitischen Kampf verkeilten Politiker in Washington nicht abzuschrecken. Lieber beschäftigen sie sich mit Dingen wie einer Impeachment-Untersuchung gegen Präsident Biden im Zusammenhang mit den dubiosen Geschäften seines Sohnes Hunter. Dabei wird dieses Verfahren nach den vielen bereits erfolgten fruchtlosen Untersuchungen aller Voraussicht nach auch keine Hinweise auf schweres Fehlverhalten des Präsidenten hervorbringen.
Ein ungebührliches Junktim der Republikaner
Es scheint zunächst naheliegend, die Schuld an der Misere bei den Republikanern zu suchen. Sie haben ein sachpolitisch unsinniges Junktim zwischen der Ukraine-Hilfe und der innenpolitisch höchst umstrittenen Grenzschutzpolitik im Süden der USA geknüpft und damit die Hürden für eine Einigung höher gelegt. Und als die Demokraten ihnen ein Stück weit entgegenkamen, lehnten die republikanischen Senatoren Ende letzter Woche den Kompromiss geschlossen ab.
Doch so einfach ist es nicht. Auch die Demokraten haben bisher nicht den Eindruck vermittelt, als würden sie die Forderungen der Republikaner wirklich ernst genug nehmen. Dabei sollte das gerade im Fall der Einwanderungsprobleme an der Südgrenze gar nicht so schwer sein.
Es besteht kein Zweifel: Die Einwanderungspolitik der Administration Biden funktioniert nicht. Die illegalen Grenzübertritte verzeichnen seit Monaten Höchststände. Grenzbehörden, Aufnahmezentren und die Asylbürokratie sind überfordert. Die Regierung in Washington hat offensichtlich keine Lösungsansätze für die inakzeptable Situation. Die Wähler erkennen das und lehnen die hilflose Migrationspolitik der Demokraten laut Umfragen mit grosser Mehrheit ab.
Deshalb wäre es politisch klug, die Republikaner in die Verantwortung zu nehmen und ihre Vorschläge zur Migrationspolitik im Süden weitgehend anzunehmen. Somit könnte nicht nur die dringend benötigte Ukraine-Hilfe bewilligt werden. Die politische Konkurrenz würde gleichzeitig gezwungen, das undankbare Geschäft der Asylpolitik zu ihrem eigenen Problem zu machen. Einfache Lösungen gibt es hier nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Unzufriedenheit der Wähler somit auf beide Parteien verteilt, wäre nur ein Vorteil für die Demokraten.
Die Demokraten müssen über ihren eigenen Schatten springen
Dafür müssten sie über ihren Schatten springen. Zu den umstrittenen Vorschlägen der Republikaner gehören zum Teil schon unter der Administration Trump angewendete Massnahmen wie die erleichterte Abschiebung von Immigranten ohne Papiere oder die Zuweisung von Asylbewerbern in Warteräume auf der mexikanischen Seite der Grenze, bis ihre Asylverfahren bearbeitet werden.
Das ist Gift für progressive Demokraten. Doch war Joe Biden einst nicht als der Präsidentschaftskandidat angetreten, der den Graben zwischen den politischen Lagern überbrücken wollte? Kompromisse mit dem politischen Gegner sind nur möglich, wenn hin und wieder auch die Brüskierung des äusseren Flügels der eigenen Partei hingenommen wird. Und sollten die Republikaner so weitreichende Angebote ausschlagen, dann könnte ihre Ernsthaftigkeit betreffend die Lösung des Einwanderungsproblems publikumswirksam in Zweifel gezogen und somit Druck aufgebaut werden.
Noch ist ein Kompromiss möglich, wenn der Kongress im Januar aus den Weihnachtsferien zurückkehrt. Die Ukraine wird die Militärhilfe dann umso dringender benötigen. Präsident Biden sollte das Geschäft zur Chefsache machen und eine Einigung aushandeln, die im klaren Sicherheitsinteresse des Landes steht.
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